Kinnverkleinerung
Synonym: Kinnreduktion
Englisch: chin reduction
Definition
Die Kinnverkleinerung ist ein chirurgisches Verfahren der Genioplastik, das zur Korrektur eines übermäßig prominenten oder verlängerten Kinns angewendet wird. Ziel ist die Harmonisierung der Gesichtsproportionen sowie die Verbesserung des ästhetischen und ggf. funktionellen Profils.[1]
Anatomie
Das Kinn besteht aus dem knöchernen Vorsprung des Unterkiefer (Mandibula) und wird von Weichteilen und Muskulatur überlagert. Der Nervus mentalis tritt durch das Foramen mentale aus und versorgt Haut und Unterlippe sensibel; eine Läsion kann zu Taubheit in Unterlippe und Kinn führen.[2] Der Musculus mentalis prägt die Kontur des Kinns. Bei chirurgischen Eingriffen wird er häufig gelöst und refixiert, um eine postoperative Ptose zu vermeiden.[3]
Indikationen
- Ästhetisch: Ausgeprägtes, zu weit vorstehendes oder verlängertes Kinn, das das Profil dominiert. Bei Frauen entsteht ggf. ein maskulines Erscheinungsbild.[4]
- Funktionell: Kombinierte knöcherne Kieferfehlstellungen oder Störung des Lippenschlusses können eine Reduktion erforderlich machen.[5]
- Gesichtsfeminisierung: Teil komplexer Eingriffe zur Angleichung „maskuliner“ Kinnzüge.[3]
Ein Doppelkinn entsteht in der Regel durch submentales Fett. In diesem Fall ist eine knöcherne Reduktion nicht notwendig. Die Behandlung erfolgt z.B. mit Liposuktion oder Kryolipolyse.[6]
Operative Verfahren
Zugänge
- Intraorale Schnittführung (kein sichtbarer Schnitt außen) — häufig bevorzugt, da keine äußeren Narben entstehen.[5]
- Submentaler Schnitt (unter dem Kinn) — ggf. bei zusätzlicher Weichteilstraffung oder wenn direkter Zugang gewünscht wird.[5]
Techniken
Klassisch erfolgt eine horizontale Osteotomie des Symphysenbereichs. Ein keilförmiges Knochenstück wird entfernt oder das vordere Segment nach dorsal verlagert und mit Osteosyntheseplatten fixiert. Diese Technik ermöglicht gezielte Verkürzung und Konturierung des Kinns.[1]
Darüber hinaus existieren diverse Modifikationen. Bei der Frästechnik wird der Knochen z.B. ohne vollständige Osteotomie mit einem rotierendem Fräsinstrument (z.B. 5-mm-Burr) abgetragen. Diese Methode bietet in geeigneten Fällen eine schnellere und ggf. risikoärmere Alternative.[7]
Unabhängig von der Technik werden anschließend die Weichteile (submentales Fett, Musculus mentalis) angepasst und der Muskel wieder refixiert, um ein ästhetisches Ergebnis und die Funktion zu sichern.[3]
Präoperative Planung
- Detaillierte klinische Untersuchung (Profilanalyse, Lippenprojektion, Kiefersituation)[1]
- Bildgebung: Panoramaschichtaufnahme, ggf. CT oder 3D-Kiefervermessung zur Planung der Osteotomie und zur Lagebestimmung des Nervus mentalis.[3]
- Fotodokumentation und Simulationen (Profil-/Frontalansichten) zur Aufklärung und Ergebnisprognose.[1]
Postoperative Nachsorge
Ergebnisse
Das finale Ergebnis des Eingriffs lässt sich erst nach Monaten beurteilen, da Schwellungen und Gewebeumsiedlungen Zeit zur Abheilung benötigen.[1] Systematische Übersichten und Fallserien berichten überwiegend gute ästhetische Ergebnisse und hohe Patientenzufriedenheit bei adäquater Indikationsstellung und chirurgischer Technik.[8] Aktuelle systematische Reviews fordern jedoch standardisierte Ergebnisparameter und prospektive Studien zur besseren Vergleichbarkeit der Techniken.[3]
Komplikationen und Risiken
- Sensibilitätsstörungen: Häufig vorübergehend. Persistierende Hypästhesien sind selten, hängen aber von Eingriffsart und Begleitoperationen ab.[8]
- Hämatom, Schwellung, Infektion: Allgemein selten bei adäquater Wundpflege und Antibiotikaprophylaxe.[4]
- Notching/sichtbare Osteotomiekanten, Ptose des Kinnpolsters, Unterlippen-Inkompetenz. Sie können auftreten und erfordern ggf. Nachkorrekturen.[7]
- Knochenheilungsstörungen (Mal/Nonunion): sehr selten.[4]
Nicht-operative Alternativen
Diese Verfahren adressieren überwiegend submentales Fett, keine knöchernen Überproportionen. Sie haben bei einem ausgeprägten Gewebeüberschuss nur eine begrenzte Wirkung.
- Liposuktion: Reduktion submentalen Fetts.[5]
- Kryolipolyse (nicht-invasiv): Zeigt in Studien eine signifikante Fettreduktion mit milden, vorübergehenden Nebenwirkungen. Keine bestätigten Nervenverletzungen in der Literatur für submentale Anwendungen.[6]
- Energiegestützte Verfahren (Radiofrequenztherapie, fokussierter Ultraschall): Zur Hautstraffung. Die Fettreduktion bleibt begrenzt.[6]
- Injektionslipolyse (z.B. mit Desoxycholsäure): Gezielte, minimalinvasive Fettreduktion der submentalen Region.[6]
Abgrenzung
- Kinnaugmentation: Aufbau/Projektion des Kinns (Implantate, Osteotomie nach anterior) — Gegenstück zur Kinnverkleinerung.[1]
- Orthognathe Chirurgie: Bei komplexen skelettalen Diskrepanzen wird Kinn-OP oft in Kombination mit anderen Kieferosteotomien geplant.[3]
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Abadi et. al. Genioplasty. 2015. PMID: 26579866.
- ↑ Nguyen et. al. Anatomy, Head and Neck, Mental Nerve. 2023. PMID: 31536237
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 Dalmeijer et. al. Evaluating Genioplasty Procedures: A Systematic Review and Roadmap for Future Investigations. 2025. PMID: 40271466
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 Apotheken.de – Kinnkorrektur.
- ↑ 5,0 5,1 5,2 5,3 PD Dr. v. Wilmowsky et al. Kinnplastik. Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie Nürnberg.
- ↑ 6,0 6,1 6,2 6,3 Lipner Cryolipolysis for the treatment of submental fat: review of the literature. 2018. PMID: 29345049
- ↑ 7,0 7,1 Shah QNM et. al. Chin Reduction Made Simpler.2023. PMID: 37691711
- ↑ 8,0 8,1 Niechajev Reduction genioplasty for mandibular prognathism and long chin. 2020. PMID: 32533407