Hodentorsion
Synonym: Hodenverdrehung
Englisch: testicular torsion
Definition
Unter dem Begriff Hodentorsion versteht man die partielle oder totale Drehung des Hodens um den versorgenden Gefäßstiel. Die Hodentorsion ist ein urologischer Notfall.
Ätiologie
Idiopathische Hodentorsion
Die idiopathische Hodentorsion ist die häufigste Form der Hodentorsion. Ihr liegt eine Entwicklungsanomalie mit Fehlen des Gubernakulums zugrunde, die zu einer abnormen Beweglichkeit des Hodens führt.
In 50% der Fälle tritt das Krankheitsbild nachts während des Schlafes auf, aber auch während Sport und Spiel - ausgelöst durch äußere Stimuli und Kontraktionen des Musculus cremaster und Musculus dartos. In der Regel dreht sich der linke Hoden gegen den Uhrzeigersinn, der rechte Hoden im Uhrzeigersinn. Die Torsion kann gleichzeitig bilateral auftreten. Bei retinierten oder verspätet deszendierten Hoden besteht eine vermehrte Torsionsgefahr.
Traumatische Hodentorsion
Selten kann eine Gewalteinwirkung von außen zur Hodentorsion führen. Eine mögliche Ursache sind dabei auch autoerotische Manipulationen.
Einteilung
...nach Lokalisation
- Supravaginale (extravaginale) Torsion, außerhalb der Tunica vaginalis. Betroffen sind in erster Linie Säuglinge.
- Intravaginale Torsion, innerhalb der Tunica vaginalis. Betroffen sind in erster Linie Jugendliche zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr.
Bei langem Mesorchium oder Dissoziation von Hoden und Nebenhoden kann selten auch eine mesorchiale Torsion vorliegen.
...nach Umfang
- Inkomplette Hodentorsion: Nur der venöse Abfluss ist gestört, die arterielle Blutzufuhr ist intakt. Es kommt zu einer Kongestion, die in ein interstitielles Ödem mit sekundärer arterieller Obstruktion übergeht. Durch eine venöse und arterielle Thrombose entsteht dann eine hämorrhagische Nekrose des Hodens.
- Komplette Torsion: Die Blutzufuhr ist vollständig unterbrochen. Die Folge ist ein anämischer Infarkt des Hodens.
Symptomatik
Die Hodentorsion imponiert als akutes Skrotum, charakteristisch sind plötzlich einsetzende, heftige Schmerzen im Hoden und der Leistengegend mit Ausstrahlung in den Unterbauch. Der betroffene Hoden steht höher als der nichtbetroffene Testikel. Dabei nimmt er eine abnorme transversale Ausrichtung an. Weitere mögliche Symptome sind Übelkeit und Erbrechen als Ausdruck einer vegetativen Mitbeteiligung. Bei etwa 1/3 der Patienten lassen sich anamnestisch inkomplette Torsionen mit vorübergehender Symptomatik und spontaner Detorsion erheben.
Mit Fortschreiten der Erkrankung kommt es zur deutlichen Schwellung des Skrotums und zu Entzündungszeichen.
Klinische Zeichen
- Prehn-Zeichen (unsicher)
- Brunzel-Zeichen
- Ger-Zeichen
Diagnostik
Das Skrotum zeigt sich durch Mehrdurchblutung geschwollen, wodurch die Abgrenzung des Nebenhodens erschwert wird. Der Hoden ist bei der Palpation äußerst druckdolent, das Prehn-Zeichen ist negativ, der Kremaster-Reflex aufgehoben. Zur Abgrenzung einer Skrotalhernie sollte der Leistenkanal ausgetastet werden.
Die Lage des Hodens kann auch durch eine Diaphanoskopie visualisiert werden, diese Methode ist jedoch weitgehend durch die Sonographie verdrängt.
Bildgebung
- Dopplersonographie: Minderung bzw. Aufhebung der Strömungssignale
- MRT
- Hodenperfusionsszintigraphie
Differentialdiagnose
Differentialdiagnostisch kommen folgende Erkrankungen in Betracht:
- Hydatidentorsion
- Epididymitis
- Orchitis
- inkarzerierte Skrotalhernie
- Hodentumor
- Hodenruptur
- distale Urolithiasis
Therapie
Da die Minderung bzw. das völlige Sistieren der Blutzufuhr den Hoden irreversibel schädigen kann (Nekrose, Atrophie, hämorrhagische Infarzierung), muss notfallmässig therapiert werden. Das Zeitfenster, in welchem der betroffene Hoden gerettet werden kann, beträgt etwa 4 Stunden. Bei teilweise erhaltener Durchblutung kann ggf. auch nach diesem Zeitpunkt noch eine Rettung des Organs möglich sein.
Wenn keine klinische Versorgung möglich oder ein Zeitverzug wahrscheinlich ist, kann notfallmäßig eine manuelle Detorsion versucht werden. Da die "Einwärtsdrehung" der Hoden die typische Torsionsrichtung ist, unternimmt man therapeutisch eine "Auswärtsdrehung" ("Wird der Hoden dir zur Qual, dreh ihn dir nach lateral"). Eine Detorsion sollten nur erfahrene Behandler durchführen. Eine schnell nach der Detorsion einsetzende Beschwerdefreiheit und ein normalisierter Tastbefund sprechen für einen Behandlungserfolg. Zeitnah muss dann prophylaktisch eine bilaterale Orchidopexie durchgeführt werden.[1]
Im Regelfall ist die offene chirurgische Detorsion die Therapie der Wahl. Sie sollte aus den o.a. Gründen innerhalb der ersten 4-6 Stunden stattfinden. Der Hoden wird operativ durch einen Skrotalschnitt - beim Säugling durch Inguinalschnitt - freigelegt und retorquiert. Zur Beurteilung des Hodenparenchyms kann die Tunica albuginea inzidiert und eine Biopsie entnommen werden. Beim Verschluss der Hodenhüllen fasst man die Tunica zur Prävention einer erneuten Torsion mit mehreren Nähten mit. Den kontralateralen Hoden pexiert man prophylaktisch ebenfalls im Skrotum.[1]
Ist der Hoden offensichtlich nekrotisch, erfolgt eine Ablatio testis.
Postoperativ sollte möglichst Bettruhe eingehalten werden und auf Hodenkühlung geachtet werden. Nahrung und Flüssigkeit sollte man nach frühestens 6 Stunden zu sich nehmen. Auch eine Hodenhochlagerung wird empfohlen.
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Quellen
Bildquelle
- Bildquelle Podcast: ©Akhilesh Sharma / Unsplash
- Bildquelle für Flexikon-Quiz: erstellt mit ChatGPT