Bernard-Soulier-Syndrom
nach den französischen Hämatologen Jean-Bernard (1907–2006) und Jean-Pierre Soulier (1915–2003)
Synonym: BSS, hämorrhagische Thrombozytendystrophie
Englisch: Bernard-Soulier-Syndrome, hemorrhagiparous thrombocytic dystrophy
Definition
Das Bernard-Soulier-Syndrom ist eine hereditäre Thrombozytopathie autosomal-rezessiven Erbgangs.
Epidemiologie
Das BSS ist eine äußerst seltene Erkrankung mit einer geschätzten Prävalenz von 1:1.000.000. Nur homozygote oder gemischt heterozygote Anlageträger erkranken.
Pathophysiologie
Dem BSS liegt eine Störung der Thrombozytenadhäsion zu Grunde, die auf einen erblich bedingten Defekt des Von-Willebrand-Faktor-Rezeptors (Membranrezeptor der Thrombozyten für den endothelialien Von-Willebrand-Faktor, Glykoprotein Ib; Abk. GP Ib/IX/V) zurückgeht.
Der Pathomechanismus beruht auf einer Punktmutation (Nonsense-Mutation) des GPIb- codierenden Gens.
Klinik
Symptomatisch äußert sich das BSS in einer hämorrhagische Diathese, die mit Purpura und erhöhter Hämatomneigung einhergeht. Spontanblutungen, insbesondere im Bereich der Schleimhäute sind eher selten.
Komplikationen
Größere [Blutung]]en in Folge Trauma, Geburt oder Operation können zu massiven Volumenverlusten mit hypovolämischem Schock führen.
Cave: Eine Antikoagulantientherapie mit Thrombozytenaggregationshemmern (z.B. Acetylsalicylsäure, Aspirin®) kann zu schweren Blutungskomplikationen führen!
Diagnostik
Die Diagnose des BSS beinhaltet:
- Anamnese bezüglich
- Spontanblutungen (Art, Auftreten, Dauer, Hämatomneigung)
- Sichtbefund (Hämatome)
- Labordiagnostik
Labordiagnostik
Die eindeutige Diagnose des BSS ergibt sich aus den labordiagnostischen Befunden:
- Blutbild: normgerechte Thrombozytenzahl bis leichte Thrombozytopenie
- erhöhtes mittleres Thrombozytenvolumen
- Blutausstrich: ggf. Makrothrombozyten
- Gerinnungsdiagnostik
- verlängerte Blutungszeit bei normgerechter PTT und Quick (INR)
- normaler von-Willebrand-Faktor
- negativer Ristocetin-Test
siehe auch: Thrombozytenfunktionsdiagnostik
Genanalyse
Eine Genanalyse mittels DNA-Sequenzierung ist prinzipiell möglich, jedoch nicht erforderlich.
Differentialdiagnostik
Differentialdiagnostisch ist eine Thrombozytopathie anderer Genese und ein von-Willebrand-Jürgens-Syndrom (ebenfalls negativer Ristocetin-Test) auszuschließen.
Therapie
Die Hämostase kann durch allgemeine Maßnahmen verbessert werden, unter anderem Gabe von Desmopressin oder Tranexamsäure.
Aufgrund der „milden“ Symptomatik des BSS ist eine therapeutische Intervention in Form einer Substitution mittels Thrombozytenkonzentraten nur bei bedrohliche Blutungen indiziert. Patienten, die selbst kein Glykoprotein Ib exprimieren, können dagegen Antikörper bilden, auch deswegen sollten Thrombozytentransfusionen möglichst restriktiv erfolgen.