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Ösophagusachalasie

von griechisch: χάλασις ("chalasis") - Erschlaffung, Lockerung
Synonym: Kardiaachalasie
Englisch: achalasia, esophageal achalasia, cardiospasm

1. Definition

Die Ösophagusachalasie ist eine Motilitätsstörung des Ösophagus. Die Peristaltik und die koordinierte Relaxation des unteren Ösophagussphinkters (UÖS) ist gestört.

ICD10-Code: K22.0

2. Epidemiologie

Mit einer jährlichen Inzidenz von ca. 1-3 Fällen auf 100.000 Einwohner ist die Achalasie eine relativ seltene Erkrankung. Das Manifestationsalter liegt zwischen dem 25. und 60. Lebensjahr, das mittlere Erkrankungsalter bei 50 Jahren. Männer und Frauen sind gleichhäufig betroffen.

3. Ätiologie

3.1. Primäre Achalasie

Die Ätiologie der primären (idiopathischen) Achalasie ist zurzeit (2024) noch nicht vollständig geklärt. Vermutet wird eine Autoimmunreaktion nach einer latenten Infektion mit dem Herpes-simplex-Virus 1 bei genetischer Prädisposition.

Des Weiteren wird der Einfluss von Mumpsviren und Varizella-Zoster-Viren auf die Pathogenese der primären Achalasie diskutiert. Bisher gibt es aber keinen Nachweis für einen eindeutigen Zusammenhang.[1]

3.2. Sekundäre Achalasie

Von der idiopathischen Achalasie werden sekundäre Formen abgegrenzt. Dazu zählen:

4. Pathophysiologie

Die Erkrankung beruht auf einem Untergang von exzitatorischen (cholinergen) und inhibitorischen (nitrinergen) Neuronen im Plexus myentericus (Auerbach-Plexus) des Ösophagus. Bei längerer Krankheit kommt es zu einer fast vollständigen Aganglionose.

Die Folge ist eine beeinträchtigte Relaxation des UÖS und der anschließenden Peristaltik. Im Verlauf kommt es zu einer fortschreitenden Dilatation des Ösophagus mit Hypertrophie des UÖS.

5. Symptome

Die Hauptsymptome der Achalasie sind:

Seltener klagen Patienten über Sodbrennen, pulmonale Beschwerden (nächtlicher Husten, asthmatische Beschwerden) oder Globusgefühl im Hals.

6. Komplikationen

Aufgrund der chronischen Regurgitation und Aspiration haben Patienten mit fortgeschrittener Achalasie ein erhöhtes Risiko für eine Bronchitis, eine Pneumonie oder einen Lungenabszess.

Bei einer unzureichend behandelten Achalasie prädisponiert die Dilatation des Ösophagus aufgrund der Stase zu einer Ösophagitis. Eine länger bestehende Ösophagitis kann zu einem Plattenepithelkarzinom des Ösophagus führen. Das Karzinomrisiko ist im Vergleich zur Normalbevölkerung um den Faktor 17 erhöht.

7. Schweregrad

Der Eckardt-Score berücksichtigt die Kardinalsymptome Dysphagie, Regurgitation, retrosternale Schmerzen und Gewichtsverlust. Er wird sowohl klinisch als auch in Studien zur Einteilung des Schweregrades und für die Einschätzung des Therapiebedarfs vewendet. Er berechnet sich aus der Summe der einzelnen Punktwerte der vier Symptomgruppen und kann einen Wert von 0 bis maximal 12 Punkten einnehmen. Die Erkrankung gilt als symptomkontrolliert, wenn der Score ≤ 3 Punkte beträgt.

0 1 2 3
Dysphagie nie gelegentlich täglich bei jeder Mahlzeit
Regurgitation
Brustschmerzen
Gewichtsverlust (kg) 0 < 5 5 - 10 > 10

8. Diagnostik

8.1. Endoskopie

Zur Abklärung der Dysphagie wird in der Regel initial eine Endoskopie (Ösophagoskopie) durchgeführt. Sie dient in der Regel dem Ausschluss von Differentialdiagnosen. Hinweise für das Vorliegen einer Achalasie sind:

  • vermehrte Speichelretention
  • fehlende fortgeleitete Kontraktionen
  • leichter Widerstand bei der Passage des ösophagogastralen Übergangs
  • dilatierter Ösophagus
  • Retentionen von Nahrung und Flüssigkeiten
  • ödematös aufgeweichte ösophageale Schleimhaut

8.2. Breischluck-Untersuchung

Nach endoskopischer Abklärung sollte sich eine radiologische Diagnostik mittels Röntgen-Breischluck-Untersuchung anschließen. Typische Befunde sind:

Die Röntgenuntersuchung dient insbesondere der Diagnostik von fortgeschrittenen Achalasieformen. Frühformen können z.T. nicht erkannt werden.

Das sog. Timed Barium Esophagogram (TBE) ist ein modifizertes Breischluck-Protokoll: Der Patient schluckt 100-250 ml Kontrastmittel, anschließend wird nach 1, 2 und 5 Minuten die Höhe der im Ösophagus verbleibenden Kontrastmittelsäule ermittelt. Eine Säule von über 5 cm nach 5 Minuten zeigt eine deutliche Einschränkung der Entleerungsfunktion der Speiseröhre an. Das TBE dient insbesondere der Einschätzung des Erkrankungsverlaufs bei langjähriger, bestätigter Achalasie.

8.3. Ösophagusmanometrie

Die Ösophagusmanometrie stellt den diagnostischen Goldstandard dar. Die hochauflösende Manometrie hat die konventionelle Manometrie inzwischen abgelöst.

Bei dieser Untersuchung wird ein Katheter mit 36 Druckaufnehmern im Abstand von 1 cm verwendet. Nach transnasaler Platzierung des Katheters über den ösophagogastralen Übergang erfolgt ein standardisiertes Schluckprotokoll bei liegendem Patienten. Dadurch können die Druckverhältnisse auf der gesamten Länge der Speiseröhre simultan erfasst werden. Des Weiteren wird das Motilitätsmuster innerhalb des tubulären Ösophagus evaluiert. Die Relaxation des UÖS wird mit der sog. Integrated Relaxation Pressure (IRP) erfasst: Der Wert gibt den Mittelwert aus den niedrigsten Druckwerten wider, die innerhalb einer Periode von 4 Sekunden nach dem Schluck gemessen werden können. Die Ergebnisse werden anhand der Chicago-Klassifikation eingeteilt. Bei der Achalasie findet sich ein erhöhter IRP und eine fehlende Peristaltik.

Schweregrad Krankheitsbilder IRP Peristaltik
Abflussbehinderung auf Höhe des ösophagogastralen Übergangs Achalasie-Subtypen I-III normal keine
ösophagogastrale Ausflussobstruktion erhöht normal/gestört
Höhergradige Motilitätsstörung hyperkontraktiler Ösophagus normal/gestört stark erhöht
distaler Ösophagusspasmus normal vorzeitig
vollständiges Peristaltikversagen normal fehlt
Geringe Peristaltikstörung ineffektive Speiseröhrenmotilität normal gestört
fragmentierte Peristaltik normal gestört
Normal normale Motilität normal normal

8.3.1. Subtypen

Mit Hilfe der Manometrie können weiterhin drei Subtypen der Achalasie unterschieden werden:

  • Typ I: unzureichende Relaxation des UÖS (IRP > 15 mmHg) und fehlende Peristaltik im tubulären Ösophagus nach dem Schluck (klassische bzw. amotile Achalasie).
  • Typ II: unzureichende Relaxation des UÖS (IRP > 15 mmHg) und simultane Druckerhöhung (panösophagealer Druckaufbau > 30 mmHg) im tubulären Ösophagus nach dem Schluck
  • Typ III: unzureichende Relaxation des UÖS (IRP > 15 mmHg) und spastische Druckerhöhung im tubulären Ösophagus nach dem. Schluck (spastische Achalasie). Häufiger bei jungen Patienten und mit refraktären retrosternalen Schmerzen einhergehend.

Das Therapieansprechen ist beim Subtyp II am höchsten, bei Typ III am niedrigsten.

8.4. Weitere Diagnostik

Bei unklaren Befunden kann eine Computertomografie oder eine Endosonografie zum Ausschluss von Differentialdiagnosen notwendig sein.

In Entwicklung befinden sich derzeit die Anwendung der Impedanz-Planimetrie zur Beurteilung der Dehnbarkeit des UÖS sowie die Hinzunahme der Impedanz-Messung in der Manometrie.

9. Differentialdiagnosen

10. Therapie

Bei der sekundären Ösophagusachalasie steht die Beseitigung der Ursache im Mittelpunkt. Bei der primären Form existiert derzeit (2020) keine kausale Therapie. Die Behandlung der Achalasie hat primär das Ziel, die Lebensqualität des Patienten zu verbessern. Der Druck des UÖS soll so reduziert werden, dass es durch die Schwerkraft und den Druck im restlichen Ösophagus zur Entleerung kommt. Dadurch kann man ein Fortschreiten der Erkrankung im Sinne der Entwicklung eines sigmoid konfigurierten Megaösophagus minimieren. Eine Rückkehr der Peristaltik kommt nicht vor, jedoch sind oft nach der Behandlung Reste einer Peristaltik vorhanden, die vorher durch das Druckniveau im Ösophagus und die Dilatation maskiert wurden.

Der Druck des UÖS kann durch verschiedene Ansätze gesenkt werden.

10.1. Medikamentöse Therapie

Pharmakologisch können Nifedipin und Isosorbiddinitrat eine Besserung erbringen. Sie setzen den Muskeltonus des UÖS kurzfristig herab und ermöglichen damit eine bessere Passage des Speisebreis. Die Einnahme muss wegen der kurzen Halbwertzeit der Substanzen etwa 10-30 Minuten vor Nahrungsaufnahme erfolgen. Jedoch ist die medikamentöse Therapie meist nur vorübergehend und schwach wirksam.

10.2. Botulinumtoxin-Injektion

Die endoskopische Injektion von 100 IE Botulinumtoxin A in den UÖS stellt ein Reservevefahren für Hochrisikopatienten dar. Die Injektion führt zur Lähmung aller Muskeln und trägt so zur besseren Passage durch den Ösophagus bei. Die Erfolgsrate beträgt 32 % nach einem Jahr, 34 % nach 2 Jahren.

10.3. Pneumatische Ballondilatation

Weiterhin kann man den Ösophagus an den Engstellen mit einem Ballonkatheter aufweiten (pneumatische Dilatation). Dabei wird ein Dehnungsdruck von 300-450 mmHg über 30-60 s auf das Gewebe ausgeübt. Die Aufdehnung kann mehrmals durchgeführt werden, wenn beim ersten Mal keine Besserung auftritt. Die Erfolgsrate beträgt ca. 86 % nach 2 Jahren und 82 % nach 5 Jahren. Dabei besteht das Risiko einer Ösophagusperforation in 1-5 % d.F. und einer gastroösophageale Refluxentwickung innerhalb von 5 Jahren bei ca. 15-30 % der Patienten.

10.4. Myotomie

Neben der pneumatischen Ballondilatation wird häufig die laparoskopische Myotomie nach Heller durchgeführt, meist in Kombination mit einem Antireflux-Eingriff (partielle Fundoplicatio). Die Erfolgsrate beträgt 90 % nach 2 Jahren und 84 % nach 5 Jahren.

Ein weiterer Ansatz ist die perorale endoskopische Ösophagusmyotomie (POEM), bei der ein submukosaler Tunnel in der Ösophaguswand geschaffen wird, über den der UÖS und der distale Ösophagus mit dem Elektrokauter durchtrennt werden. Sie ist vermutlich eine gleichwertige Alternative zum operativen Vorgehen.

10.5. Weitere Therapieoptionen

Bei einigen Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung hilft weder eine Ballondilatation noch eine Myotomie. In diesem Fall stellt eine Ösophagusresektion mit Magenhochzug oder Transversum-Interponat die einzige Alternative zur Ernährung über eine Gastrostomie dar.

11. Quellen

  1. Ghoshal et al. Pathogenesis of achalasia cardia, World J Gastroenterol. 2012

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