Tertiapin
Definition
Tertiapin ist ein Peptid und Bestandteil des Gifts der europäischen Honigbiene (Apis mellifera).
Chemie
Tertiapin besteht aus 21 Aminosäuren. Die Aminosäuresequenz lautet: Ala–Leu–Cys–Asn–Cys–Asn–Arg–Ile–Ile–Ile–Pro–His–Met–Cys–Trp–Lys–Lys–Cys–Gly–Lys–Lys.
Strukturell weist Tertiapin eine Ähnlichkeit zum mastzelldegranulierenden Peptid (MCDP) auf, das ebenfalls in Bienengiften vorkommt.
Wirkmechanismus
Tertiapin hemmt verschiedene G-Protein-gekoppelte, einwärts gleichrichtende Kaliumkanäle (GIRK-Kanäle), insbesondere Kir3.1 (GIRK-1), Kir3.4 (GIRK-4) und Kir1.1 (ROMK1). Kir3.1 und Kir3.4 sind im Herzen am Ionenstrom muskarinerg-gesteuerter Kaliumkanäle (IKACh) beteiligt, die über den Parasympathikus die Herzfrequenz regulieren. ROMK1 spielt dagegen in der Niere eine Rolle bei der Kaliumausscheidung.
Tertiapin weist eine hohe Affinität zu diesen Kanälen auf. Eine Mutation der Glykosylierungsstelle N117 im Kir1.1-Kanal vermindert die Bindungsstärke des Peptids.
Wirkung am Herzen
Kir3.1 und Kir3.4 bilden gemeinsam die G-protein-aktivierten einwärtsgleichrichtenden Kaliumkanäle, die den muskarinisch aktivierten Kaliumstrom in Vorhof- und Schrittmacherzellen vermitteln.[1][2] In ventrikulären Kardiomyozyten ist ihre Expression gering.[3]
Acetylcholin bindet im Herzen an M₂-Rezeptoren. Über die Freisetzung von Gβγ-Untereinheiten aus dem heterotrimeren G-Protein werden die GIRK-Kanäle direkt aktiviert, was zu einem verstärkten Ionenstrom über den IKAch-Kanal führt.[4] Die Öffnung dieser Kanäle bewirkt einen Kaliumausstrom, der das Membranpotential hyperpolarisiert und die diastolische Depolarisation in Schrittmacherzellen verlangsamt. Dadurch sinkt die Herzfrequenz.[5][6]
Tertiapin blockiert die GIRK-1 und GIRK-4-Kanäle und hemmt somit selektiv den IKAch-Strom.[7] Dadurch wird die vagal vermittelte Bradykardie abgeschwächt, jedoch nicht vollständig aufgehoben, da weitere parasympathische Mechanismen (z.B. Hemmung von HCN-Kanälen) bestehen bleiben.[8]
Eine Hemmung der GIRK-Kanäle durch Tertiapin führt somit zu einer relativen Erhöhung der Herzfrequenz infolge verminderter parasympathischer Kontrolle, ohne dass die gesamte vagale Regulation entfällt.
Toxikologie
Tertiapin verursacht Schmerzen und Entzündungszeichen rund um den Stich. Eine große Anzahl von Stichen kann tödlich sein. Die LD₅₀ liegt bei 18 bis 22 Stichen pro Kilogramm Körpergewicht beim Menschen. Bei einer Allergie gegen Bienengift ist ein anaphylaktischer Schock möglich – in diesem Fall kann bereits ein einziger Stich tödlich sein.
Literatur
- Gauldie et al., The Peptide Components of Bee Venom, European Journal of Biochemistry, 1976
- Jin und Lu, A Novel High-Affinity Inhibitor for Inward-Rectifier K⁺ Channels, Biochemistry, 1998
- Grant, Cardiac ion channels, Circ Arrhythm Electrophysiol, 2009
- Peptanova – Tertiapin, abgerufen am 31.10.2025
Quellen
- ↑ Krapivinsky G, Gordon EA, Wickman K, Velimirovic B, Krapivinsky L, Clapham DE. (1995) The G-protein–gated atrial K⁺ channel IKACh is a heteromultimer of two inwardly rectifying K⁺ channel subunits. Nature 374(6518):135–141. doi:10.1038/374135a0
- ↑ Wickman K, Clapham DE. (1995) Ion channel regulation by G proteins. Physiol Rev 75(4):865–885.
- ↑ Grant AO. (2009) Cardiac ion channels. Circ Arrhythm Electrophysiol 2(2):185–194. doi:10.1161/CIRCEP.108.789081
- ↑ Clapham DE. (2007) Calcium signaling. Cell 131(6):1047–1058.
- ↑ Brandes R, Lang F, Schmidt RF (Hrsg.) (2019). Physiologie des Menschen. Springer-Lehrbuch, Kap. 16 „Herzerregung“.
- ↑ DiFrancesco D. (1993) Pacemaker mechanisms in cardiac tissue. Annuv Rev Physio
- ↑ Jin W, Lu Z. (1998) A Novel High-Affinity Inhibitor for Inward-Rectifier K⁺ Channels. Biochemistry 37(38):13291–13299. doi:10.1021/bi981178p
- ↑ Kovoor P, et al. (2001) Inhibition of G-protein–activated inwardly rectifying K⁺ channels by tertiapin. J Physiol 535(3):701–710.