Idiopathische generalisierte Epilepsie
Englisch: idiopathic generalized epilepsy syndromes
Definition
Unter dem Begriff idiopathische generalisierte Epilepsie, kurz IGE, werden vier Epilepsiesyndrome zusammengefasst, die sich durch das Auftreten generalisierter epileptischer Anfälle ohne zugrundeliegende erkennbare strukturelle oder metabolische Ursachen auszeichnen.
Abgrenzung
Die vier IGE-Syndrome sind die vier häufigsten Epilepsiesyndrome innerhalb der Gruppe der genetischen generalisierten Epilepsien (GGE). Der Begriff "idiopathisch" ist eigentlich nicht korrekt, da eine genetische Ursache vorliegt, jedoch wird der Begriff weiterhin verwendet, um eine Abgrenzung gegenüber anderen generalisierten Epilepsien vorzunehmen.
Epidemiologie
IGE machen etwa 20 % aller Epilepsien aus und treten i.d.R. schon in der Kindheit oder frühen Adoleszenz auf.
Ätiologie
Idiopathische generalisierte Epilepsien sind polygenetische Erkrankungen. Zudem können Umweltfaktoren eine Rolle bei der Entstehung der Erkrankungen spielen. In seltenen Fällen konnten monogenetische Ursachen gefunden werden. Die ursächlichen Mutationen befinden sich vor allem in Genen, die für Ionenkanäle kodieren. Die Mutationen führen zu einer veränderten Erregbarkeit der Neurone, sodass die Schwelle für epileptische Anfälle gesenkt wird.
Folgende Gene sind z.B. betroffen:
- SCN1A: kodiert für Nav1.1-Kanäle (auf inhibitorischen Interneuronen)
- SCN1B: kodiert für die β-Untereinheit des Nav1.1-Kanals
- GABRG2: kodiert für den inhibitorischen GABAA-Rezeptor
- CACNA1H: kodiert für eine Untereinheit des T-Typ-Calciumkanals
- CACNA1a: kodiert für eine Untereinheit des P/Q-Typ-Kalziumkanals
Klinik
Je nach vorliegendem Syndrom manifestieren sich IGE als Absencen, myoklonische Anfälle, tonisch-klonische Anfälle oder auch myoklonisch-tonisch-klonische Anfälle. Die neurologische Entwicklung ist i.d.R. unbeeinträchtigt, die Syndrome sprechen meist gut auf eine medikamentöse anfallssuppressive Therapie an.
IGE-Syndrom | Alter | klinische Charakteristika | EEG-Befund |
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kindliche Absence-Epilepsie | 4 bis 10 Jahre |
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juvenile Absence-Epilepsie | 9 bis 13 Jahre |
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juvenile Myoklonusepilepsie | 10 bis 24 Jahre |
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Epilepsie mit ausschließlich generalisiert tonisch-klonischen Anfällen | 10 bis 25 Jahre |
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Diagnostik
Die Diagnose der IGE basiert auf einer detaillierten Anamnese, klinischen Beobachtungen und elektrophysiologischen Untersuchungen. Im Elektroenzephalogramm (EEG) finden sich charakteristische Muster von generalisierten Spike-Wave-Komplexen oder Polyspike-Waves, häufig provozierbar durch Hyperventilation, Schlafentzug oder Fotostimulation (s.o.).
Bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomografie sind in der Regel unauffällig, da keine strukturellen Hirnveränderungen vorliegen.
Therapie
Idiopathische generalisierte Epilepsien können i.d.R. gut mittels anfallssuppressiver Therapie behandelt werden. Folgende Substanzen werden bevorzugt eingesetzt:
- Valproinsäure
- Ethosuximid (insbesondere bei der kindlichen Absence-Epilepsie)
- Lamotrigin
- Levetiracetam
Zum Therapiemonitoring sollten in regelmäßigen Abständen die Medikamentenspiegel im Blut bestimmt werden.
Zudem spielen nichtmedikamentöse Ansätze wie die Anpassung des Lebensstils und die Vermeidung von Anfallsauslösern eine wichtige Rolle in der Langzeittherapie.
Bei gesicherten idiopathischen generalisierten Epilepsien ist eine chirurgische Therapie nicht indiziert. Ist die Diagnose jedoch nicht gesichert und liegt ein pharmakoresistenter Verlauf vor, kann eine prächirurgische Diagnostik sinnvoll sein.
Literatur
- Hirsch et al., ILAE definition of the Idiopathic Generalized Epilepsy Syndromes: Position statement by the ILAE Task Force on Nosology and Definitions, Epilepsia, 2022
- Ottman et al., Genetic testing in the epilepsies – Report of the ILAE Genetics Commission, Epilepsia, 2011
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