Nervus hypoglossus
von altgriechisch: ὑπό ("hypo") - unter; λῶσσα ("glossa") - Zunge, Sprache
Synonyme: Nervus XII, 12. Hirnnerv, Unterzungennerv, Zungenschlundnerv
Englisch: hypoglossal nerve
Definition
Der Nervus hypoglossus ist der 12. Hirnnerv. Er innerviert als somatomotorischer Nerv die Muskulatur von Zunge und Mundboden.
Verlauf
Lateral der Pyramide tritt der Nervus hypoglossus mit ca. zehn bis zwölf feinen Wurzelfasern im Sulcus anterolateralis aus der Medulla oblongata an die Gehirnoberfläche aus. Danach zieht er in bis zu drei Stämmen zum Canalis nervi hypoglossi des Os occipitale und verlässt durch ihn die Schädelhöhle - ganz in der Nähe des Foramen magnum. Auf Höhe des Canalis nervi hypoglossi gibt der Nervus hypoglossus teils einen Ramus meningeus ab.
Extrakranial verläuft der Nerv zunächst zwischen der Vena jugularis interna, der Arteria carotis interna und Arteria carotis externa in das Trigonum caroticum. Dort lagern sich dem Nerven auf einem kurzen Verlaufsstück Fasern der ventralen Äste der oberen Halsnerven (C1 und C2) an, welche die Radix superior der so genannten Ansa cervicalis profunda bilden. Einige Faserzüge begleiten den Nerven weiter und innervieren Teile der Zungenbeinmuskulatur.
Die verbleibenden Fasern biegen im kranialen Teil des Trigonum caroticum um und verlaufen unter dem Musculus stylohyoideus und dem Venter posterior des Musculus digastricus zum Trigonum submandibulare. Von dort treten sie vom Mundboden her zwischen Musculus mylohyoideus und Musculus hyoglossus in die Zunge ein.
Innervation
Der paarige Nerv versorgt motorisch die innere und äußere Muskulatur der Zunge - mit Ausnahme des Musculus palatoglossus, der vom Plexus pharyngeus versorgt wird. Über die Ansa cervicalis profunda (Fasern des Plexus cervicalis die mit dem Nervus hypoglossus verlaufen) innerviert er ebenfalls die untere Zungenbeinmuskulatur.
Kerngebiet
Der Kern des Nervus hypoglossus (Nucleus nervi hypoglossi) liegt beidseits paramedian lang gestreckt im kaudalen Teil der Medulla oblongata, am Boden der Fossa rhomboidea im sogenannten Trigonum nervi hypoglossi. Er befindet sich damit etwa in gleicher Höhe wie die Kerne des X. und XI. Hirnnerven.
Embryologie
Der Nervus hypoglossus entwickelt sich aus dem ersten okzipitalen Somiten. Er wird in der 4. Entwicklungswoche als eine Ansammlung kleiner Nervenfasern sichtbar, die am Ende der 5. Woche einen zusammenhängenden Nerv formen. Der Nucleus nervi hypoglossi leitet sich von der Basalplatte der embryonalen Medulla oblongata ab.
Klinik
Eine Schädigung des Nervus hypoglossus, z.B. durch ein Trauma oder einen Tumor, führt zur Hypoglossusparese.
Einseitige Schädigungen des Nervus hypoglossus resultieren in einer halbseitigen Zungenlähmung. Im Mund weicht die Zunge zur kranken Seite ab. Beim Herausstrecken verlagert sich die Zunge aufgrund des Muskeltonus der Gegenseite jedoch zur geschädigten bzw. gelähmten Seite. Trotz Schwierigkeiten bei der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme wird die einseitige Lähmung meist als wenig behindernd wahrgenommen.
Hinweis: Eine Seitenabweichung der Zunge ist nicht zwingend ein Lähmungszeichen, wenn gleichzeitig keine Atrophie der Zungenmuskulatur vorliegt. Sie kann auch bei Gesunden als harmlose Asymmetrie vorkommen.
Beidseitige Schädigungen führen zu einer vollständigen Zungenlähmung, die bei langer Verlaufsdauer zu einer Atrophie der Zungenmuskulatur führt. Bei einer doppelseitigen Lähmung ruht die Zunge bewegungslos auf dem Mundboden, was schwere Sprechstörungen und eine Behinderung der Nahrungsaufnahme zur Folge hat.
Beide Nervenkerne werden überwiegend von der kontralateralen Hemisphäre kontrolliert, jedoch teilweise auch ipsilateral innerviert. Bei Ausfällen in einer Hemisphäre (z.B. bei einem Hirninfarkt) kommt es daher nur zu partiellen Funktionsstörungen.