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Ceroidlipofuszinose

Synonyme: NCL, CLN, neuronale Ceroidlipofuszinose
Englisch: ceroid lipofuscinosism, neuronal ceroid lipofuscinosis

1. Definition

Neuronale Ceroidlipofuszinosen, kurz NCLs, sind eine heterogene Gruppe progressiver, neurodegenerativer, erblicher Erkrankungen, die u.a. mit Demenz, Epilepsie und Sehverlust einhergehen. Sie werden den lysosomalen Speichererkrankungen zugeordnet. Es existieren verschiedene Formen der Erkrankung, die in den meisten Fällen autosomal-rezessiv vererbt werden.

2. Epidemiologie

Betroffen ist etwa eines von etwa 30.000 Neugeborenen. Damit sind die neuronalen Ceroidlipofuszinosen die häufigste Gruppe neurodegenerativer Krankheiten, die im Kindes- und Jugendalter ihren Anfang nehmen.

In Deutschland treten am häufigsten die infantile CLN1, die spätinfantile CLN2 und die juvenile CLN3 auf.

3. Genetik

Bisher sind 13 Typen der Erkrankung bekannt, die alle auf Mutationen in verschiedenen Genen beruhen. Die Vererbung verläuft autosomal-rezessiv. Eine Ausnahme stellt die adulte Form CLN4 dar, die autosomal-dominant vererbt wird.

4. Pathophysiologie

Durch die spezifischen Genmutationen kommt es zu Einschlüssen von fluoreszierenden Lipopigmenten, sogenanntem Ceroid, in den Lysosomen zahlreicher Gewebe. Das Ceroid ähnelt dem auch als Alterspigment bezeichneten Lipofuszin. Durch die Einschlüsse werden in erster Linie die Neuronen der grauen Substanz sowie der Netzhaut geschädigt. Daraus resultiert eine ausgedehnte neuronale Entzündungsreaktion und Degeneration im ZNS.

5. Symptome und Verlauf

Neuronale Ceroidlipofuszinosen haben gemeinsam, dass die Betroffenen initial vollkommen gesund erscheinen, mit Ausnahme der kongenitalen Form CLN10.

Das Alter bei Krankheitsbeginn kann je nach Form von der Geburt bis zum Erwachsenenalter reichen.

Die Hauptsymptome sind Visusverlust, Rückschritte in der geistigen und motorischen Entwicklung, Demenz sowie Epilepsie.

Verlauf der juvenilen NCL (CLN3)

6. Klassifikation

Aktuell (2023) werden 13 verschiedene Typen der Erkrankung unterschieden:

Typ Bezeichnung betroffenes Gen Manifestationsalter Merkmale
CLN1 infantile NCL CLN1/PPT1 Beginn mit 6 bis 18 Monaten, auch Erwachsenenalter Vermindertes Schädelwachstum, Krampfanfälle, motorische Entwicklungsrückschritte
CLN2 (klassische) spätinfantile NCL TPP1 Kleinkindalter, 2 bis 4 Jahre Krampfanfälle, Ataxie, Visusverlust, verzögerte Sprachentwicklung, motorische Entwicklungsrückschritte
CLN3 (klassische) juvenile NCL CLN3 Schulalter bzw. 4 bis 7 Jahre Visusverlust, Verhaltensauffälligkeiten, kognitiver Abbau
CLN4 adulte NCL (autosomal rezessiv oder dominant) DNAJC5 Erwachsenenalter unspezifische mentale oder motorische Symptome, Verhaltensauffälligkeiten
CLN5 spätinfantile NCL CLN5 Kleinkindalter, 2 bis 5 Jahre Lernstörung, kognitive Einschränkungen
CLN6 spätinfantile NCL CLN6 Kleinkindalter, 2 bis 5 Jahre Krampfanfälle, Ataxie, verzögerte Sprachentwicklung
CLN7 spätinfantile NCL CLN7/MFSD8 Kleinkindalter, 2 bis 5 Jahre Krampfanfälle, Visusverlust, motorische und kognitive Rückentwicklung
CLN8 spätinfantile NCL CLN8 Kleinkind - Schulalter Krampfanfälle, Visusverlust, motorische und kognitive Rückentwicklung
CLN10 Kongenitale NCL 'CLN10/CathepsinD (CTSD) ab der Geburt, teilweise auch erst später Mikrozephalie, Dysmorphien, Krampfanfälle, Hyperkinesien
CLN11 adulte NCL Progranulin (GRN) ab 20. Lebensjahr unspezifische mentale oder motorische Symptome, Verhaltensauffälligkeiten
CLN12 adulte NCL ATPase, Transmebran-Ionen Transporter (ATP13A2) 2. bis 3. Lebensdekade unspezifische mentale oder motorische Symptome, Verhaltensauffälligkeiten, Rigidität, Hypokinesie
CLN13 adulte NCL CathepsinF (CTSF) ab 20. Lebensjahr unspezifische mentale oder motorische Symptome, Verhaltensauffälligkeiten
CLN14 progressiver MyETyp CLN14 /Kaliumkanalprotein (KCTD7) 1. Lebensjahr vermindertes Schädelwachstum, Krampfanfälle (Myoklonus)

7. Diagnostik

Der erste Arztkontakt findet meist aufgrund des Visusverlusts beim Ophthalmologen statt. Hier fällt auf, dass sich die Sehprobleme durch eine Brille nicht korrigieren lassen. In der ophthalmologischen Untersuchung können Makulaveränderungen in Form einer (unspezifischen) Schießscheibenmakulopathie auffallen. Zur weiterführenden ophthalmologischen Diagnostik gehören eine optische Kohärenztomographie (OCT) und ein Elektroretinogramm (ERG). In der OCT sucht man nach Zeichen für eine Störung der Photorezeptoren. Bei der juvenilen NCL sind die Potenziale im Elektroretinogramm schon früh nicht mehr nachweisbar.

Je nach Alter zum Zeitpunkt des Symptombeginns und aufgetretenen Symptomen kann die Diagnose auf verschiedene NCL-Formen eingegrenzt werden. Entsprechend unterscheidet sich die Diagnostik:

  • Kongenitale Manifestation: Bei der kongenitalen Form (CLN10) sind, im Gegensatz zu allen anderen NCL-Formen, die Kinder bereits ab Geburt eindeutig krank. Die Kinder fallen mit Mikrozephalie und Krampfanfällen auf. Die Diagnostik erfolgt durch Messung der Aktivität von Cathepsin D in Leukozyten oder Hautfibroblasten. Das lysosomale Enzym wird durch das Gen CTSD kodiert. Bei eindeutig verminderter Aktivität steht die Diagnose fest, doch sollte zusätzlich eine Mutationsanalyse des betroffenen Gens durchgeführt werden, um der betroffenen Familie eine sichere genetische Beratung zu ermöglichen.
  • Manifestation im Kleinkindalter: Hier sollten als erstes Enzymtests (Palmitoyl-Protein-Thioesterase auffällig bei CLN1 und Tripeptidyl-Peptidase-1 bei CLN2) durchgeführt werden. Sind diese unauffällig, so sollte in Gewebeproben nach Ceroid-Lipofuszinen gesucht werden. Alternativ kann eine Panel-Diagnostik der möglichen betroffenen Gene erfolgen, um eine genaue Diagnose zu stellen.
  • Manifestation im Schulalter: Hier sollte ein Blutausstrich auf Lymphozytenvakuolen untersucht werden. Sind diese vorhanden, so gilt die Diagnose der juvenilen NCL (CLN3) als sicher. Es sollte zusätzlich eine molekulargenetische Analyse des CLN3-Gens erfolgen. Liegt dort keine Mutation vor, muss man an atypische Formen (z.B. protrahierter Verlauf einer CLN1 oder CLN2) oder andere Mutationen (z.B. CLN8 oder CLN9) denken. Zur Diagnosesicherung der CLN sollte auch hier in Gewebeproben nach den charakteristischen Ablagerungen gesucht werden.
  • Manifestation im jungen Erwachsenenalter: Hier werden zunächst Enzymtests durchgeführt (Palmitoyl-Protein-Thioesterase, Tripeptidyl-Peptidase-1 oder Cathepsin D). Bei fehlender Enzymaktivität erfolgt eine molekulargenetische Analyse. Ist die Enzymaktivität unauffällig, werden auch hier Gewebeproben entnommen, um nach Ceroid-Lipofuszinen zu suchen.

8. Differentialdiagnostik

Aufgrund des ophthalmologischen Befundes wird teilweise zunächst die Diagnose einer Retinitis pigmentosa gestellt. Ihr Verlauf ist jedoch i.d.R. langsamer als bei der NCL.

9. Therapie

Für die meisten Formen der Erkrankung existieren keine kausalen Therapien und es sind rein symptomatische Behandlungen angezeigt. Dabei steht eine umfassende palliativmedizinische Betreuung im Vordergrund. Zur symptomatischen Therapie gehören u.a. eine antikonvulsive Therapie, eine neurologische, logopädische, ergo- und physiotherapeutische Anbindung sowie die psychologische Betreuung der Erkrankten und der Angehörigen. Weiterhin werden Symptome wie Schlafstörungen, Verhaltensauffälligkeiten, Schluckstörungen oder respiratorische Probleme behandelt.

Für die CLN2 besteht die Möglichkeit einer intraventrikulären Enzymersatztherapie mit Cerliponase alfa.[1]

Verschiedene Gentherapien befinden sich aktuell (2023) in der Entwicklung.

10. Weblinks

Forschungsaktivitäten werden unter anderem von der NCL-Stiftung unterstützt. Um eine frühzeitige Diagnose zu ermöglichen, werden Ärzte speziell für die NCL sensibilisiert, z.B. über Merkblätter.

11. Literatur

12. Quellen

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