BRSV-Infektion (Wiederkäuer)
Synonym: Bovines-respiratorisches-Synzytialvirus-Infektion
Englisch: bovine respiratory syncytial virus infection
Definition
Als BRSV-Infektion bezeichnet man eine durch Viren der Gattung Pneumovirus verursachte Infektionskrankheit beim Wiederkäuer.
Nomenklatur
Die Abkürzung BRSV wird häufig fälschlicherweise (auch von Tierärzten) synonym für eine Erkrankung mit dem Virus verwendet.
Erreger
Das bovine respiratorische Synzytialvirus (BRSV) ist ein Virus aus Subfamilie der Pneumovirinae (Gattung Pneumovirus) innerhalb der Familie der Paramyxoviridae. Paramyxoviren sind pleomorphe, sphärische oder filamentöse Viren, die einen Durchmesser von mehr als 150 nm aufweisen. Die Virushülle ist sehr labil und enthält zwei virale Glykoproteine (HN und F) und ein nicht-glykosyliertes Matrix-Protein (M).[1] Viren aus dieser Familie sind außerdem dazu befähigt, Synzytien und zytoplasmatische Einschlusskörperchen zu bilden.
Das Genom enthält eine lineare und einzelsträngige RNA negativer Polarität und ist zwischen 15 und 16 kb groß. Die Transkription und Replikation erfolgt im Zytoplasma.[1]
Epidemiologie
BRSV ist weltweit verbreitet und stellt das bedeutendste atemwegspathogene Virus bei Rindern dar. In Deutschland weisen etwa 80 % der erwachsenen Rinder Antikörper gegen BRSV auf. Natürliche Infektionen mit respiratorischen Synzytialviren treten nur bei Menschen (RSV-Infektion), Rindern und Schafen (Ovines respiratorisches Synzytialvirus) auf.
Besonders Kälber und Jungrinder sind empfänglich für die Viren. Eine klinisch manifeste Erkrankung setzt typischerweise abrupt (über Nacht) ein - oft nach einem Kälteeinbruch im Winter.[2] Bis zu 80 % der Tiere innerhalb eines Bestandes können betroffen sein. Die Virusübertragung erfolgt als Tröpfcheninfektion. Auch eine Übertragung auf dem Luftweg von einem Stall in einen anderen konnte nachgewiesen werden.[3]
BRSV gilt als Wegbereiter für bakterielle Infektionen - insbesondere für Pasteurellen und Histophilus somni - und spielt eine wesentliche Rolle in der Entwicklung verschiedener Faktorenkrankheiten (z.B. Enzootische Bronchopneumonie).
Pathogenese
Nach einer Infektion mit dem BRSV kommt es zu einer Schädigung des respiratorischen Zilienepithels, was wiederum Bakterien-assoziierte Sekundärinfektionen begünstigt. Sowohl kolostrale als auch zirkulierende Antikörper schützen nicht vor einer Reinfektion. Bei einer erneuten Infektion mit dem Erreger kommt es jedoch zu einem deutlich milderen aber dennoch klinisch manifesten Krankheitsverlauf.
Durch Stress können die klinischen Symptome ausgeprägter sein, wobei auch Tiere mit einem guten Immunstatus erkranken können.
Klinik
Bei einer Infektion mit dem bovinen respiratorischen Synzytialvirus können grundsätzlich zwei Stadien bzw. Verlaufsformen unterschieden werden, das
- mild verlaufende Erststadium und das
- akut einsetzende, schwer verlaufende Zweitstadium.
Das relativ mild verlaufende erste Stadium lässt sich kaum von der Rindergrippe (enzootische Bronchopneumonie) unterscheiden. Hauptsymptome sind ein Rückgang der Fresslust (Inappetenz), eine geringe Dämpfung des Allgemeinbefindens, Nasenausfluss, Speicheln, Tränenfluss, eine erhöhte Atemfrequenz und Fieber bis zu 42,2 °C. Dieses Stadium dauert in der Regel 1 bis 5 Tage an.
Das zweite Stadium geht mit einer schweren Dyspnoe, Maulatmung, gestrecktem Hals, schaumigem Speicheln, subkutanen Ödemen (insbesondere im Kehlgang und Halsbereich), gerringgradigem Nasenausfluss und Petechien (v.a. auf den Schleimhäuten) einher. Das zweite Stadium dauert meist zwischen 5 und 7 Tagen und weist eine hohe Letalität auf (ca. 20 %). Bei der schweren Verlaufsform wird die Beteiligung eines allergischen Prozesses vermutet. In den meisten Fällen tritt es meist 7 bis 14 Tage später nach dem ersten Stadium auf.
Pathologie
Im Zuge der Sektion fallen vor allem ein interstitielles und ein subpleurales Emphysem aller Lungenflügel auf. Durch bakterielle Sekundärinfektionen kann sich auch eine purulente Pneumonie entwickeln. Das histologische Schnittbild ist hauptsächlich von Riesenzellen (infolge von Synzytienbildung) geprägt.
Diagnose
Der Nachweis einer Beteiligung von BRSV an einem akuten Ausbruch von respiratorischen Erkrankungen ist nicht immer durchführbar (v.a. weil das Virus sehr labil ist). Ein direkter Erregernachweis kann mittels Nasentupferproben oder Lavagen und anschließender Immunfluoreszenz oder PCR erfolgen.
Therapie
Ein Therapieversuch kann mit Antihistaminika und Bronchospasmolytika versucht werden. In schweren Fällen können einmalig Glukokortikoide appliziert werden. Da in den meisten Fällen auch bakterielle Sekundärinfektionen vorliegen, empfiehlt es sich betroffene Tiere auch antibiotisch (nach erfolgtem Antibiogramm) zu behandeln.
Prophylaxe
Prophylaktisch können inaktivierte und attenuierte Lebendimpfstoffe (auch in Kombination mit BVDV oder PIV-3) auf Bestandsebene verwendet werden.
Literatur
- Herausgeber: W. Klee, M. Metzner. Rinderskript. ISSN 1617-4410
- Skript Virologie für die Module Tierseuchen, Verdauung, Respiration + Kreislauf, ZNS, Reproduktion. Für Studierende der Veterinärmedizin. Institut für Virologie, Veterinärmedizinische Universität Wien. Stand 1/2017.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 [1] Paramyxoviridae, ViralZone.org
- ↑ [2] Bovine respiratory syncytial virus: infection dynamics within and between herds. Vet Rec. 2013 Nov 16; 173(19): 476. Published online 2013 Oct 23. doi: 10.1136/vr.101936
- ↑ [3] Airborne transmission of BHV1, BRSV, and BVDV among cattle is possible under experimental conditions. Vet Microbiol. 1999 Apr 19;66(3):197-207.
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