Dioptrischer Apparat
von griechisch: διόπτρα ("dioptra") - Augenglas
Synonyme: lichtbrechende Medien, lichtbrechende Einrichtungen des Auges
Definition
Als dioptrischen Apparat bezeichnet man in der Anatomie und Physiologie des visuellen Systems die Gesamtheit der lichtbrechenden Strukturen des Auges.
Klinisch wird der dioptrische Apparat oft zu einer einzigen lichtbrechenden Struktur zusammengefasst und vereinfachend mit Formulierungen wie z.B. "Brechkraft des Auges" beschrieben.
Anatomie
Folgende anatomische Strukturen gehören zum dioptrischen Apparat:
- Cornea (Hornhaut des Auges)
- Humor aquosus (Kammerwasser)
- Lens oculi (Augenlinse)
- Corpus vitreum (Glaskörper)
Alle Komponenten des dioptrischen Apparats sind aufgrund ihrer biophysikalischen und histologischen Eigenschaften transparent und können Licht brechen.
Cornea
Die Cornea ist das transparente Fenster des Augapfels. Dass ihr Stroma durchsichtig bleibt, beruht histophysiologisch im Wesentlichen darauf, dass die inneren Abstände ihres Kollagenfibrillen-Gitterwerks in einem bestimmten Verhältnis zu den Wellenlängen des sichtbaren Lichts stehen. Diese Abmessungen sind abhängig vom Quellungszustand des Stromas.
Glaskörper
Der Glaskörper ist eine transparente, gelatinöse Extrazellulärmasse, die den größten Teil des Augapfels ausfüllt. Er bewahrt die Linse und das innere Blatt der Retina, die nicht Teil des dioptrischen Apparats ist, vor Lageverschiebungen.
Physiologie
Hauptaufgabe des dioptrischen Apparats ist es, durch Refraktion (Lichtbrechung) alle Lichtstrahlen, die von einem Punkt eines betrachteten Objekts ausgehen, auch wieder zu einem Punkt auf der Retina zusammenzuführen. Dabei entsteht auf der Retina physiologisch ein umgekehrtes, verkleinertes Bild des Objekts, welches zentral als scharf wahrgenommen wird.
Durch Anwendung des Strahlensatzes der Geometrie erhält man für den Abbildungsmaßstab β:
β = G/B = g/b
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Cornea
Die Cornea hat mit einer Brechkraft D von etwa 43 dpt den größten Anteil an der Gesamtbrechkraft des dioptrischen Apparats. Dies liegt daran, dass das Licht auf seinem Weg durch die Grenzfläche Luft-Cornea den größten Unterschied zweier Medien bzgl. ihrer optischen Dichte überwindet. Luft hat einen Brechungsindex von 1,0 und die Cornea, die zu einem Großteil aus Wasser besteht, von etwa 1,33. Daher wird das Licht an der Corneavorderseite am stärksten gebrochen.
Alle übrigen Komponenten des dioptrischen Apparats sind vom wässrigen Milieu bestimmt, ihre Brechungsindizes unterscheiden sich daher nur geringfügig. An den weiteren Grenzflächen (Cornea-Kammerwasser, Kammerwasser-Linse etc.) kommt es also nur zu geringeren Brechungen.
Da die Gesamtbrechkraft des dioptrischen Apparats durch die relativ lange evolutionäre Entwicklung auf das Sehen an Land ausgelegt wurde, wird dieses biophysikalisch sinnvoll aufeinander abgestimmte Zusammenspiel seiner einzelnen Komponenten beim Tauchen unter Wasser wieder gestört. Da die starke Brechung an der Grenzfläche Luft-Cornea wegfällt, entsteht kein scharfes Bild auf der Retina - man sieht unter Wasser unscharf.
Linse
Durch ihre bikonvexe Form wäre die Linse eigentlich besser zur Lichtbrechung geeignet. Da sie aber zwischen Medien ähnlicher optischer Dichte liegt, trägt sie weniger zur Gesamtbrechkraft des Auges bei als die Corneavorderfläche. Sie kann als einziger der vier Teile ihre Brechkraft in einem Bereich von 10 bis 20 dpt variieren (Akkommodation). Dafür sind besonders zwei Faktoren verantwortlich: der Musculus ciliaris und die elastischen Eigenschaften der Linse selbst. Die Akkommodation wird reflektorisch gesteuert.
Die Linse ist über die Zonulafasern, die an ihrer Kapsel inserieren, am Corpus ciliare aufgehängt. In Ruhe ziehen elastischen Fasernetze der Bruch-Membran passiv rückstellend, ohne Muskelarbeit, über den Ziliarkörper an den Zonulafasern. Diese stehen dadurch unter Spannung, die elastische Linse wird am Äquator auseinander gezogen und ist abgeflacht. Dioptrisch ist die Linse nun fernakkomodiert, der Fernpunkt liegt beim Emmetropen im Unendlichen.
Zur Nahakkommodation kontrahiert der parasympathisch innervierte Musculus ciliaris. Diese aktive, also Energie verbrauchende Muskelarbeit wirkt antagonistisch den passiven Kräften der Bruch-Membran entgegen. Der Ziliarkörper wird nach vorne gezogen und dem Linsenäquator entgegengewölbt, die Zonulafasern erschlaffen. Durch ihre Eigenelastizität kann sich die Linse nun abkugeln, was ihren Krümmungsradius verringert und ihre Brechkraft erhöht.
Brechkraft des Gesamtsystems
In der Physiologie des visuellen Systems und in der Klinik wird oft ein "reduziertes Auge" betrachtet. Man setzt dazu vereinfachend die unterschiedlichen Medien des dioptrischen Apparats zu einem Linsensystem zusammen und geht davon aus, dass alle Brechungen in einer Ebene stattfinden.
Die Gesamtbrechkraft des Auges kann nun nach den Gesetzen der physikalischen Optik berechnet werden:
D = 1/f
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Beim Gesunden liegt die Gesamtbrechkraft D des dioptrischen Apparats bei Fernakkommodation bei etwa 45-65 dpt, oft werden 59 dpt angegeben. Die Akkommodationsbreite bleibt dabei unverändert. Nahakkommodiert kann D bis zu 74 dpt betragen.
Chromatische Aberration
Wie bei allen Lichtbrechungen beim Übergang zwischen Medien unterschiedlicher optischer Dichte kommt es auch beim dioptrischen Apparat zur sogenannten chromatischen Aberration. Das bedeutet, dass kurzwelliges Licht (blau) stärker gebrochen wird als langwelliges Licht (rot). Dieser Abbildungsfehler ist jedoch durch die geringen intraokulären Strecken für das Sehen weitgehend unerheblich.
Ein geringer Effekt chromatischen Aberration ist, dass von einem roten und einem blauen Gegenstand, die beide exakt gleich weit vom Auge entfernt sind, der rote etwas näher erscheinen kann. Da rote Wellen weniger stark gebrochen werden, muss die Linse eine stärkere Brechkraft einstellen (Akkommodation). Da das Sehzentrum davon ausgeht, dass die Einstellung einer stärkeren Brechkraft stets bei tatsächlich näheren Objekten notwendig ist, wird der rote Gegenstand zentral als näher wahrgenommen.
Klinik
Akkommodationsstörungen
Presbyopie
Bei der Presbyopie (Alterssichtigkeit) verliert die Linse ihre Eigenelastizität. Bei Kontraktion des Musculus ciliaris kann sie nicht mehr richtig abrunden. Der Fernpunkt bleibt unverändert, aber der Nahpunkt rückt in die Ferne, was ungenau als "Altersweitsichtigkeit" bezeichnet wird.
Im Extremfall kann die Akkommodationsbreite bis auf 0 dpt absinken. Da die Linse die einzige verstellbare Komponente des dioptrischen Apparats ist, kann das Auge in diesem Fall seine Brechkraft überhaupt nicht mehr verändern. Jegliche Anpassung an die Entfernung des betrachteten Gegenstands ist unmöglich.
Aphakie
Bei der Aphakie, dem angeborenen oder erworbenen vollständigen Verlust der Augenlinse kann das aphake Auge in keiner Weise akkomodieren. Jedes scharfe Sehen ist unmöglich.
Refraktionsanomalien
Refraktionsanomalien entstehen entweder durch eine Ametropie, einem Missverhältnis zwischen der Brechkraft der Linse und der Bulbuslänge oder durch sonstige Störungen der Lichtbrechung in Komponenten des dioptrischen Apparats. Hierzu zählen:
- Myopie (Kurzsichtigkeit): Der Bulbus ist relativ zu lang.
- Hypermetropie (Weitsichtigkeit): Der Bulbus ist relativ zu kurz.
- Astigmatismus (Hornhautverkrümmung): Die Corneaoberfläche ist unregelmäßig gekrümmt.
Therapie
Neben konventionellen Behandlungsmöglichkeiten (z.B. Brille) sind Störungen der Lichtbrechung durch den dioptrischen Apparat u. a. Gegenstand der refraktiven Chirurgie.
Quellen
- Renate Lüllmann-Rauch: Taschenlehrbuch Histologie, 5. Auflage, 2015, Thieme-Verlag
- Endspurt: Physiologie 3, 3. Auflage, 2015, Thieme-Verlag