Augenlinse
Synonyme: Lens oculi, Lens crystallina, Linse
Englisch: lens
Definition
Die Linse des menschlichen Auges ist ein kristallklarer, beidseitig stark konvex geformter Körper, der sich im Bulbus oculi befindet. Seine Funktion ist die Brechung des auf das Auge treffenden Lichts, um auf der Netzhaut ein scharfes Bild zu projizieren, welches dort in elektrische Signale verwandelt wird. Die Linse des menschlichen Auges ist somit eine Sammellinse, da sie das Licht gebündelt auf die Netzhaut überträgt.
Anatomie
Die Linse befindet sich hinter der Iris und vor dem Corpus vitreum (Glaskörper). Sie ist in der Mitte des kreisförmigen Corpus ciliare (Ziliarkörper) mithilfe der Fibrae zonulares (Zonulafaser) aufgehängt. Topografisch unterscheidet man einen vorderen und hinteren Linsenpol (Polus anterior et posterior lentis) sowie den seitlich umlaufenden Linsenäquator, in den die Zonulafasern einstrahlen.
Beim Neugeborenen hat die Linse einen Durchmesser von ungefähr 6,5 mm und eine Dicke von 3,5 mm. Beim Erwachsenen beträgt der Durchmesser ca. 9,0 mm und die Dicke ca. 5,0 mm.
Histologie
An der Augenlinse lassen sich histologisch von außen nach innen mehrere Schichten unterscheiden:
- Linsenkapsel (Capsula lentis)
- Linsenrinde (Cortex lentis)
- Linsenkern (Nucleus lentis)
Die Linsenkapsel ist eine im vorderen Abschnitt etwa 14 bis 21 µm dicke Basallamina, welche die Linse vollständig umschließt.
Unter der vorderen Linsenkapsel befindet sich das Linsenepithel, das sich aus flachen bis isoprismatischen Linsenepithelzellen (LECs) zusammensetzt. In der Prääquatorialregion der Linse bleiben sie lebenslang teilungsfähig. Hier entwickeln sich aus ihnen durch Differenzierung die Linsenfaserzellen (LFCs), die den eigentlichen Körper der Linse ausmachen und mehr als 99% der Linsenzellen stellen.
An der Hinterfläche der Linse befindet sich physiologisch kein Linsenepithel - hier stößt die Linsenkapsel direkt an die Linsenrinde.
Embryologie
Die Linse des menschlichen Auges ist ektodermalen Ursprungs. Die Primärstruktur ist eine Ektodermverdickung, die als Linsenplakode bezeichnet wird. Sie entwickelt sich durch Zellproliferation und Invagination über das Linsengrübchen zum Linsenbläschen, das in den Augenbecher verlagert wird.
Bei der Trennung des Linsenbläschens vom Ektoderm werden die apikalen Zellpole der Zellen nach innen gestülpt, so dass die ursprüngliche Basalmembran des Ektoderms zur äußeren Begrenzung der Linse (Linsenkapsel) wird. Die Zellen unter dem vorderen Kapselanteil verbleiben als einschichtige zylindrische Zellen und bilden die Linsenepithelzellen, die sich teilen und dabei in horizontale Richtung bewegen.
Biochemie
Das Gewebe der Augenlinse ist zum großen aus speziellen, wasserlöslichen Strukturproteinen aufgebaut, welche die Brechkraft der Linse erhöhen, ohne ihre Transparenz herabzusetzen. Diese sogenannten Crystalline werden von den Linsenfaserzellen produziert.
Die normale Linse eines Erwachsenen enthält ca. 65% Wasser - also deutlich weniger als die umgebenden Medien. Dadurch hat die Linse einen Brechungsindex, der sich von Kammerwasser und Glaskörper unterscheidet. Zwischen dem Inneren der Linse und dem Kammerwasser besteht ein Ionen-Konzentrationsgefälle. Es wird durch eine aktive Kaliumpumpe, die sich vor allem in der Membran der Linsenepithelzellen befindet, aufrechterhalten.
Die Transparenz der Linse basiert auf einem eng reguliertem Ionen- und Wasserhaushalt. Unter der Transportart "Pump-Leak" versteht man die aktive Übertragung von Ionen aus dem Kammerwasser in die Linse sowie die passive Diffusion über die dorsale Linsenkapsel. Der Wassergehalt von Linse und Kammerwasser befindet sich dabei im Gleichgewicht.
Physiologie
Die gesunde Linse kann sich als einzige Komponente des dioptrischen Apparats in ihrer Brechkraft dem eintreffenden Licht anpassen. Sie ist durch die sogenannten Zonulafasern an den Seitenwänden des Bulbus oculi befestigt. Durch die Kontraktion des Musculus ciliaris erschlaffen die Zonulafasern und die Linse krümmt sich aufgrund ihrer Eigenelastizität. Das Licht wird somit stärker gebrochen. Dieser Vorgang geschieht beim Nahsehen. Da in der Nähe befindliche Körper Licht in einem anderen Winkel als weit entfernte Körper auf das Auge werfen, muss das Licht stärker gebrochen werden, um auf der Netzhaut ein scharfes Bild darzustellen. Bei der Fernakkomodation funktioniert dieser Mechanismus umgekehrt. Dann erschlafft der Musculus ciliaris und die Zonulafasern flachen durch ihren Zug die Linse ab.
Die normale Akkomodationskraft beträgt etwa 19 dpt. Dieser Wert kann im Alter erheblich sinken, wodurch eine Weitsichtigkeit bzw. Altersweitsichtigkeit (Presbyopie) auftritt. Die Ursache hierfür ist eine nachlassende Elastizität der Linse und dadruch eine geringere Akkomodationskraft.
Pathophysiologie
Mit dem Alter sinkt der Wassergehalt die Linse. Außerdem steigt die Konzentration an Albuminoid, einem unlösliches Linsenprotein. Es resultiert der alterstypische Elastizitäs- und Transparenzverlust.
Die wichtigste Erkrankung der Augenlinse, die aus diesen degenerativen Veränderungen resultiert, ist die Katarakt. Eine Form der Katarakt ist die gelbliche Kernkatarakt, auch Kernsklerose genannt. Sie bezeichnet den Trübungsvorgang aus dem Inneren der Linse heraus. Er ist bei etwa 95% aller über 65jährigen vorzufinden.
Podcast
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