Weizenabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie
Synonyme: Anstrengungs-getriggerte Weizenanaphylaxie, Weizen-abhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie, Weizen-abhängige Anstrengungs-induzierte Anaphylaxie, weizenabhängige bewegungsinduzierte Anaphylaxie
Englisch: wheat‐dependent exercise‐induced anaphylaxis, WDEIA
Definition
Bei der sogenannten weizenabhängigen anstrengungsinduzierten Anaphylaxie, kurz WDEIA, handelt es sich um eine seltene, schwerwiegende Nahrungsmittelallergie. Sie wird typischerweise durch den Verzehr von weizenhaltigen Nahrungsmitteln und eine anschließende körperliche Belastung ausgelöst. Das Krankheitsbild gehört zur Gruppe der nahrungsmittelabhängigen bewegungsinduzierten Anaphylaxien.
Epidemiologie
Es handelt sich um ein sehr seltenes Krankheitsbild. Man geht davon aus, dass die Erkrankung unterdiagnostiziert wird. Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen.
Ätiologie
Ursächlich für die Entstehung einer weizenabhängigen anstrengungsinduzierten Anaphylaxie ist die Aufnahme von Weizen sowie eine sich anschließende körperliche Anstrengung. Die alleinige Aufnahme von Weizen führt nicht zu der typischen Symptomatik. Weitere begünstigende Kofaktoren sind die Einnahme von Acetylsalicylsäure und anderen NSAR, Alkohol sowie Infektionen.
Pathogenese
Die genaue Pathogenese der weizenabhängigen anstrengungsinduzierten Anaphylaxie ist derzeit (2022) noch nicht geklärt. Man vermutet, dass das Protein Omega-5-Gliadin und die Untereinheiten von hochmolekularem Glutenin die Hauptallergene sind. Omega-5-Gliadin ist ein Bestandteil von Gluten. Bewegung bzw. Anstrengung und die anderen Kofaktoren scheinen die gastrointestinale Allergenpermeabiliät und Osmolalität zu erhöhen, eine Umverteilung des Blutflusses hervorzurufen und die Schwelle für eine IgE-vermittelte Mastzelldegranulation herabzusetzen.
Nicht jeder Patient mit einer Allergie gegen Omega-5-Gliadin zeigt eine Triggerung der Symptome durch Anstrengung.
Klinik
Die Symptomatik tritt Minuten bis Stunden nach der Aufnahme weizenhaltiger Nahrungsmittel und folgender sportlicher Aktivität auf. Sie ist zu Beginn einer sportlichen Aktivität in der Regel nur gering ausgeprägt. Kennzeichnend sind ein diffuses Wärme- oder Kältegefühl, Pruritus, Urtikaria und plötzliche Fatigue. Wird die Aktivität fortgeführt, kann sich auch die Schwere der Symptomatik aggravieren. Typische Symptome sind Angioödeme, gastrointestinale Beschwerden, Synkopen, Larynxödem und Anaphylaxie bis hin zum Schock mit Hypotonie.
Die Häufigkeit der Attacken und die Wahrscheinlichkeit des Auftretens variieren interindividuell. Die Mehrzahl der Patienten führt regelmäßig sportliche Aktivität aus, zu einer Attacke kommt es dabei jedoch nur gelegentlich.
Diverse sportliche Aktivitäten wie beispielsweise Joggen, Tanzen, Aerobics und Mannschaftssportarten wie Handball oder Fußball können die Symptomatik verursachen. Bei manchen Betroffenen kann jedoch bereits eine geringe körperliche Belastung im Rahmen eines Spaziergangs auslösend sein.
Diagnostik
Die Verdachtsdiagnose einer weizenabhängigen anstrengungsinduzierten Anaphylaxie sollte bei folgenden Patienten gestellt werden:
- Symptome einer Anaphylaxie treten während oder kurz nach sportlicher Aktivität auf, jedoch ausschließlich, wenn zuvor eine Nahrungsaufnahme erfolgte.
- keine Symptome nach Nahrungsmittelaufnahme in der Abwesenheit von folgender sportlicher Aktivität.
Provokationstestungen mit weizenhaltigen Nahrungsmitteln kombiniert mit nachfolgender körperlicher Belastung können die Diagnose bestätigen. Ein negativer Provokationstest schließt die Diagnose jedoch nicht aus. Ein Prick-Test oder der Nachweis von IgE-Antikörpern gegen Weizenproteine können eine Sensibilisierung gegenüber Nahrungsmittelbestandteilen nachweisen. Weiterhin kann ein ImmunoCAP gegen Omega-5-Gliadin durchgeführt werden. Die Sensitivität beträgt etwa 80 %.
Zudem können Hauttestungen mit glutenhaltigem Weizenmehl erfolgen.
Im Rahmen von Studien wird außerdem ein sogenannter Basophilen-Aktivierungstest (BAT) durchgeführt, der mithilfe von Aktivierungsmarkern die Aktivität basophiler Granulozyten testet.
Wenn aufgrund der Anamnese der dringende Verdacht einer weizenabhängigen anstrengungsinduzierten Anaphylaxie besteht, jedoch keine eindeutigen Ergebnisse vorliegen, sollte im Verlauf von 6 bis 12 Monaten die Diagnostik wiederholt werden.
Differentialdiagnosen
Mögliche Differentialdiagnosen der weizenabhängigen anstrengungsinduzierten Anaphylaxie sind beispielsweise:
- Cholinerge Urtikaria
- Primäre Nahrungsmittelallergie, die durch Bewegung verstärkt wird
- Kälte-induzierte Urtikaria
- Mastozytose
- Posturales Tachykardiesyndrom
Therapie
Die Behandlung erfolgt präventiv durch eine glutenfreie Ernährung. In weniger schweren Fällen sollte eine strikte Vermeidung von Gluten und weiteren Kofaktoren vor sportlicher Aktivität eingehalten werden.
Zudem sollten die Patienten Notfallmedikamente (z.B. ein Allergie-Notfallset) bei sich tragen.
Quellen
- Sampson et al. Symposium on the definition and management of anaphylaxis: summary report, J Allergy Clin Immunol, 2005
- Brockow et al. Using a gluten oral food challenge protocol to improve diagnosis of wheat-dependent exercise-induced anaphylaxis, J Allergy Clin Immunol, 2015
- Scherf et al. Wheat-dependent exercise-induced anaphylaxis, Journal of the British Society for Allergy and Clinical Immunology, 2016
- Altmeyers Enzyklopädie - Weizenabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie, abgerufen am 26.08.2022
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