Abdominelles Kompartmentsyndrom
Englisch: abdominal compartment syndrome
Definition
Beim abdominellen Kompartmentsyndrom, kurz ACS, handelt es sich um eine progrediente intraabdominelle Druckerhöhung, die zu einer Beeinträchtigung der Durchblutung der intra- und auch extraabdominellen Gefäße führt und unbehandelt letale Auswirkungen hat.
Ätiologie
Man unterscheidet zwischen dem primären und sekundären abdominellen Kompartmentsyndrom. Das primäre ACS entsteht durch akute intraabdominelle Erkrankungen, wie beispielsweise:
- Traumata des Beckens oder des Abdomens
- Peritonitis
- Abszesse
- Ileus
- akute Pankreatitis
- Mesenterialinfarkt
- rupturiertes Aortenaneurysma
In seltenen Fällen können eine dekompensierte Leberzirrhose mit Aszitesbildung, intraabdominelle Tumore, eine Peritonealdialyse oder Schwangerschaft ebenfalls ein primäres ACS auslösen.
Auslöser für ein sekundäres ACS sind extraabdominelle Ursachen, die über eine Volumenverschiebung eine abdominelle Ischämie triggern, z.B.:
Pathophysiologie
Infolge einer Entzündung oder eines Traumas kommt es zu einer Erhöhung des intraabdominellen Drucks. Er führt zunächst zu einer venösen Stase, im nächsten Schritt zu einer arteriellen Minderperfusion der Organe. Daraus resultieren Ödeme und ischämische Bezirke, die in Nekrosen übergehen und dadurch Endorganschäden auslösen.
Abgrenzung
Vom abdominellen Kompartmentsyndrom wird die intraabdominelle Hypertension (IAH) abgegrenzt. Von einer IAH spricht man bei einem intraabdominellen Druck (IAP) von über 12 mmHg. Das abdominelle Kompartmentsyndrom hingegen ist definiert durch einen anhaltenden IAP von über 20 mmHg in Kombination mit mindestens einer Organdysfunktion. Man teilt die intraabdominelle Hypertension wie folgt ein:
- Grad I: IAP 12 bis 15 mmHg
- Grad II: IAP 16 bis 20 mmHg
- Grad III: IAP 21 bis 25 mmHg
- Grad IV: IAP > 25 mmHg
Bei einer intraabdominellen Hypertension sollte der IAP mit konservativen Maßnahmen reduziert werden.
Klinik
Das klinische Erscheinungsbild äußert sich durch ein prall gespanntes Abdomen, ansteigende Beatmungsdrücke und eine respiratorische Insuffizienz, Oligurie und hämodynamische Instabilität.
Diagnostik
Den intraabdominellen Druck kann man mithilfe eines Druckabnehmers im Harnblasenkatheter bestimmen, was als Goldstandard zur Diagnose eines ACS gilt. Bei einem dauerhaften Blasendruckwert von mehr als 20 mmHg und Neuauftreten einer Organdysfunktion, liegt ein ACS vor. Während bei einem Blasendruckwert von 15 bis 25 mmHg engmaschige Kontrollen erfolgen sollten, ist bei einem Blasendruckwert von über 25 mmHg eine möglichst schnelle dekomprimierende Laparotomie indiziert.
Komplikationen
Der hohe intraabdominelle Druck kann zu Nierenversagen, respiratorischer Insuffizienz, Darmatonie, Barrierestörung, Peritonitis, zerebralen Funktionseinschränkungen sowie Multiorganversagen führen. Die Letalität des ACS liegt bei 39 bis 62 %.
Therapie
Die Therapie der Wahl ist die Druckentlastung des Abdomens mittels Laparotomie. Zur Prävention eines erneuten abdominellen Kompartmentsyndroms kann ein Laparostoma geschaffen werden. Folgende konservative Maßnahmen können die abdominelle Druckentlastung unterstützen:[1]
- Erhöhung der Bauchwand-Compliance durch ausreichende Sedierung und Analgesie, Ablegen von Bauchbinden, neuromuskuläre Blockaden und Anti-Trendelenburg-Lagerung
- Dekompression durch Entfernung intraluminaler und intraabdomineller Flüssigkeitsansammlung mittels Magensonde, Rektalsonde, Reduktion enteraler Ernährung, abführende Maßnahmen, Parazentesen und perkutane Drainagen
- restriktives Flüssigkeitsmanagement
- Organunterstützung
Quellen
- ↑ Larena-Avellaneda A. Abdominelles Kompartmentsyndrom. Operative und interventionelle Gefäßmedizin - Springer Reference Medizin. 10.1007/978-3-662-53380-2_44. 2020. pp. 381-385
Literatur
- Wilhelm S et al. Das abdominelle Kompartment-Syndrom. Anästh Intensivmed 2004;45:14-24. DIOmed-Verlags GmbH.
- Standl T. Das Abdominelle Kompartmentsyndrom. Ein häufig unterschätztes Problem?. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2007; 42(7/08): 500-503
- Larena-Avellaneda A. Abdominelles Kompartmentsyndrom. Operative und interventionelle Gefäßmedizin - Springer Reference Medizin. 10.1007/978-3-662-53380-2_44. 2020. pp. 381-385
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