Schinzel-Giedion-Syndrom
Englisch: Schinzel-Giedion syndrome
Definition
Das Schinzel-Giedion-Syndrom, kurz SGS, ist ein seltener multisystemischer Gendefekt, der durch eine Gain-of-Function-Mutation im SETBP1-Gen verursacht wird. Es zeichnet sich durch schwere Entwicklungsstörungen, strukturelle Fehlbildungen und ein breites Spektrum klinischer Merkmale aus.
Epidemiologie
Das Schinzel-Giedion-Syndrom ist mit weniger als 100 beschriebenen Fällen weltweit eine sehr seltene Krankheit. Es betrifft Männer und Frauen gleichermaßen und wird i.d.R. durch eine de novo auftretende Mutation im SETBP1-Gen verursacht. Vor der Identifikation der genetischen Ursache wurden mehr als 40 klinische Fälle in der Literatur beschrieben.
Pathogenese
Die Mutation im SETBP1-Gen verhindert den normalen Abbau des von ihm kodierten Proteins, was zu einer Akkumulation des Proteins und einer Dysregulation der Zellproliferation führt. Dies beeinträchtigt insbesondere die Neurogenese und die Entwicklung von Organsystemen.
Klinik
Klassisches SGS
Die klinischen Merkmale umfassen:
- Globale Entwicklungsstörungen mit moderater bis schwerer geistiger Behinderung, fehlender Sprachentwicklung und Unfähigkeit, selbständig zu gehen.
- Epilepsie, meist therapieresistent, und Muskeltonusstörungen wie Hypotonie und Spastik
- Hörstörung und Sehstörung mit beeinträchtigtem Sehzentrum
- Herzfehler wie Vorhofseptumdefekte und persistierender Ductus arteriosus
- Hydronephrose
- Skelettfehlbildungen wie sklerotische Schädelbasis, breite Rippen und hypoplastische Phalangen
- Gesichtsdysmorphien wie prominente Stirn, Mittelgesichtshypoplasie und bitemporale Einengung
- Störungen des Gastrointestinaltrakts: Gastroösophagealer Reflux, chronisches Erbrechen, Gastroparese und Nahrungsintoleranzen.
- Neoplasien wie sakrokokzygeales Teratom und Wilms-Tumor
- Erhöhte Infektanfälligkeit
Atypisches SGS
Diese mildere Variante weist eine ähnliche, aber weniger ausgeprägte Symptomatik auf. Neuroepitheliale Tumoren wurden bisher nicht beobachtet.
Diagnostik
Die Verdachtsdiagnose wird klinisch aufgrund der o.a. charakteristischen Merkmale gestellt. Die Bestätigung erfolgt durch Nachweis einer SETBP1-Mutation im Hotspot (Exon 4). Atypische SGS-Varianten befinden sich nahe diesem Bereich.
Therapie
Da es derzeit (2025) keine kausale Therapie gibt, ist die Behandlung rein symptomatisch. Sie umfasst
- Antikonvulsive Therapie, ggf. ketogene Diät zur Behandlung der Epilepsie
- Physiotherapie: Regelmäßige motorische Förderung zur Vermeidung von Kontrakturen und Verbesserung der Mobilität
- Ernährung: Einsatz von konventionellen Magensonden oder PEG-Sonden bei schweren Fütterungsproblemen
- Krebsvorsorge: Regelmäßige Ultraschallkontrollen und Alpha-1-Fetoprotein-Tests zur Früherkennung von Neoplasien
Prognose
Die Lebenserwartung ist aufgrund schwerer Komplikationen begrenzt. Die Kinder sterben meist im frühen Kindesalter.
Quellen
- Duis et al., Schinzel-Giedion Syndrome, GeneReviews, 2024