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Synonyme: Euthyroid-Sick-Syndrom (ESS), Non–thyroidal illness (NTI), Thyroid allostasis in critical illness, tumors, uremia and starvation (TACITUS)
Englisch: Non-thyroidal illness syndrome
Das Non-Thyoidal-Illness-Syndrom (NTIS) bzw. TACITUS-Syndrom ist eine charakteristische allostatische Konstellation des thyreotropen Regelkreises, die häufig in Hungerzuständen und bei schweren akuten oder chronischen Erkrankungen auftritt. Bei kritisch Kranken ist das Syndrom mit einer schlechteren Prognose assoziiert. In der klinischen Praxis bereitet es darüber hinaus oft differentialdiagnostische Probleme.
Ein typisches NTIS ist durch drei Komponenten gekennzeichnet, die einzeln oder in Kombination auftreten können:
Weitere Komponenten bestehen in einer verminderten zellulären Wirkung von Jodothyroninen, gekennzeichnet durch
Allerdings lassen sich diese Teilkomponenten des Syndroms im klinischen Alltag nicht messen.
Seltene Verlaufsformen eines NTIS sind:
Die Pathophysiologie des NTIS ist noch nicht hinreichend geklärt.
Ursache für das Low-T3-Syndrom soll eine vermutlich im Rahmen von entzündlichen Prozessen durch verschiedene Botenstoffe (proinflammatorische Zytokine, Glucocorticoide und Stoffwechselmetabolite) vermittelte Verminderung der Konversion von T4 in T3 sein.
Darüber hinaus könnte die Dejodierung auch durch eine Leberparenchymschädigung im Rahmen der kritischen Grunderkrankungen und durch die Hemmung von Jodothyronin-Transmembrantransportern bedingt sein.
Die gestörte Plasmaproteinbindung könnte einerseits auf einer verminderten Proteinkonzentration, insbesondere als Folge eines Albuminmangels im Rahmen einer Leberparenchymschädigung, andererseits aber auch auf der Wirkung von Bindungsinhibitoren, wozu auch Medikamente wie Heparin, ASS oder Schleifendiuretika zählen, beruhen.
Die zentrale Komponente des NTIS ist möglicherweise ebenfalls multifaktoriell bedingt. Als ursächlich kommen beispielsweise endokrine Gründe wie ein verminderter Leptinspiegel und eine durch bakterielle Endotoxine vermittelte lokale Hyperdejodierung mit konsekutiv reduzierter TRH-Inkretion in Betracht.
Die vermehrte Bildung von rT3 im Rahmen eines TACITUS-Syndroms könnte auch der lokalen Akkumulation von Halogenen in Abwehrzellen, z.B. im Rahmen einer Sepsis, dienen. Tierexperimentelle Untersuchungen haben demonstriert, dass Schilddrüsenhormone als Substrat einer Typ-3-Dejodierung Jod für die Myeoloperoxidase (MPO) in Granulozyten der Maus liefern. Mäuse, denen die Typ-3-Dejodinase fehlt, weisen einen Defekt in der Abwehr bakterieller Infektionen auf.
Die Diagnose eines NTIS und insbesondere die Differentialdiagnose zu anderen Funktionsstörungen des thyreotropen Regelkreises sind nach wie vor oft schwierig:
Die basalen Hormonspiegel (TSH, FT4, FT3, falls gemessen auch TT4 und TT3) sind meist erniedrigt, allerdings gibt es einen großen Graubereich. rT3 ist üblicherweise erhöht, zuverlässige Assays sind aber selten verfügbar und die Bestimmung ist teuer.
Das Low-TSH-Syndrom und das Low-T4-Syndrom lassen sich durch einen geringen Anstieg des T4-Spiegels im TRH-Test nachweisen, allerdings ist der Test nicht ungefährlich, da gerade bei kritisch Kranken häufiger Hypophysenapoplexe auftreten können.
Es ist nach wie vor umstritten, ob ein NTIS durch eine Substitutionstherapie mit Schilddrüsenhormonen behandelt werden soll.
Im Wesentlichen unterscheiden sich die Auffassungen dahin gehend, dass ein NTIS einerseits eine nützliche Adaptation des Organismus zur Einsparung von Energie, Reduktionsäquivalenten und Glutathion (Allostase) darstellen soll, und andererseits dass es sich um eine zentrale Hypothyreose handle, die einer Substitutionstherapie bedarf.
In Studien konnten durch eine Therapie mit Jodothyroninen Surrogatmarker wie das Herzzeitvolumen der Patienten verbessert werden, nicht jedoch das Überleben. Allerdings hatten alle Studien ein kleines Patientenvolumen, so dass die statistische Power möglicherweise nicht ausreichend war.
Alle Komponenten eines NTIS sind mit einer signifikant schlechteren Prognose der betroffenen schwer kranken Patientinnen und Patienten assoziiert.
Tags: Euthyroid Sick Syndrome, NTIS, Schilddrüse, TACITUS
Diese Seite wurde zuletzt am 20. Juli 2017 um 08:58 Uhr bearbeitet.
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PD Dr. med. Johannes W. Dietrich
Arzt | Ärztin
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