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Sterbehilfe

Englisch: euthanasia

1. Definition

Der Begriff Sterbehilfe umfasst alle Maßnahmen, die den Sterbenden unterstützen und/oder das Sterben erleichtern. Hierzu zählen sowohl die Sterbebegleitung durch palliativmedizinische Versorgung und seelsorgerliche Betreuung des Patienten, als auch das ärztliche Management des Sterbeprozesses. Letzteres wird in eine aktive und eine passive Sterbehilfe unterschieden.

2. Terminologie

Der Nationale Ethikrat äußerte 2006 in einem Positionspapier Bedenken zur verwendeten Terminologie und empfahl die Vermeidung der Begriffe "passive Sterbehilfe" und "aktive Sterbehilfe". Stattdessen soll nach seiner Ansicht folgende Terminologie Verwendung finden:.[1]

  • Sterbenlassen (passive Sterbehilfe)
  • Therapien am Lebensende (indirekte Sterbehilfe)
  • Beihilfe zur Selbsttötung (assistierter Suizid)
  • Tötung auf Verlangen (aktive Sterbehilfe)

Diese Empfehlung hat sich in der medizinischen Alltagssprache bislang (2025) nicht durchgesetzt.

Der gelegentlich als Synonym für Sterbehilfe verwendete Begriff "Euthanasie" ist aufgrund seiner missbräuchlichen Verwendung während des Nationalsozialismus in Deutschland sprachlich diskreditiert.

3. Passive Sterbehilfe

Als passive Sterbehilfe gilt die Unterlassung oder der Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen (z.B. Reanimation, Beatmung, Dialyse, Katecholamingabe, Ernährungssonde). Hierbei gilt die Achtung des Patienteninteresses, das durch den Patienten direkt oder mittels Patientenverfügung willentlich geäußert wurden. Bei seiner Entscheidung sollte der Patient ausreichend über die medizinischen Umstände und Möglichkeiten aufgeklärt sein.

Ist der Patientenwille nicht direkt über den Patienten eruierbar, gilt die Erklärung eines rechtlichen Betreuers oder eines Bevollmächtigten. Diese muss dabei dem Willen des Patienten entsprechen. Liegt auch eine solche Erklärung nicht vor, ist der mutmaßliche Patientenwille zu bestimmen. Dies sollte unter Einbeziehung des Betreuungsgerichts, einer klinisch-ethischen Beratung sowie der An- und Zugehörigen erfolgen.

Rechtlich wird eine Unterlassung lebensverlängernder Maßnahmen, die dem Patientenwillen entspricht, nicht geahndet. Hingegen kann eine Zuwiderhandlung gegen den Patientenwillen als möglicher Straftatbestand im Sinne einer Körperverletzung nach § 223 des Strafgesetzbuchs gelten.

4. Aktive Sterbehilfe

Als aktive Sterbehilfe gelten Handlungen und Maßnahmen, die anstelle der tödlich verlaufenden Erkrankung den Tod herbeiführen. Sie umfassen:

4.1. Indirekte (aktive) Sterbehilfe

Als indirekte Sterbehilfe bezeichnet man die Inkaufnahme lebensverkürzender Nebenwirkungen, beispielsweise durch die Verabreichung überdosierter analgesierender oder sedierender Medikamente (z.B. starke Opioide) in der (Prä-)Finalphase. Sie ist, wenn sie dem Willen des angemessen aufgeklärten Patienten entspricht, in Deutschland nicht strafbar. Wird der Wille des Patienten nicht beachtet, kann sich der Arzt auch hier nach § 223 und § 323c des Strafgesetzbuchs im Sinne einer Körperverletzung oder unterlassener Hilfeleistung strafbar machen.

4.2. Direkte (aktive) Sterbehilfe

Die direkte Sterbehilfe bzw. die „Tötung auf Verlangen“ entspricht der aktiven iatrogenen Tötung des Patienten, z.B. durch die Gabe tödlicher (Über-)Dosen verschiedener Medikamente oder Injektionslösungen (z.B. Insulin, Kaliumchlorid). Sie ist in Deutschland laut Strafgesetzbuch nach § 216 verboten und wird mit 6 Monaten bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe geahndet.

5. Beihilfe zum Suizid

Als Sonderform der Sterbehilfe gilt die Beihilfe zur Selbsttötung bzw. der assistierte Suizid. Gemeint ist unter anderem das Beschaffen eines zur Tötung genutzten Mittels (z.B. Natrium-Pentobarbital). Die Verabreichung des Mittels erfolgt jedoch durch den Betroffenen selbst. Aus rechtlicher Sicht muss hierbei zwischen einem assistierten Suizid und einem ärztlich assistierten Suizid unterschieden werden. Ein nicht-ärztlich assistierter Suizid ist in Deutschland genau wie ein Suizid straffrei. Bei einem ärztlich assistierten Suizid besteht hingegen der rechtliche Konflikt, dass ein Nicht-Eingreifen durch den Arzt nach Injektion der Substanz durch den Betroffenen als unterlassene Hilfeleistung und damit als Totschlag gewertet werden kann.

Bedeutende rechtliche Relevanz hatte der bis vor kurzem gültige § 217 zur geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung. Dieser trat 2015 in Kraft und verbat eindeutig eine gewerbliche Beihilfe zur Selbsttötung. Im Jahr 2020 wurde er in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts für ungültig erklärt. Seitdem ist diese Art der Sterbehilfe in Deutschland rechtlich gesehen nicht mehr explizit geregelt.[2] Auch die Bundesärztekammer reagierte 2021 auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und strich § 16 Satz 3 "Sie [Ärztinnen und Ärzte] dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten" aus der (Muster-)Berufsordnung. Es wird jedoch weiterhin betont, dass die "Hilfe zur Selbsttötung", aus Sicht des Ärzteparlaments nicht zum Aufgabenspektrum der Ärzteschaft gehört.[3][4]

6. Sterbehilfe im Ausland

Die rechtlichen Regelungen der Sterbehilfe unterscheiden sich international. Die Schweiz, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Kanada, Spanien und Kolumbien zählen zu den wenigen Staaten, in denen eine aktive Sterbehilfe unter bestimmten und meist strengen Auflagen erlaubt ist. Diese umfassen u.a., dass eine unweigerlich zum Tode führende Erkrankung des Patienten vorliegen muss und dessen ausdrückliche Willensäußerung bei absoluter Zurechnungsfähigkeit erfolgt. Über die Zulässigkeit der Tötung entscheidet dann beispielsweise eine vom Arzt zu konsultierende unabhängige Kommission aus Rechtsvertretern und Ethikbeauftragten.

Auch Portugal reichte 2021 einen entsprechenden Gesetzesentwurf zur Legalisierung der aktiven Sterbehilfe ein, dieser wurde aber vorerst vom Verfassungsgericht abgelehnt.

Ein bekanntes Beispiel für die Regelung des assistierten Suizids ist die Schweiz. Die Beihilfe zur Selbsttötung ist hier nur dann strafbar, wenn aus "selbstsüchtigen Beweggründen" gehandelt wird. Auf dieser Basis haben sich Suizidhilfeorganisationen (z.B. Dignitas, Exit) etabliert, die unter bestimmten Richtlinien zum Tode führende Mittel zur Verfügung stellen. Sie sind ethisch und politisch umstritten, werden aber in nicht unerheblichem Umfang genutzt.[2][5]

In Österreich regelt seit dem 1. Januar 2022 das Sterbeverfügungsgesetz (StVfG) den assistierten Suizid. Es bietet sterbenden und schwerkranken Menschen Rechtssicherheit und den Schutz vor Missbrauch, indem es strenge Voraussetzungen für den assistierten Suizid festlegt. Die Sterbeverfügung kann nur von volljährigen, entscheidungsfähigen Personen erstellt werden. Es handelt sich dabei um eine Willenserklärung, in der eine sterbewillige Person ihren dauerhaften, freien und selbstbestimmten Entschluss festhält, ihr Leben zu beenden. Vor Erstellung der Sterbeverfügung muss eine Aufklärung durch zwei Ärzte erfolgen. Sterbewillige Personen können mithilfe der Sterbeverfügung ein letales Präparat bei einer Apotheke abholen und dieses dann – in einem selbst gewählten, privaten Rahmen – zu sich nehmen.[6][7]

siehe auch: Hospiz

7. Quellen

8. Literatur

Stichworte: Arztrecht, Sterben, Suizid, Tod

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