Entzugsanfall
Synonyme: Entzugskrampf, Entzugskrampfanfall, Alkoholentzugskrampf
Englisch: withdrawal seizure
Definition
Der Entzugsanfall ist ein epileptiformer Krampfanfall, der im Rahmen eines Entzugssyndroms auftritt. Es handelt sich meist um einen tonisch-klonischen Krampfanfall. Entzugsanfälle sind eine schwerwiegende Komplikation des Alkohol- und Benzodiazepinentzugs, können aber selten auch bei anderen Entzugssyndromen vorkommen.[1]
Epidemiologie
Bisher (2025) fehlen belastbare epidemiologische Daten zur Inzidenz. Etwa 5 - 15 % der alkoholabhängigen Patienten erleiden ein Delirium tremens, das mit Entzugsanfällen einhergehen kann.[2]
Pathogenese
Der Entzugsanfall entsteht durch eine Disbalance zwischen neuronalen Erregungs- und Hemmungsmechanismen im Gehirn. Das abrupte Absetzen von Alkohol oder Medikamenten wie Benzodiazepinen nach chronischem Konsum führt zu einem relativen Mangel an GABA, Acetylcholin und Magnesium. Es kommt zu einer sympathoadrenergen Aktivierung mit einem Überschuss an Noradrenalin. Folge ist eine neuronale Übererregbarkeit und eine Absenkung der zerebralen Krampfschwelle.[3]
Symptome
Typisch ist das Auftreten von generalisierten tonisch-klonischen Krampfanfällen, die meist innerhalb von 48 Stunden nach dem Absetzen der Substanz auftreten. Die Anfälle können einzeln oder in kurzer Serie auftreten, aber auch in einen Status epilepticus übergehen. In etwa der Hälfte der alkoholbedingten Fälle kommt es zu einem Übergang in ein Delirium tremens.
Therapie
Ein Entzugsanfall ist eine schwere Komplikation und potenziell lebensbedrohlich. Therapeutisch steht die Sicherung der Vitalfunktionen und die Durchbrechung des Krampfanfalls, z.B. mit Benzodiazepinen wie Lorazepam, im Vordergrund. Elektrolytstörungen, insbesondere Hypomagnesiämie und Hypokaliämie, sowie weitere Mangelerscheinungen (z.B. Vitamin B1-Mangel) müssen ausgeglichen werden. Zur weiteren Behandlung ist eine stationäre Therapie erforderlich. In schweren Fällen ist eine intensivmedizinische Therapie indiziert.[3] [4]
Prophylaxe
Zur Prophylaxe des alkoholbedingten Entzugsanfalls kommen Clomethiazol oder Benzodiazepine (meist Lorazepam oder Diazepam) zum Einsatz. Ergänzend kann die Gabe von Clonidin oder Dexmedetomidin hilfreich sein. Bei einem Benzodiazepinentzug ist das kontrollierte und langsame Absetzen die wichtigste präventive Maßnahme.
Quellen
- ↑ Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG-Sucht). S3-Leitlinie Medikamentenbezogene Störungen – 1. Auflage. Version 01, 2020. Zuletzt abgerufen am 02.09.2025
- ↑ Maschke M. et al., Delir und Verwirrtheitszustände inklusive Alkoholentzugsdelir, S1-Leitlinie, 2020, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Zuletzt abgerufen am 02.09.2025
- ↑ 3,0 3,1 Wilhelm et al.: Praxis der Intensivmedizin, 3. Auflage, 2023. Heidelberg, Springer.
- ↑ Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie e.V.:S3-Leitlinie Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen, 2020. Zuletzt abgerufen am 02.09.2025