Ahornsirupkrankheit
Synonyme: Leuzinose, Verzweigtketten-Ketoazidurie, Verzweigtketten-Ketonurie, Verzweigtkettenkrankheit, verzweigtkettiger alpha-Ketosäuredehydrogenase-Mangel
Englisch: Maple syrup urine disease, MSUD
Definition
Die Ahornsirupkrankheit ist eine autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselerkrankung. Sie entsteht durch einen Defekt des gemeinsamen Dehydrogenasekomplexes für die Alpha-Ketosäuren der verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin. Der Enzymdefekt führt bereits im Neugeborenenalter zu einer ausgeprägten neurologischen Symptomatik. Typisch ist zudem ein charakteristischer, an Ahornsirup erinnernder Uringeruch.
Epidemiologie
Die Häufigkeit beträgt etwa 1:100.000 bis 1:200.000.
Ätiopathogenese
Ein Defekt des BCKDH-Komplexes (Branched-Chain α-Ketoacid Dehydrogenase) behindert die oxidativen Decarboxylierung der verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin. Dadurch kommt es zu einer Akkumulation dieser drei Aminosäuren und ihrer korrespondierenden Alpha-Ketosäuren in allen Organen und Körperflüssigkeiten. Ihre Metabolite sind neurotoxisch und verursachen eine metabolische Enzephalopathie.
Der charakteristische würzige Uringeruch, der an Ahornsirup oder "Maggi" erinnert, gab der Krankheit ihren Namen.
Je nach betroffenem Gen werden verschiedene Typen unterschieden:
- Typ 1A: Mutation betrifft BCKDHA am Genlokus 19q13.2
- Typ 1B: Mutation betrifft BCKDHB am Genlokus 6q14
- Typ 2: Mutation betrifft DBT am Genlokus 1p21
- Typ 3 (Dihydro-Lipoamid-Dehydrogenase-Mangel): Mutation betrifft DLD am Genlokus 7q31
- Milde Verlaufsform (MSUDMV): Mutation betrifft PPM1K am Genlokus 4q22
Symptomatik
Es existieren fünf klinisch überlappende Subtypen:
- klassische Form
- intermediäre Form
- intermittierende Form
- Thiamin-responsive Form
- Dihydro-Lipoamid-Dehydrogenase-Mangel
Klassische Form
Nach einem symptomfreien Intervall von bis zu fünf Tagen kommt es innerhalb der ersten Lebenswoche zu folgender Symptomatik:
- Trinkschwäche
- Erbrechen
- Lethargie
- Koma
- Muskelhypotonie oder -hypertonie
- Opisthotonus
- Krampfanfälle
- Süßlich-würziger Uringeruch
Unterbleibt eine Behandlung, versterben die Patienten an einer schweren Ketoazidose.
Intermediärform
Folgende Symptome sind bei der Intermediärform typisch:
- rezidivierendes Erbrechen
- Gedeihstörung
- psychomotorische Retardierung
- Ataxie
Eine Ketoazidose wird nur selten beobachtet.
Intermittierende Form
Im Rahmen kataboler Phasen (z.B. Infekte) kommt es zu episodenhaften metabolischen Entgleisungen, wobei die psychomotorische Entwicklung unauffällig verläuft. Zwischen den Episoden sind die Patienten meist klinisch unauffällig.
Thiamin-responsive Form
Typische Symptome dieser Verlaufsform sind:
- Fütterungsprobleme
- Gedeihstörung
- Entwicklungsverzögerung
Diagnostik
Die Diagnose erfolgt in den erweiterten Neugeborenenscreeningprogrammen. Mittels Tandem-Massenspektrometrie erfolgt bereits am dritten Lebenstag der Nachweis von erhöhter Aminosäuren im Blut:
- Leucin, Isoleucin und Valin sind im Plasma und im Urin deutlich erhöht (Leucin > 1000 µmol/l in der akuten Krise).
- Alloisoleucin ist im Plasma und im Urin erhöht und gilt als spezifischer Indikator für die Ahornsirupkrankheit.
- Alpha-Ketosäuren der verzweigtkettigen Aminosäuren im Urin sind erhöht.
Zudem ist eine schwere metabolische Azidose (Ketoazidose) und Hypoglykämie nachweisbar.
Therapie
Die Therapie der Wahl ist eine Lebertransplantation, da sie dem Patienten ermöglicht, die verzweigten Aminosäuren selbst abzubauen. Durch die beschränkte Verfügbarkeit von geeigneten Spenderorganen muss in den meisten Fällen jedoch zunächst konservativ therapiert werden.
Akute Therapie
Der Zufuhr von exogenem Proteinen wird kurzzeitig gestoppt, der Katabolismus wird durch eine hoch dosierte Glukoseinfusion bei gleichzeitiger Insulininfusion durchbrochen. Durch forcierte Diurese und Hämofiltration können die toxischen Metabolite entfernt werden. Zudem wird Thiamin als Kofaktor gegeben.
Dauertherapie
Eine eiweißarme Diät und eine Eiweißsubstitution mit leucin-, isoleucin- und valinfreien Aminosäuremischungen ist lebenslang notwendig. Ist die Thiaminsensitivität nachgewiesen, wird Thiamin in einer Dosierung von 10 bis 1.000 mg/d verabreicht.
Prognose
Literatur
- Orphanet: Maple syrup urine disease, 05/2025
- Strauss et al: Ahornsirupkrankheit, GeneReviews, 2006, aktualisiert 2020