Pegvaliase
Hansdelsname: Palynziq®
Definition
Pegvaliase ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der rekombinanten Enzyme, der zur Behandlung der Phenylketonurie (PKU) eingesetzt wird.
Biochemie
Pegvaliase ist eine rekombinante Phenylalanin-Ammoniak-Lyase (rAv-PAL), die mit linearem NHS-PEG von 20 kDa bei einem Substitutionsgrad von 28 bis 44 Mol Polymer/Mol Protein konjugiert ist. Die durchschnittliche molekulare Masse beträgt ungefähr 1.000 kDa. Der Proteinanteil des Wirkstoffs macht etwa 248 kDa aus.
Das Enzym stammt aus dem Cyanobakterium Anabaena variabilis und wird gentechnologisch mit Escherichia coli hergestellt. Zweck der anschließenden PEGylierung ist eine verminderte Immunogenität und die Erhöhung der Plasmahalbwertzeit.
Wirkmechanismus
Pegvaliase ist eine Enzymersatztherapie. Der Wirkstoff ersetzt die fehlende körpereigene Phenylalaninhydroxylase und baut die Aminosäure Phenylalanin zu Ammoniak und Zimtsäure ab, welche hauptsächlich über den Leberstoffwechsel eliminiert werden.[1] Dadurch wird eine Senkung der Phenylalaninwerte im Blut auf bis zu 30% des Augangsniveaus möglich.
Pharmakokinetik
Die Metabolisierung und Elimination der Phenylalanin-Ammoniak-Lyase erfolgt primär durch immunvermittelte Mechanismen. Das Protein wird dabei in kleine Peptide und Aminosäuren zerlegt. Das PEG-Molekül ist metabolisch stabil und wird primär renal ausgeschieden. Die Halbwertzeit liegt zwischen 47,3 Stunden und 60,2 Stunden.[1]
Indikation
Behandlung von Patienten mit Phenylketonurie ab dem Alter von 16 Jahren, deren Phenylalaninwerte im Blut trotz vorausgegangener Anwendung anderer Therapieoptionen nicht ausreichend eingestellt sind (Phenylalaninwerte im Blut > 600 µmol/l)
Darreichungsform
Pegvaliase ist in Form von Fertigspritzen mit einem Wirkstoffgehalt von 2,5, 10 und 20 mg verfügbar.
Dosierung
- Induktion: Die Anfangsdosis beträgt 2,5 mg Pegvaliase einmal pro Woche für 4 Wochen.
- Titration: Die Dosis wird abhängig von der Verträglichkeit allmählich auf eine tägliche Erhaltungsdosis von 20 bis maximal 60 mg Pegvaliase gesteigert, wobei das Ziel ein Blut-Phenylalaninwert zwischen 120 und 600 µmol/l ist.
- Erhaltung: Die Erhaltungsdosis wird individuell so bemessen, dass eine gute Kontrolle des Phenylalaninwerts im Blut des Patienten erreicht wird, wobei die Verträglichkeit und die tägliche Proteinaufnahme des Patienten mit der Ernährung zu berücksichtigen sind.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Anwendung
Pegvaliase wird subkutan injiziert.
Hinweis: Während der Induktions- und Titrationsphase ist aus Sicherheitsgründen eine Prämedikation in Form eines H1-Rezeptor-Antagonisten, eines H2-Rezeptor-Antagonisten und eines Antipyretikums erforderlich. Die ersten Arzneimittelgaben müssen unter ärztlicher Beobachtung erfolgen. Der Nachbeobachtungszeitraum nach der Injektion sollte mindestens 60 min. betragen.
Nebenwirkungen
Die häufigsten Nebenwirkungen unter Pegvaliase sind Überempfindlichkeitsrekationen. Sie treten im Rahmen der Induktion oder Titration bei bis zu 65% der Patienten auf, u.a.:[1]
- Anaphylaxie (4,6%),
- Angioödem (5,6%) und
- Serumkrankheit (2,1%).
Überempfindlichkeitsrekationen können jederzeit während der Behandlung - auch nach Erreichen der Erhaltungsphase - auftreten. Pegvaliase kann außerdem die Immunreaktion gegen andere PEGylierte injizierbare Arzneimittel verstärken. Bei schweren systemischen Überempfindlichkeitsreaktionen oder wiederholtem Auftreten leichter bis mittelschwerer systemischer Überempfindlichkeitsreaktionen muss Pegvaliase dauerhaft abgesetzt werden.
Weitere häufige (≥ 1/100, < 1/10) oder sehr häufige (≥ 1/10) Nebenwirkungen sind:
- Kopfschmerz
- Husten
- Gastrointestinaltrakt: Abdominalschmerz, Nausea, Erbrechen
- Haut: Alopezie, Urtikaria, Exanthem, Pruritus, Erythem, Exfoliation
- Bewegungsapparat: Arthralgie, Myalgie, Gelenkschwellung, Muskuloskelettale Steifigkeit, Gelenksteifigkeit
- Lokalreaktionen an der Injektionsstelle
- Labor: Hypophenylalaninämie, Komplementfaktor C3 ↓, Komplementfaktor C4 ↓, hs-CRP ↑
Wechselwirkungen
Im Rahmen der Zulassung wurden keine Studien zur Erfassung von Wechselwirkungen durchgeführt.
Kontraindikationen
- Schwere systemische Überempfindlichkeitsreaktionen oder wiederholtes Auftreten leichter bis mittelschwerer systemischer Überempfindlichkeitsreaktionen gegen den Wirkstoff
Zur Anwendung während Schwangerschaft und Stillzeit liegen keine ausreichenden klinischen Erfahrungen vor.
Zulassung
Pegvaliase wurde im Mai 2019 von der EMA zugelassen. Der Wirkstoff hat Orphan-Drug-Status. Hersteller ist Biomarin.
Nutzenbewertung
Das Nutzenbewertungsverfahren für Pegvaliase wurde am 1.7.2019 eröffnet. Ein Beschluss des G-BA wird Mitte Dezember 2019 erwartet.
Kosten
Die Jahrestherapiekosten sind abhängig von der genauen Erhaltungsdosis. Bei einer angenommenen Anwendung von 20 mg Pegvaliase täglich liegen sie bei rund 180.000 €.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 EMA Palynziq - Pegvaliase: Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, abgerufen am 25.7.2019
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