Milzbrand
von griechisch: ἄνθραξ ("antrax") - Kohle
Synonym: Anthrax
Englisch: anthrax, splenic fever, woolsorter's disease
Definition
Der Milzbrand ist eine durch Infektion mit dem Bakterium Bacillus anthracis hervorgerufene Erkrankung.
Erreger
Bacillus anthracis ist ein grampositives, bekapseltes, aerobes Stäbchen. Es misst zwischen 3 bis 5 µm und kann Sporen ausbilden, die unter widrigsten Umweltbedingungen über Jahrzehnte bestehen können. Die Infektion des Menschen erfolgt vor allem durch die aerogene oder orale Aufnahme von Sporen oder die Infektion von Wunden oder lädierter Haut. In der Regel erfolgt keine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch.
Die Organschädigung ist auf das Anthraxtoxin zurückzuführen.
Eine Erklärung, warum der Erreger so aggressiv ist und meist den Tod des Wirtes verursacht, bietet die Tatsache, dass dadurch seine Verbreitung begünstigt wird. Durch den Tod des Wirtes verschlechtern sich die Lebensbedingungen des Bakteriums, d.h. die Sporenbildung setzt ein. Die Sporen sind jahrzehntelang virulent. Unter natürlichen Bedingungen begünstigt die Verwesung des Opfers die Freisetzung.
Epidemiologie
Der Milzbrand ist in Nordeuropa und Nordamerika eine seltene Erkrankung, in anderen Teilen der Welt kommen immer wieder Milzbrand-Fälle vor. Auf natürlichem Weg befällt er Menschen, die in direktem oder indirektem Kontakt mit infizierten Tieren stehen. Vor allem Weidetiere wie Schafe und Kühe sind Überträger (Zoonose) von Milzbrand.
Einzelne kleine Epidemien können auftreten, wenn Menschen direkten Kontakt zu infizierten Tieren oder tierischen Produkten (Wolle, Haar, Leder) haben. Außerdem kommen Ausbrüche bei i. v.-Drogenkonsumenten vor, weil die Substanzen mit Milzbrandsporen kontaminiert sein können (sog. Injektionsmilzbrand).
Milzbrandsporen als Biowaffe
Milzbrandsporen werden von Terroristen und Militärs als potente Biowaffe angesehen. Das Aussetzen von Milzbrandsporen kann als Instrument zur Massentötung verwendet werden.
Eine versehentliche Freisetzung von sporenhaltigem Aerosol aus einem militärischen Biowaffenlabor führte Ende der siebziger Jahre in der Sowjetunion zu zahlreichen Toten.
Formen
Klinisch sind vier Formen des Milzbrandes zu unterscheiden:
- Hautmilzbrand
- Darmmilzbrand
- Lungenmilzbrand
- Injektionsmilzbrand
Alle Formen können durch Sepsis und/oder Organschädigung unbehandelt zum Tod führen. Insbesondere der Lungenmilzbrand hat auch bei früher Anbehandlung eine sehr hohe Letalität.
Hautmilzbrand
Der Hautmilzbrand ist die häufigste Verlaufsform. Nach Infektion einer Wunde kommt es nach einer Inkubationszeit von 2 bis 6 Tagen zur Ausbildung einer juckenden Papel. Die umgebende Haut ist ödematös aufgequollen und es zeigt sich eine Lymphadenitis.
Die Papel verfällt in der Folge vom Zentrum ausgehend unter Ausbildung schwarzer Nekrosezonen. Am Rand der Papel entstehen Blasen mit serösem Inhalt. Diese Milzbrandbläschen werden auch als Pustulae malignae bezeichnet.
Darmmilzbrand
Der Darmmilzbrand (auch Magen-Darm-Milzbrand genannt) entsteht durch die Aufnahme von Bakterien oder Sporen mit der Nahrung (z.B. infiziertes Fleisch). Nach einigen Tagen kommt es zu einer schweren Gastroenteritis mit Durchfällen, die zunächst schleimig, später blutig sind.
Durch massive Vermehrung des Erregers und Toxinüberflutung des Organismus kommt es zu Ulzerationen an Magen und Darm mit Hämatemesis sowie nekrotischem Zerfall abdomineller Lymphknoten.
Mund-Rachen-Milzbrand
Der Mund-Rachen-Milzbrand ist eine seltene Sonderform des Darmmilzbrands und äußert sich beispielsweise durch Halsschmerzen, Fieber, Dysphagie und Atembeschwerden sowie durch Ödeme und Lymphknotenschwellungen.
Lungenmilzbrand
Der Lungenmilzbrand ist die fatalste Verlaufsform. Nach Infektion kommt es in den ersten Tagen zu einer grippeähnlichen Symptomatik (Husten, Fieber, Abgeschlagenheit). Folgend entwickelt sich sehr schnell eine fulminante Pneumonie mit starker Dyspnoe und hohem Fieber. Durch Einwirkung der bakteriellen Toxine kommt es zur Entzündung des Mediastinums (Mediastinitis).
Lymphabflussstörung und Entzündung führen zu ausgeprägter Ödembildung an Hals, Nacken und Mediastinum. Die Prognose ist auch bei früher Behandlung meist infaust.
Injektionsmilzbrand
Ein Injektionsmilzbrand tritt ein bis drei Tage nach Injektion einer mit Milzbrandsporen verunreinigten Substanz (häufig Heroin) auf. Dabei zeigt sich eine lokal begrenzte Haut- und Weichteilinfektion mit einem Erythem und Ödem. Im weiteren Verlauf sind ebenfalls die Subkutis und das Muskelgewebe von der Infektion betroffen. Ein Kompartmentsyndrom und eine nekrotisierender Fasziitis sowie ein letaler Verlauf sind Komplikationen eines Injektionsmilzbrandes.[1]
Komplikationen
Milzbrandmeningitis
Eine Milzbrandmeninigitis kann sich aus allen oben genannten Formen des Milzbrandes entwickeln. Es handelt sich um eine foudroyant verlaufende Komplikation. Hohes Fieber, Kopfschmerzen oder Verwirrtheit sind mögliche Symptome.[1]
Diagnostik
Die mikrobiologische Diagnostik erfolgt durch Anzucht des Erregers. Geeignete Untersuchungsmaterialien sind: Blaseninhalt (Hautmilzbrand), Stuhl (Darmmilzbrand), Sputum (Lungenmilzbrand). Bei einer Milzbrandsepsis können Blutkulturen verwendet werden.
Bei Verdacht auf Milzbrand müssen der Patient isoliert und die entnommenen Materialen in Speziallaboren unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen (Sicherheitsstufe 3) untersucht werden.
Therapie
Die effektivste Therapie ist beim Hautmilzbrand möglich. Unter oraler Antibiotikatherapie mit Amoxicillin, Erythromycin, Ciprofloxacin oder Doxycyclin kann die Ausbildung einer Sepsis in den meisten Fällen verhindert werden.
Der Darmmilzbrand wird durch intravenöse Gabe eines wirksamen Antibiotikums anbehandelt. Trotzdem versterben etwa die Hälfte der Patienten.
Der Lungenmilzbrand ist auch bei früher hochdosierter Antibiotikatherapie meistens tödlich.
Neben der Gabe von Antibiotika ist auch die Therapie mit Antitoxinen in Form monoklonaler Antikörper (anti-PA mAbs, anti-LF mAbs) möglich. Die Antikörper richten sich gegen das protektive Antigen (PA) oder den Letalfaktor (LF) des Milzbrandtoxins.[2]
Von einer chirurgischen Intervention sollte aufgrund der Gefahr einer Sepsis abgesehen werden.
Prävention
Meldepflicht
Eine Infektion mit Bacillus anthracis unterliegt in Deutschland der Meldepflicht.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Anthrax - Ratgeber für Ärzte (Robert Koch-Institut), abgerufen am 30.12.2021
- ↑ Schneemann, A., Manchester, M.: Anti-toxin antibodies in prophylaxis and treatment of Inhalation anthrax. Future Microbiology 2009 February; 4: 35-43 [1]
- ↑ RKI - Epidemiologisches Bulletin, abgerufen am 30.12.2021