Retentio secundinarum (Pferd)
Synonyme: Nachgeburtsverhaltung, Nachgeburtsverhalten
Definition
Als Retentio secundinarum bei der Stute bezeichnet man einen verzögerten Abgang der Nachgeburt.
Ätiologie
Ursachen einer Retentio secundinarum sind:
- eine verlängerte Gestationsdauer,
- Schwergeburten (v.a. nach Schnittentbindungen) oder
- intrauterine Infektionen.
Pathogenese
Aufgrund der losen Verbindung zwischen Endometrium und Chorion tritt eine Nachgeburtsverhaltung beim Pferd deutlich seltener auf als z.B. beim Rind. Kommt es innerhalb von einer Stunde nach der Geburt nicht zum Abgang der Nachgeburt, spricht man von einer Retentio secundinarum. Nach zwei Stunden sollte bereits therapeutisch eingegriffen werden.
Ab etwa sechs Stunden steigt das Risiko der Resorption von Toxinen und Keimen aus dem Uterus erheblich an, was wiederum zur Störung des Allgemeinbefindens führen kann. In weiterer Folge können verschiedene Erkrankungen entstehen, z.B. Disseminierte intravasale Koagulopathie, puerperale Endometritis und/oder Geburtsrehe.
Symptome
Eine Retentio secundinarum führt teils zu unspezifischen Symptomen, z.B.:
- Heraushängen von Teilen der Nachgeburt aus der Scheide
- palpierbare Nachgeburtsteile im Geburtskanal
- bei längerem Bestehen kommt es zur massiven Störung des Allgemeinbefindens (v.a. Fieber, Anorexie, Depression)
- Geburtsrehe (manifestierst sich meist nach zwei bis drei Tagen), die Tiere zeigen Entlastungsstellungen und vermehrt warme Hufen
Diagnostik
Die Diagnosestellung erfolgt durch die Anamnese und die Klinik (Blickdiagnose). Mit der manuellen Exploration des Uterus durch die geöffnete Cervix uteri lassen sich meist Nachgeburtsteile im Uteruslumen feststellen.
Therapie
Ziel der Therapie ist es, so rasch wie möglich Uteruskontraktionen auszulösen. Durch die verstärkten Kontraktionen kommt es meist zum raschen Abgang der Nachgeburtsreste. Mittel der Wahl ist Oxytocin als Dauertropfinfusion (DTI, über mindestens 60 Minuten). Die medikamentöse Therapie ist in über 80 % der Fälle erfolgreich. Bleibt die Nachgeburt trotz Infusion im Uterus, ist die Oxytocingabe zu wiederholen.
Betroffene Stuten sind zusätzlich über mehrere Tage mit einem Breitbandantibiotikum (z.B. Penicillin in Kombination mit Gentamicin) sowie mit einem Antiphlogistikum (z.B. Flunixin-Meglumin) abzudecken. Bei unklarem Impfstatus sollte eine Tetanusprophylaxe (Tetanusantitoxin und Tetanustoxoid) durchgeführt werden. Kreislaufinstabile Stuten sind zusätzlich mittels aggressiver Flüssigkeitstherapie zu versorgen.
Nach dem Abgang der Nachgeburt wird der Uterus mit ca. 2 Liter körperwarmer 0,9%iger NaCl-Lösung gespült. Die Spülungen werden solange wiederholt, bis die ablaufende Flüssigkeit klar ist. Uterusspülungen können täglich - bei Bedarf auch mehrmals täglich - über einen Zeitraum von drei bis fünf Tagen wiederholt werden. Nach jeder Spülung muss die Stute 20 IE Oxytocin i.v. erhalten, um die Entleerung des Uterus zu fördern.
Eine manuelle Ablösung der Nachgeburt darf auf keinen Fall erfolgen, da durch das Ablösen der Gewebereste Mikroläsionen entstehen, die eine Toxin- und Keimresorption begünstigen.
Literatur
- Aurich, Christine. Reproduktionsmedizin beim Pferd. Gynäkologie - Andrologie - Geburtshilfe. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Parey-Verlag, 2004.