Mikrovaskuläre Dekompression
nach Peter Joseph Janetta, amerikanischer Neurochirurg
Synonym: Janetta-Operation
Englisch: microvascular decompression
Definition
Als mikrovaskuläre Dekompression, kurz MVD, bezeichnet man ein neurochirurgisches Verfahren zur Behandlung von gefäßbedingten Reizsyndromen von Hirnnerven der hinteren Schädelgrube.
- OPS: 5-018 (Mikrovaskuläre Dekompression intrakranieller Nerven)
Historie
Die erstmalige Beschreibung einer vaskulären Dekompressionsoperation mithilfe eines Gelatine-Interponates erfolgte 1959 durch Gardner und Miklos.[1] Janetta beschrieb 1967 erstmalig die Durchführung einer solchen Operation mithilfe eines Operationsmikroskopes.[2]
Indikationen
Das Verfahren kann bei folgenden Reizsyndromen eingesetzt werden, sofern sie durch Gefäß-Nerven-Kontakte bedingt sind:[3][4][5][6]
- Trigeminusneuralgie
- Hemispasmus facialis
- Vestibularisparoxysmie
- Glossopharyngeusneuralgie
- Nervus-intermedius-Neuralgie
Eine Operation kommt primär bei Versagen einer konservativen Therapie oder inakzeptablen Nebenwirkungen durch selbige infrage.[3][4][5] Einheitliche Empfehlungen zum Operationszeitpunkt existieren zu keinem der Krankheitsbilder. Bei der Vestibularisparoxysmie ist die OP-Indikation eher zurückhaltend zu stellen, da eine sichere Bestimmung der betroffenen Seite oft nicht möglich ist.[5]
Vorgehen
Der Zugang erfolgt subokzipital über eine retrosigmoidale Kraniotomie.[4][7] Bei Operation in der Tiefe des Kleinhirnbrückenwinkels (z.B. Hemispasmus, Vestibularisparoxysmie) sollte der Eingriff unter dauerhaftem Neuromonitoring (Fazialis-EMG, AEPs) erfolgen.[4][6]
Nach Eröffnung von Dura und Arachnoidea mater wird der betroffene Nerv an der meist hirnstammnah gelegenen Kompressionsstelle mithilfe des Operationsmikroskopes dargestellt. Das jeweilige komprimierende Gefäß wird mobilisiert und anschließend vom Nerven hinfort luxiert. Nun wird zwischen beide Strukturen ein Interponat eingelegt, bestehend aus einem Stück Kunststoffwatte (i.d.R. Polytetrafluorethylen).[7] Dies soll ein erneutes Anliegen des Gefäßes an den Nerven verhindern. Bei sehr kaliberstarken Gefäßen können diese auch mithilfe von Kunststoffschlingen an der Dura mater fixiert werden, falls sich die Kompression nicht anderweitig beheben lässt.[4]
Abschließend erfolgen Dura-, Schädeldecken- und Wundverschluss.
Komplikationen
Schwere Komplikationen sind insgesamt eher selten, die Mortalität wird auf etwa 0,1 bis 0,3 % beziffert.[6][7][8] Das Spektrum möglicher Komplikationen hängt vom jeweiligen Krankheitsbild ab. Allgemein möglich sind:[6][7][8]
- Liquorleckage mit -verlustsyndrom
- Liquorzirkulationsstörung mit Hydrozephalus
- Wundinfektion
- Meningitis
- intra- oder postoperative Vasospasmen von Hirnstamm- oder Kleinhirninfarkten
- Gefäßverletzung mit intrakranieller Blutung
- Kleinhirnhämatom oder -ödem
- Hirnnervenschädigung
- Fazialisparese, häufiger bei Hemispasmus facialis als Indikation, dort meist um einige Tage verzögert und transient; seltener auch bei Trigeminusneuralgie
- Schädigung des Nervus vestibulocochlearis mit einseitiger, transienter oder dauerhafter Hyp- oder Anakusis, häufiger bei Hemispasmus-facialis-OP, seltener auch bei Trigeminusneuralgie
- Trochlearisparese
Prognose
Die Erfolgsraten hängen vom behandelten Krankheitsbild ab, sind jedoch allgemein verhältnismäßig hoch. Für die Trigeminusneuralgie wird in etwa 82 % der Fälle eine postoperative Schmerzfreiheit erreicht, weitere 16 % erfahren eine Schmerzlinderung.[7] Bei Hemispasmus facialis lässt sich in etwa 80 bis 88% eine deutliche oder vollständige Reduktion der Spasmen erzielen,[4] bei der Glossopharyngeusneuralgie ist in ca. 90% eine Schmerzfreiheit zu erreichen.[9] Bei jedem dieser Krankheitsbilder sind im Verlauf jedoch Rezidive möglich.
Für die Vestibularisparoxysmie und die Nervus-intermedius-Neuralgie liegen derzeit (2024) keine belastbaren prognostischen Daten aus größeren Nachbeobachtungsstudien vor.
Weblink
- Durchführung einer Mikrovaskulären Dekompression (Video, YouTube): Trigeminusneuralgie - endoskopisch-assistierte mikrovaskuläre Dekompression. Schroeder, Neurochirurgie der Universitätsklinik Greifswald, 2017.
Einzelnachweise
- ↑ Gardner, Miklos, Response of trigeminal neuralgia to "decompression" of sensory root. Journal of the American Medical Association, 1959.
- ↑ Janetta, Arterial Compression of the Trigeminal Nerve at the Pons in Patients with Trigeminal Neuralgia. Journal of Neurosurgery, 1967.
- ↑ 3,0 3,1 Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Trigeminusneuralgie im AWMF-Register, 2023.
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 Rosenstengel et al., Hemispasmus facialis - konservative und operative Therapieoptionen. Deutsches Ärzteblatt International, 2012.
- ↑ 5,0 5,1 5,2 Brandt, Strupp, Dieterich, Vestibular paroxysmia: a treatable neurovascular cross-compression syndrome. Journal of Neurology, 2016.
- ↑ 6,0 6,1 6,2 6,3 Baldauf et al., Nerve Compression Syndromes in the Posterior Cranial Fossa. Deutsches Ärzteblatt International, 2019.
- ↑ 7,0 7,1 7,2 7,3 7,4 Diener, Gerloff, Dieterich (Hrsg.), Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen. 7. Auflage, Kohlhammer Verlag Stuttgart, 2018.
- ↑ 8,0 8,1 Xia et al., Effectiveness and Safety of Microvascular Decompression Surgery for Treatment of Trigeminal Neuralgia - A systematic Review. Journal of Craniofacial Surgery, 2014.
- ↑ Xia et al., Microvascular decompression for glossopharyngeal neuralgia: a retrospective analysis of 228 cases. Acta Neurochirurgica, 2017.