Incisura-Scapulae-Syndrom
Synonym: Nervus-suprascapularis-Kompressionssyndrom
Englisch: suprascapular neuropathy, suprascapular nerve neuropathy, suprascapular nerve entrapment syndrome, SNES
Definition
Als Incisura-Scapulae-Syndrom bezeichnet man ein Engpasssyndrom, das durch die Kompression des Nervus suprascapularis ausgelöst wird. Es zählt zu den Denervierungssyndromen der Schulter.
Ätiologie
Die Incisura scapulae ist ein Spalt am superioren Rand der Scapula, der durch das Ligamentum transversum scapulae superius zu einem Kanal verschlossen wird. Bei einer Verknöcherung oder Verkalkung des Bandes wird der Kanal als Foramen scapulae bezeichnet. Der Nervus suprascapularis, der durch diesen Kanal führt, kann an dieser Stelle komprimiert werden. In Folge kommt es zu einer Neurapraxie mit Denervationsödem der Musculi infraspinatus und supraspinatus. Bei chronischem Verlauf atrophieren die Muskeln.
Aktive Drehbewegungen der Schulter verstärken meistens die Kompression und somit die Beschwerden der betroffenen Person. Bei Sportarten, bei denen eine besondere Belastung des Armes vorliegt (z.B. Volleyball oder Tennis), kann es somit zu einer chronischen Irritation des Nervs kommen. In der Regel sind dabei Hochleistungssportler betroffen. Auch bei Bauarbeitern kann es vorkommen.
Weitere Ursachen für eine Kompression des Nervus suprascapularis sind beispielsweise
- Frakturen des Schulterblatts mit Beteiligung der Incisura scapulae
- vordere Schultergelenkluxationen
- Paralabrale Zysten des Schultergelenks: entstehen meist nach einem Labrumriss. Die Zysten können auch an der Incisura spinoglenoidalis zu einer Kompression des Nervus suprascapularis führen, wobei dann nur die Muskeläste für den Musculus infraspinatus betroffen sind.
- Ganglionzysten
- Tumore
Klinik
Erstsymptome des Incisura-Scapulae-Syndroms sind unspezifische tiefsitzende Schmerzen im Bereich der Schulter, die in den Arm oder den Hals-Nacken-Bereich ausstrahlen können. Die Schädigung des Nervus suprascapularis zeigt sich durch eine Schwäche der Außenrotatoren im Schultergelenk und eine geschwächte Schulterabduktion zwischen 0 bis 30°. Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung kann es zu einer Atrophie des Musculi suprapinatus und infraspinatus kommen. In seltenen Fällen besteht über der dorsalen Schulter eine Hypästhesie.
Diagnostik
Die Diagnose wird insbesondere durch den Nachweis einer Muskelschwäche des Musculi supraspinatus und infraspinatus sowie durch neurophysiologische Untersuchungen gestellt. Bei der klinischen Untersuchung sollten dabei alle angrenzenden Gelenke untersucht werden, um andere Pathologien auszuschließen. In der Elektroneurographie (ENG) zeigt sich eine verlängerte distal-motorische Latenz zum Musculus supraspinatus im Seitenvergleich. Bei der Elektromyographie (EMG) können bereits Denervierungszeichen der Muskeln nachgewiesen werden, auch wenn noch keine ausgeprägten Paresen vorliegen. Die Elektromyographie erfolgt dabei immer im Seitenvergleich.
Bildgebende Verfahren dienen insbesondere dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen. In der MRT der Schulter kann ein T2w-hyperintenses Muskelödem und im Verlauf eine T1w-hyperintense fettige Atrophie auffallen.
Differentialdiagnose
Differentialdiagnosen des Incisura-Scapulae-Syndroms sind beispielsweise:
- Wurzelkompressionssyndrome der Halswirbelsäule
- Progressive Muskeldystrophie
- Rotatorenmanschettenruptur
- Periarthritis humeroscapularis
- Spinale Muskelatrophie mit Schultergürtelbeteiligung
- Reversible Druckläsionen durch Tragen schwerer Lasten auf der Schulter
- Neuralgische Schulteramyotrophie
Therapie
Die Behandlung der Kompression des Nervs erfolgt chirurgisch durch eine Spaltung des Ligamentum transversum scapulae superius.
Literatur
- Romeo AA et al., Suprascapular neuropathy, J Am Acad Orthop Surg. 1999;7(6):358-367
- Assmuss et al. Nervenkompressionssyndrome, Springer-Verlag, 2015
- Daripelli S. et al., Morphometric Study of Suprascapular Notch and Its Safe Zone in Indian Population, Maedica, 2020
- Binsfeld H., Das Incisura-Scapulae-Syndrom, Schmerzmed, 2022