Ellbogengelenkdysplasie (Hund)
Synonyme: Ellbogendysplasie, ED
Definition
Unter dem Oberbegriff Ellbogengelenkdysplasie, kurz ED, fasst man eine Reihe an entwicklungsbedingten Krankheiten des Ellbogengelenks zusammen, die bei Hunden Lahmheiten verursachen.
Epidemiologie
Dieser Krankheitskomplex betrifft meist männliche und großwüchsige Rassen (z.B Deutscher Schäferhund, Berner Sennenhund, Rottweiler, Retriever). Die Lahmheit tritt in der Regel zwischen dem vierten und achten Lebensmonat auf. In manchen Fälle zeigen die Tiere auch erst später Symptome - wenn Arthrosen als Folge der Veränderungen entstehen.
Die Ellbogengelenkdysplasie gilt als die häufigste Ursache für Lahmheiten den vorderen Extremitäten.
Erkrankungen
Zum Komplex der ED gehören verschiedene Pathologien, die entweder isoliert oder auch in Kombination auftreten können:
- Fragmentierter Processus coronoideus medialis der Ulna (FPC)
- Isolierter Processus anconaeus (IPA)
- Osteochondrosis dissecans der Trochlea humeri (OCD)
- Stufenbildung zwischen Radius und Ulna
- Inkongruenz der Gelenkflächen (Ellbogengelenksubluxation)
- Gelenkknorpelanomalien
Ätiologie
Die Ellbogendysplasie hat mehrere entwicklungsbedingte Ursachen. Als entscheidender Auslöser gilt eine Störung der enchondralen Ossifikation, wobei sowohl der Epiphysenfugenknorpel als auch der Gelenkknorpel betroffen sein können. Die Ätiologie ist multifaktoriell, da bei bestimmten Rassen sowohl genetische Faktoren, als auch hormonelle, ernährungsphysiologische und metabolische Ursachen verantwortlich sind.
Pathogenese
Die Gelenkveränderungen führen zur Überbelastung an bestimmten Stellen des Gelenks. Dadurch entstehen Arthrosen. Die Bildung von Osteophyten wird begünstigt, es kommt zu Entzündungsprozessen innerhalb des Gelenks sowie zu vermehrter Gelenkfüllung, Schwellung und Schmerzen.
Klassifizierung
Nach der "International Elbow Working Group" wird die Erkrankung in 3 klinischen Stadien eingeteilt. Dabei wird der Schweregrad der Arthrose über das Ausmaß der Osteophyten beurteilt.
Grad | Beschreibung | Kriterien |
---|---|---|
Grad 0 | Normal | Keine Osteophyten oder Sklerose |
Grad 1 | Milde Arthrose | Osteophyten kleiner als 2 mm |
Grad 2 | Moderate Arthrose | Osteophyten zwischen 2 und 5 mm |
Grad 3 | Schwere Arthrose | Osteophyten größer als 5 mm |
Klinik
Betroffene Tiere zeigen eine uni- oder bilaterale, zeitweise oder ständige gemischte Lahmheit unterschiedlichen Grades. Die Beschwerden treten besonders nach Ruhe oder vermehrter Belastung auf. Die ersten Symptome manifestieren sich bereits ab dem 4. Lebensmonat, wobei die Veränderungen oft erst später klinisch manifest werden.
Beim fragmentierten Processus coronoideus oder bei der Osteochondrosis diessecans wird das Ellenbogengelenk im Stand oft adduziert, beim isolierten Processus anconaeus eher abduziert. Häufig liegt gleichzeitig eine vermehrte Gelenkfüllung vor. Eine passive Beugung und Streckung sowie äußerlicher Druck auf den Processus anconaeus (im Bereich der dorsolateralen Gelenkkapsel) bzw. den medialen Processus coronoideus sind meistens schmerzhaft. Bei chronischen Verlaufsformen ist das Gelenk aufgrund sekundärer Arthrose häufig verdickt, es ist eine Krepitation nachweisbar. Die Beweglichkeit ist deutlich eingeschränkt. Bei länger bestehender Lahmheit kommt es in weiterer Folge zur Muskelatrophie.
Differenzialdiagnosen
Als Differenzialdiagnosen müssen vor allem ausgeschlossen werden:
- inkomplette Ossifikation des Condylus humeri (IOCH)
- Metaplasie der am medialen Epicondylus humeri ansetzenden Beugesehnen (MEHB)
- angeborene Luxationen des Ellenbogengelenks
- traumatisch bedingte Frakturen und Luxationen
- Arthrose anderer Genese
- Panostitis
- Arthritis
Diagnostik
Die Verdachtsdiagnose ergibt sich aus der Anamnese, der klinischen und der orthopädischen Untersuchung. Sie kann mithilfe von Röntgenbildern, Computertomographie und einer Arthroskopie gesichert werden.
Therapie
Abhängig von den klinischen Symptomen ist zwischen einer konservativen und einer chirurgischen Behandlung zu entscheiden. Folglich werden nur generelle Maßnahmen bei Gelenkerkrankungen aufgelistet. Die genauen Behandlungsmöglichkeiten sind den jeweiligen Krankheiten zu entnehmen.
Konservativ
Konservative Behandlungen sind bei Patienten mit leichten oder moderaten Symptomen empfehlenswert. Die Behandlung besteht aus fünf Grundprinzipien:
- Gewichtsmanagement
- Nahrungsergänzungsmittel
- Bewegungseinschränkung bzw. Käfigruhe
- Physiotherapie
- NSAIDs
Chirurgisch
Abhängig davon, welche Gelenkveränderungen vorliegen, wird eine passende operative Versorgung ausgesucht. Oft wird eine Osteotomie der Ulna oder des Radius durchgeführt, um beide Knochen auf die gleiche Höhe zu bringen. Eine Coronoidektomie und Tenotomie stehen auch zur Auswahl.
Prognose
Die Prognose hängt einerseits vom Schweregrad der Erkrankung, andererseits von der Lokalisation des Defekts ab.
Literatur
- Niemand HG (Begr.). Suter PF, Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2012. Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke-Verlag in MVS Medizinverlag Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1125-3.