Kell-System
nach dem Vornamen der Indexpatientin, Kelleher
Synonyme: Kell-Blutgruppensystem, CD238, Kell-Cellano-System (obsolet)
Englisch: Kell antigen system; Kell-Cellano system; Kell blood groups
Definition
Das Kell-System ist ein Blutgruppensystem, das mehrere erythrozytäre Antigene zusammenfasst. Die beiden wichtigsten sind Kell (K, K1) und Cellano (k, K2). In der standardisierten Nomenklatur der International Society of Blood Transfusion heißt diese Blutgruppe 006/KEL. Das Kell-System basiert auf dem Oberflächenantigen CD238.
Nomenklatur
Der Name Kell-Cellano-System ist nicht mehr üblich, da inzwischen weitere Blutgruppenmerkmale gefunden wurden, die dem Kell-System zugerechnet werden. Aktuell (2018) umfasst das Kell-System 38 Antigene.
Hintergrund
Das Kell-System ist nach dem AB0-System und dem Rhesus-System das drittwichtigste Blutgruppensystem. Die Wichtigkeit resultiert daraus, dass die Kell-Eigenschaft stark immunogen ist; d.h. eine Antikörperbildung (Anti-K) mit dem Risiko einer hämolytischen Transfusionsreaktion kommt relativ häufig vor.
Im Gegensatz zum Rhesus-Faktor gibt es beim Kell-System zwei antithetische Antigene. Wenn ein Patient Rhesus-negativ ist, heißt dies, dass das Rhesus-D-Protein auf der Zelloberfläche der Erythrozyten fehlt. Kell-negativ heißt dagegen, die Erythrozyten tragen statt des Merkmals K das Merkmal Cellano.
Biochemie
Das Membranprotein, welches dem Kell-System zu Grunde liegt, ist eine Zink-Metalloprotease mit einer Molekülmasse von 93 kD. Die Protease spaltet ein Proenzym von Endothelin 3 und setzt aktives Endothelin 3 frei. Biochemisch handelt es sich um eine Endopeptidase aus der Familie M13 der neutralen Endopeptidasen. Bei Menschen, denen das Kell-Protein fehlt (K-null), konnte bisher kein phänotypischer Defekt festgestellt werden.
Das Kell-Protein liegt in der Erythrozytenmembran als Komplex mit dem Protein XK vor. Die beiden Proteine sind durch eine Disulfidbrücke verbunden. Hierbei handelt es sich nicht um eine funktionelle Verbindung, Fehlen des Kell-Proteins und des XK-Proteins kommen unabhängig von einander vor.
Genotypen
Das Gen KEL befindet sich auf Chromosom 7 (7q34). Die beiden wichtigsten Antigene Kell und Cellano werden kodominant vererbt. Daraus resultieren drei Genotypen:
- Kell-negativ (kk)
- mischerbig Kell-positiv (Kk)
- reinerbig Kell-positiv (KK)
Wenn die Kell-Eigenschaft serologisch bestimmt wird, lautet der Befund "Kell-positiv", da meist nur auf das Vorhandensein des Merkmals K getestet wird (Reaktion der Erythrozyten mit Anti-K). Dies lässt offen, ob es sich um Kk oder KK-Blut handelt.
Mehr als 90% der Menschen sind Kell-negativ (kk). Um keine Antikörperbildung zu induzieren, sollten sie bei Bluttransfusionen nur Kell-negative Erythrozytenkonzentrate (EK) erhalten. Etwa 8% sind Kell-positiv, die allermeisten mischerbig (heterozygot), also Kk. Diese Patienten können Kell-negatives (kk) oder Kell-positives Blut erhalten (siehe auch: Rhesus-Kell-Kompatibilität).
Etwa 0,4% der Bevölkerung sind reinerbig Kell-positiv (KK) und können daher Anti-k (Anti-Cellano) bilden. In der Praxis kommt dies selten vor, vermutlich weil das Antigen k (Cellano) niedrig-immunogen ist. Falls ein Anti-k auftritt, müssen diese Patienten mit KK-Erythrozytenkonzentraten versorgt werden, was ein erhebliches Versorgungsproblem aufwirft.
Die oben genannten Häufigkeiten gelten nur für Menschen europäischer Abstammung, in Ethnien außerhalb Europas ist die Eigenschaft Kell-positiv wesentlich seltener. Die beschriebenen Antigene beruhen fast ausschließlich auf Einzelnukleotid-Polymorphismen.
Als seltene Variante kann das Kell-Protein auch fehlen, dies wird als Kell-null-Phänotyp oder K(0) bezeichnet.
Weitere Antigene
Weitere Antigene im Kell-System sind Penney (K3, Kpa), Rautenberg (K4, Kpb), Sutter (K5, Jsa) und Matthews (K6, Jsb). Sie haben die Eigenart, nur in bestimmten Populationen polymorph zu sein. In den meisten Ethnien handelt es sich um hochfrequente Antigene. Die Merkmale Sutter und Matthews spielen z.B. nur bei Farbigen eine Rolle. Sensibilisierungen gegen diese Antigene kommen in der europäischen Bevölkerung selten vor, wenn aber eine Antikörperbildung eingetreten ist, ist die Versorgung mit kompatiblen EK außerordentlich schwierig.
Als jüngster Zuwachs der Kell-Familie wurde 2017 das Antigen KEAL entdeckt, das vermutlich mit einer Häufigkeit von 1:50.000 vorkommt. Anlass war eine tödlich verlaufende fetomaternale Inkompatibilität.
Geschichte
Das Kell-Antigen wurde 1946 entdeckt, kurz nach der Einführung des Coombs-Tests. Die Indexpatientin war Mutter eines Kindes mit Symptomen eines Morbus haemolyticus neonatorum. Das Serum der Patientin reagierte mit Erythrozyten des Vaters, des Kindes und 9% zufällig ausgewählter Probanden positiv. Das antithetische Antigen Cellano wurde 1949 nachgewiesen.
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