Tiratricol
Handelsname: Emcitate®
Synonyme: 3,3',5-Triiodothyroessigsäure, Triiodothyroacetat, Triac, TRIAC, TA3
Englisch: tiratricol, 3,3',5-tri-iodothyroacetic acid
Definition
Tiratricol ist ein Arzneistoff, der bei einem genetisch bedingten Defekt der neuronalen Aufnahme des Schilddrüsenhormons T3 (Allan-Herndon-Dudley-Syndrom) eingesetzt wird, um eine periphere Thyreotoxikose zu verhindern.
Hintergrund
Tiratricol ist chemisch identisch mit Triiodothyroacetat (TRIAC), einem körpereigenen, aber im Menschen physiologischerweise nur in sehr geringer Konzentration vorkommenden Schilddrüsenhormon. TRIAC ist das wichtigste Schilddrüsenhormon von basalen Chordatieren, Weichtieren und Spinnentieren.
Chemie
Tiratricol handelt es sich um (4-Hydroxy-3,5-diiodphenyl)essigsäure, eine Monocarbonsäure, bei der die phenolische Hydroxygruppe durch eine 4-Hydroxy-3-iodphenoxygruppe ersetzt wurde. Die Summenformel ist C14H9I3O4. Der chemische Name lautet
- 2-[4-(4-Hydroxy-3-iodophenoxy)-3,5-diiodophenyl]essigsäure (IUPAC)
Die molare Masse beträgt 622 g/mol, der Oktanol-Wasser-Koeffizient (logP) 5,27. Die CAS-Nummer lautet 51-24-1. Die Substanz ist in Wasser praktisch unlöslich.
Wirkmechanismus
Tiratricol ist ein pharmakologisch aktiver Metabolit von T3. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass Tiratricol unabhängig vom membranalen Monocarboxylat-Transporter 8 (MCT8) in Körperzellen aufgenommen werden kann. Außerdem unterscheidet es sich in seiner Affinität zu den Subtypen der Schilddrüsenhormonrezeptoren (TR). Tiratricol hat eine ähnliche Affinität zu TR-α1 wie T3 und eine 3- bis 6-fach höhere Affinität zu TR-β1 und TR-β2 als T3.
Bei Patienten mit einer MCT8-Defizienz (Allan-Herndon-Dudley-Syndrom) wird dadurch die exzessive Freisetzung von TSH aus dem Hypophysenvorderlappen unterdrückt und der damit verbundene T3-Anstieg gebremst.[1]
Pharmakokinetik
Nach oraler Applikation wird Tiratricol zu 50 bis 67 % resorbiert. Maximale Plasmaspiegel werden nach 40 Minuten erreicht. Bei gesunden Versuchspersonen wurden Tiratricol-Plasmaspiegel von 2,6 bis 15,2 ng/dl (42 bis 244 pmol/l) bestimmt. Er ist ca. 50-fach niedriger als der T3-Spiegel. Tiratricol wird im Plasma vor allem an Transthyretin gebunden, während die Bindung an Thyroxin-bindendes Globulin vernachlässigbar ist. Die Biotransformation erfolgt durch schrittweise Deiodierung und Konjugation mit Glucuronsäure und Sulfat. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt ca. 6 Stunden; sie ist deutlich kürzer als die HWZ von T3 (ca. 24 h).[1]
Indikationen
Tiratricol ist indiziert zur Behandlung der peripheren Thyreotoxikose bei Patienten mit angeborener Monocarboxylat-Transporter 8 (MCT8)-Defizienz (Allan-Herndon-Dudley-Syndrom).
Darreichungsform
Dosierung
In einer klinischen Studie wurde Tiratricol nach einem eskalierenden Dosierungsschema verabreicht: Anfangsdosis von einmal täglich 350 μg; schrittweise Erhöhung in 350-μg-Schritten, mit dem Ziel, eine Gesamt-T3-Konzentration von 1,4 bis 2,5 nmol/l zu erreichen.[3]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Die häufigsten unerwünschten Wirkungen von Tiratricol sind:[2]
Zulassung
Tiratricol wurde 2025 durch die EMA als Orphan Drug zugelassen.[2]
ATC-Code
- H03AA04 - Systemische Hormonpräparate - Schilddrüsentherapie - Schilddrüsenpräparate - Schilddrüsenhormone
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Groeneweg S et al. Triiodothyroacetic acid in health and disease. J Endocrinol. 2017
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Emcitate. EMA, abgerufen am 24.01.2025
- ↑ Groeneweg S et al. Effectiveness and safety of the tri-iodothyronine analogue Triac in children and adults with MCT8 deficiency: an international, single-arm, open-label, phase 2 trial. Lancet Diabetes Endocrinol. 2019
Weblinks
- Drugbank - Tiratricol, abgerufen am 23.01.2025
- PubChem 5803
- MeSH 67010642