Blutungszeit
Englisch: bleeding time
Definition
Die Blutungszeit ist die Zeit, die nach dem künstlichen Setzen einer blutenden Verletzung bis zur Hämostase vergeht. Eine Verlängerung der Blutungszeit weist auf das Vorliegen einer hämorrhagischen Diathese hin.
Bestimmung
Die Blutungszeit liefert eine orientierende Beurteilung der primären Hämostase. Sie wird u.a. durch die Funktion und Anzahl der Thrombozyten sowie die Gerinnungsfaktoren des Blutes und Gewebes beinflusst. Die Blutungszeit kann auf verschiedene Weise bestimmt werden.
Blutungszeit nach Ivy
Bei dieser Untersuchung wird zur Standardisierung der Druckverhältnisse eine Blutdruckmanschette am Oberarm des Patienten angebracht und auf 40 mmHg Druck eingestellt. Im nächsten Schritt erfolgt ein kleiner Einschnitt an einer günstigen Stelle des Unterarms (keine Narben, keine Venen, möglichst wenig Behaarung). Hierzu kann ein kleines, mechanisches Messerchen mit Federmechanismus benutzt werden. Dadurch wird die Schnitttiefe besser vergleichbar.
Nach Eintreten der Blutung wird alle 30 Sekunden das ausfließende Blut mit einem sterilen Tupfer (bzw. Papiertuch) entfernt. Um eine Abtragung des sich bildenden Gerinnsels zu verhindern, darf die Wunde selbst nicht berührt werden. Die Blutungszeit ist abgeschlossen, wenn auf dem Tupfer keine Rötung mehr nachweisbar ist.
Blutungszeit nach Duke
Hierbei wird ein ca. 3 mm tiefer Lanzettenstich in den Rand des Ohrläppchens gesetzt. Nach Eintreten der Blutung wird alle 15 Sekunden das ausfließende Blut mit einem sterilen Tupfer (bzw. Papiertuch) entfernt. Um eine Abtragung des sich bildenden Gerinnsels zu verhindern, darf die Wunde selbst nicht berührt werden. Die Blutungszeit ist abgeschlossen, wenn auf dem Tupfer keine Rötung mehr nachweisbar ist.
Subaquale Blutungszeit nach Marx
Bei der subaqualen Blutungszeit nach Marx wird die Fingerbeere nach Setzen eines Lanzettenstiches sofort in ein wassergefülltes Kolbenglas (37°C) eingetaucht. Gemessen wird die Zeit bis zum visuellen Blutungsstillstand.
In-vitro-Blutungszeit
Alternativ zum Setzen einer Verletzung kann die Blutungszeit in vitro mithilfe des Platelet Function Analyzers® (PFA-100, PFA-200) bestimmt werden. Dabei wird pH-gepuffertes Citratblut unter hoher Schubspannung durch eine Messkapillare geführt. Das Messgerät saugt das Vollblut durch eine 0,15 mm weite Membranöffnung, die mit Kollagen und Adenosindiphosphat (PFA-ADP) oder Kollagen und Adrenalin (PFA-EPI) beschichtet ist. Dabei wird die Zeit in Sekunden gemessen, nach der es durch Aggregation der Thrombozyten zum Verschluss der Membranöffnung kommt.
Referenzbereich
Die Blutungszeit beträgt bei gesunden Individuen ca. 2-5 Minuten.
Interpretation
Mit der Blutungszeit kann in erster Linie die sog. primäre Hämostase, d. h. die Aktivierung der Thrombozyten, untersucht werden. Bei ausschließlich plasmatischen Gerinnungsstörungen (sekundäre Hämostase) liegt meist eine normwertige Blutungszeit vor.
Ein häufiger Grund für eine verlängerte Blutungszeit ist die Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern. Weitere Ursachen sind hämorrhagische Diathesen (z.B. Willebrand-Jürgens-Syndrom), Thrombozytopathien, Thrombozytopenien, Dysproteinämien und Urämien.
Bei niedriger Thrombozytenzahl ist immer eine verlängerte Blutungszeit zu erwarten, die Untersuchung ist dann fraglich sinnvoll.
Hinweis
Eine stark verlängerte Blutungszeit ist ein Hinweis auf eine lebensbedrohliche Blutungsneigung und bedarf einer gründlichen diagnostischen Abklärung.
Literatur
- Laborlexikon.de; abgerufen am 09.02.2021