Juvenile Myoklonusepilepsie
Synonyme: Janz-Syndrom, juvenile myoklonische Epilepsie, Impulsiv-petit-mal-Epilepsie, IPM
Englisch: juvenile myoclonic epilepsy
Definition
Die juvenile Myoklonusepilepsie, kurz JME, ist eine Form der idiopathischen generalisierten Epilepsie.
Epidemiologie
Die Prävalenz der JME wurde in einer norwegischen Querschnittsstudie auf 5,6 Fälle pro 10.000 Einwohner < 30 Jahren beziffert, was einem Anteil von ca. 10 % aller Epilepsien in dieser Kohorte entsprach.[1] Das Geschlechterverhältnis ist weitgehend ausgeglichen, eventuell sind Frauen etwas häufiger betroffen. Der Manifestationsgipfel liegt bei 12 bis 18 Jahren (im Mittel 15 Jahre).[2]
Ätiologie
Die Entstehung der JME ist nicht endgültig geklärt, eine multifaktorielle Genese wird angenommen. Folgende Gene bzw. Genloci wurden mit der Erkrankung assoziiert:[3]
- CACNB4 (kodiert für eine Calciumkanal-Untereinheit)
- CASR (kodiert für den calciumsensitiven Rezeptor)
- GABRa1 und GABRD (GABAA-Rezeptor-Untereinheiten α1 bzw. δ)
- EFHC1 (Myoclonin-1, kodiert für ein Kalziumbindeprotein)
- BRD2 (kodiert für einen Transkriptionsregulator)
- Cx-36 (kodiert für Connexin-36)
- ME2 (kodiert für eine Malatdehydrogenase)
- Mikrodeletionen von 15q13.3, 15q11.2 und 16p13.11
Es existieren einige Trigger, welche die Auslösung der Anfälle begünstigen, wie z.B. Schlafentzug und Stress. 30 bis 40 % der Patienten sind photosensitiv.[2]
Symptome
Leitsymptom der JME sind plötzlich auftretende Myoklonien, meist in der ersten halben Stunde bis Stunde nach dem Aufstehen. In der Regel treten sie bilateral-symmetrisch an den Armen, selten an den Beinen auf und dauern nur wenige Sekunden an. Dabei werden z.B. die Extremitäten weggeschleudert und unbeabsichtigt Gegenstände fallengelassen oder weggeworfen. Die Anfälle können daher als Ticks oder Nervosität fehlinterpretiert werden.
Häufig berichten die Patienten von einer unterschiedlichen Intensität der Anfälle. Das Bewusstsein bleibt, anders als zum Beispiel beim tonisch-klonischen Anfall, vollständig erhalten – Betroffene erleben den Anfall bewusst.
Bei 85 bis 90 % der Patienten kommt es mit der Zeit zu einer Ausweitung des Bildes auf generalisierte tonisch-klonische Anfälle. Sie werden teilweise durch Myoklonien eingeleitet.[2][4]
In ca. 30 % der Fälle finden sich Absencen, die den myoklonischen Anfällen meist um 3 bis 5 Jahre vorausgehen.[2]
Darüber hinaus sind psychische Erkrankungen wie Angststörungen oder Depression mit der juvenilen myoklonischen Epilepsie vergesellschaftet. Die neurologische Entwicklung abseits der Epilepsie ist i.d.R. unbeeinträchtigt.
Diagnostik
Die Diagnose beruht auf dem klinischen Bild und der EEG-Untersuchung. Interiktal finden sich bei den meisten Patienten charakteristische, generalisierte, frontozentral betonte Polyspikes and Waves mit einer Frequenz von 4 bis 6 Hertz. Sie treten vor allem bei Schlafentzug oder nachts auf.
Im Anfall sieht man Polyspikes mit höherer Frequenz (10 bis 16 Hertz). Bei unauffälligem Routine-EEG kann eine Photoprovokation hilfreich sein.[2] Wenn zusätzlich Absencen und/oder generalisierte tonisch-klonische Anfälle bestehen, treten die jeweils typischen EEG-Veränderungen auf.
Auf eine Bildgebung wird bei typischer Klinik und passendem EEG oft verzichtet, da es meist keine strukturellen Auffälligkeiten gibt.[5]
Differenzialdiagnostik
Die JME kann anfänglich einer Tic-Störung ähneln und als solche fehlinterpretiert werden.
Therapie
Die Therapie konzentriert sich auf die Gabe von Anfallssuppressiva. Als Medikation der ersten Wahl gelten Lamotrigin, Levetiracetam oder Valproinsäure.[4] Außerdem wird die Meidung von Triggern (z.B. Schlafentzug, Alkoholkonsum) empfohlen.
In der Regel kann unter Therapie eine vollständige Anfallsfreiheit erreicht werden. Da beim Absetzen der Therapie ein hohes Rezidivrisiko besteht, muss die Therapie lebenslang fortgeführt werden.[2][4]
Leitlinien
- S1-Leitlinie Diagnostische Prinzipien bei Epilepsien des Kindesalters der GNP im AWMF-Register, 2017 (Aktuell in Überarbeitung).
- S2k-Leitlinie Epilepsien im Kindes- und Jugendalter: Therapie der GNP im AWMF-Register. (Aktuell noch in Erstellung, Fertigstellung für 2024 geplant)
Einzelnachweise
- ↑ Syvertsen et al., Prevalence of juvenile myoclonic epilepsy in people <30 years of age—A population-based study in Norway. Epilepsia, 2016.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 Amrutkar, Riel-Romero, Juvenile Myoclonic Epilepsy. StatPearls, 2023.
- ↑ Delgado-Escueta et al., The quest for juvenile myoclonic epilepsy genes. Epilepsy & Behaviour, 2013.
- ↑ 4,0 4,1 4,2 Neubauer, Groß, Hahn, Epilepsie im Kindes- und Jugendalter. Deutsches Ärzteblatt, 2008.
- ↑ S1-Leitlinie Diagnostische Prinzipien bei Epilepsien des Kindesalters der GNP im AWMF-Register, 2017.