Faktor-V-Leiden-Mutation
nach der holländischen Stadt Leiden
Synonym: Faktor-V-Mutation Leiden
Definition
Die Faktor-V-Leiden-Mutation oder auch Faktor-V-Mutation Leiden, kurz FVL, ist ein genetisch bedingter Gerinnungsdefekt und die häufigste Ursache der APC-Resistenz. Es handelt sich um eine Punktmutation des Gens, das den Faktor V der Blutgerinnung codiert (Mutation G1691A oder F506Q).[1]
Epidemiologie
Die Faktor-V-Leiden-Mutation kommt vorwiegend in der europäischen Population vor. In der asiatischen und afrikanischen Bevölkerung konnte die Mutation nicht nachgewiesen werden.[2]
Pathogenese
Faktor V ist die Vorstufe des für die Blutgerinnung wichtigen Co-Faktors Va, der den Faktor Xa "unterstützt" und so die Thrombin-Bildung fördert. Der Faktor V selbst wiederum wird durch Thrombin oder Faktor Xa aktiviert (positives Feedback). Gehemmt wird Faktor Va durch das Protein C/Protein S-System. Der mutierte Faktor Va kann von aktiviertem Protein C (APC) nicht gespalten und inaktiviert werden, da die Mutation die spezifische Bindungsstelle betrifft. Die Gerinnungskaskade läuft dadurch mit erhöhter Aktivität ab.
Klinik
Die Faktor-V-Leiden-Mutation wird autosomal-kodominant vererbt. Die Mutation des Faktor V ist mit einer Prävalenz von ca. 5 % in Europa der häufigste angeborene Thrombose-Risikofaktor. Das relative Thromboserisiko ist bei Heterozygoten 5–10-fach, bei Homozygoten 50–100-fach erhöht. Die erhöhte Thromboseneigung der Betroffenen bezeichnet man auch als Thrombophilie.
Ein hoher Anteil (15-40 %) der Thrombose-Patienten, die heterozygote Träger des Faktor V Leiden sind, sind gleichzeitig heterozygot für die Faktor-II-Mutation Prothrombin G20210A. Durch Kombination beider Mutationen ergibt sich so ein weiterer starker Anstieg des Thromboserisikos.
Diagnostik
Die Faktor-V-Leiden-Mutation (APC-Resistenz) kann sowohl durch einen funktionellen Test als auch molekulargenetisch nachgewiesen werden.
Der funktionelle Test beruht auf der Verlängerung der Gerinnungszeit im Testansatz durch Zugabe von aktiviertem Protein C. Tritt diese nicht ein, ist der Faktor Va nicht hemmbar. Ältere Testsysteme waren leicht störbar, z. B. durch Heparin. Neue APC-Resistenztests sind präzise genug, um aus dem Grad der Hemmung sogar den Genotyp mit 99 % Wahrscheinlichkeit zu bestimmen. Ein Nachteil ist die etwas aufwändigere Präanalytik (Probenvorbereitung, Lagerung, Versand) von Gerinnungstesten. Der Vorteil des funktionellen Tests ist die Möglichkeit, APC-Resistenzen zu entdecken, die nicht auf der Mutation Leiden beruhen.
Bei der molekularbiologischen Untersuchung wird die ursächliche Punktmutation der DNA nachgewiesen. Hierbei wird auch festgestellt, ob eines oder beide Allele mutiert sind. Da DNA robust ist, ist die Präanalytik bei dieser Untersuchungsmethode unproblematisch. Die genetische Untersuchung ist nicht per se besser als der funktionelle Test. 2013 wurde eine Familie entdeckt, bei der gleichzeitig eine andere Mutation des Faktor V auf demselben Allel vorlag, Faktor V Graz. Diese führt dazu, der mutierte Faktor V nicht exprimiert wird. Trotz dieses Gendefektes lag keine APC-Resistenz vor, stattdessen hatten die Betroffenen verringerte Faktor-V-Spiegel. Dabei wäre auch die Kombination denkbar, dass die Mutation Graz auf dem Wildtyp-Allel liegt, dann würde der normale Faktor V nicht exprimiert. Der Patient wäre genetisch heterozygot für die Mutation Leiden, funktionell aber homozygot. Beide Testformen haben daher ihre Berechtigung.
Die Unterscheidung heterozygot/homozygot ist essentiell, da in beiden Fällen aufgrund des deutlich unterschiedlichen Risikos unterschiedliche Therapierichtlinien gelten. Nach aktuellen Leitlinien (2016) ist der alleinige Nachweis einer heterozygoten Faktor V-Leiden-Mutation nach einer Venenthrombose keine Indikation zur dauerhaften Antikoagulation (Sekundärprophylaxe).
Bei der Untersuchung genetischer Risikofaktoren ist seit 2010 eine Aufklärung des Patienten nach dem Gendiagnostikgesetz erforderlich.
Hintergrundinformationen
Die APC-Resistenz wurde 1993 vom schwedischen Arzt Björn Dahlbäck in Südschweden entdeckt. Dort ist die Prävalenz am höchsten. Der Gendefekt wurde in der niederländischen Stadt Leiden aufgeklärt, daher die Namensgebung Faktor V "Leiden". Für die Mutation besteht ein Founder-Effekt, der Ursprung wird im 16. Jahrhundert in Südschweden angenommen. Die Verbreitung in Europa erfolgte durch den Dreißigjährigen Krieg.
Vermutlich beeinhaltet die APC-Resistenz einen Selektionsvorteil, da die Verbreitung der Mutation schneller war als bei rein zufälliger Verteilung. Postuliert werden eine bessere Einnistung der befruchteten Eizelle, weniger Blutverlust nach Verletzungen oder günstigere Verläufe bei septischen Erkankungen.
Die Namensgebung hat sich als unglücklich erwiesen, da viele Patienten das "Leiden" im Faktor-V-Leiden als Synonym für Erkrankung verstehen.
Komplikationen
Bei bekannter Faktor-V-Leiden-Mutation und Symptomen wie Grand-mal-Anfall, Schwäche im Bereich der Arme und seit Tagen bestehenden diffus-drückenden Kopfschmerzen muss an eine Sinusvenenthrombose gedacht werden.
Quellen
- ↑ Thrombophilia due to factor V Leiden
- ↑ Rees et al. World distribution of factor V Leiden, Lancet, 1995, abgerufen am 16.09.2021