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Funktionelle gastrointestinale Störung

Englisch: functional gastrointestinal disorder

1. Definition

Als funktionelle gastrointestinale Störung, kurz FGID, werden gastroenterologische Syndrome zusammengefasst, bei denen trotz umfangreicher Diagnostik keine objektiv messbaren Anomalien des Magen-Darm-Traktes festgestellt werden können. Inzwischen werden sie als neurogastroenterologische Störung der Darm-Gehirn-Interaktion definiert.[1]

2. Epidemiologie

Ungefähr 30-50 % der Patienten, die sich bei einem Gastroenterologen vorstellen, weisen eine funktionelle gastrointestinale Störung auf. Zu den häufigsten Krankheitsbildern zählt das Reizdarmsyndrom, die funktionelle Dyspepsie und die funktionelle Obstipation.

3. Ätiologie

Die Ätiologie von FGIDs ist derzeit (2020) unklar. Vermutlich spielen verschiedene Faktoren eine Rolle (bio-psycho-soziales Modell):[2]

Bei einigen Patienten bestehen assoziierte psychische Komorbiditäten (Angst, Depression, Konversionsstörung, Körpersymptomstörung, Krankheitsangststörung), die das Krankheitsbild verstärken können. Teilweise spielt auch ein sekundärer Krankheitsgewinn eine Rolle.

4. Pathophysiologie

Funktionelle Störungen des Gastrointestinaltrakts stehen im Zusammenhang mit verschiedenen pathophysiologischen Faktoren:

5. Diagnostik

Im Gegensatz zu organischen Störungen (z.B. Ösophagitis) oder Motilitätsstörungen (z.b. Gastroparese) basiert die Diagnose von funktionellen gastrointestinalen Störungen primär auf den Symptombeschreibungen des Patienten bei der Anamnese. Teilweise sind auch physiologische Kriterien für die Diagnose notwendig (z.B. bei anorektalen Störungen).

Zusätzlich müssen Differenzialdiagnosen ausgeschlossen werden, sodass FGIDs als Ausschlussdiagnose angesehen werden können.

6. Rom-Klassifikation

Die Rome Foundation ist eine Non-Profit-Organisation, die in den späten 1980er Jahren von Aldo Torsoli in Rom gegründet wurde. Das Komitee aus erfahrenen Gastroenterologen hat das Ziel, die Pathophysiologie von FGIDs zu erforschen und ein Klassifikationssystem sowie Richtlinien für eine standardisierte Forschung zu erstellen.[3] 1994 wurden mit Rom-I die ersten Diagnosekriterien veröffentlicht. 2016 wurden die derzeit gültigen Rom-IV-Kriterien publiziert.

Derzeit werden folgende funktionelle gastrointestinale Störungen unterschieden:

A: Störungen des Ösophagus A1: funktionelles Sodbrennen
A2: funktioneller Thoraxschmerz
A3: Refluxhypersensitivität
A4: Globusgefühl
A5: funktionelle Dysphagie
B: Gastroduodenale Störungen B1: funktionelle Dyspepsie
B2: Aufstoßen (belching disorders)
B3: Übelkeit und Erbrechen
B4: Ruminationssyndrom
C: Störungen des Darms C1: Reizdarmsyndrom (IBS)
  • IBS mit prädominanter Verstopfung (IBS-C)
  • IBS mit prädominanter Diarrhö (IBS-D)
  • IBS mit wechselnden Stuhlgewohnheiten (IBS-M)
  • unklassifizierbares IBS (IBS-U)
C2: funktionelle Obstipation
C3: funktionelle Diarrhö
C4: funktionelle abdominelle Blähungen/Distension
C5: unspezifische funktionelle Darmstörung
C6: Opioid-induzierte Obstipation
D: Zentralnervös vermittelte Störungen des gastrointestinalen Schmerzempfindens D1: zentralnervös vermitteltes abdominelles Schmerzsyndrom (CAPS)
D2: Narcotic Bowel Syndrome (NBS) / Opioid-induzierte gastrointestinale Hyperalgesie
E: Störungen der Gallenblase und des Sphincter Oddi E1: biliärer Schmerz
E2: funktionelle pankreatische Sphincter-oddi-Dysfunktion
F: anorektale Störungen F1: funktionelle Stuhlinkontinenz
F2: funktioneller anorektaler Schmerz
F3: funktionelle Defäkationsstörungen
  • inadäquate Propulsion
  • dyssynerge Defäkation
G: FGID beim Neugeborenen und Säugling G1: infantile Regurgitation
G2: Ruminationssyndrom
G3: CVS
G4: infantile Kolik
G5: funktionelle Diarrhö
G6: infantile Dyschezie
G7: funktionelle Obstipation
H: FGID bei Kindern und Jugendlichen H1: funktionelle Störungen mit Übelkeit und Erbrechen
  • CVS
  • funktionelle Übelkeit, funktionelles Erbrechen
  • Ruminationssyndrom
  • Aerophagie
H2: funktionelle abdominelle Schmerzsyndrome
  • funktionelle Dyspepsie: PDS, EPS
  • Reizdarmsyndrom
  • abdominelle Migräne
  • funktioneller abdominaler Schmerz, nicht anderweitig klassifiziert
H3: funktionelle Defäkationsstörungen
  • funktionelle Obstipation
  • nicht retentive fäkale inkontinenz

Die in der Rom-Klassifikation genannten Opioid- und Cannabis-induzierten Störungen weisen eine bekannte Ätiologie auf und das Vermeiden der auslösenden Substanzen führt i.d.R. zum Rückgang der Symptome. Sie werden trotzdem aufgelistet, da sie auf Störungen der Darm-Gehirn-Achse beruhen und ähnliche Symptome wie FGID auslösen.

7. Quellen

  1. Drossman DA Functional Gastrointestinal Disorders: History, Pathophysiology, Clinical Features and Rome IV, Gastroenterology. 2016 Feb 19:S0016-5085(16)00223-7, abgerufen am 13.10.2020
  2. Van Oudenhove L et al. Biopsychosocial Aspects of Functional Gastrointestinal Disorders, Gastroenterology. 2016 Feb 18:S0016-5085(16)00218-3, abgerufen am 13.10.2020
  3. rome foundation, abgerufen am 13.10.2020

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