Septische FBSS-Tendovaginitis (Rind)
Synonym: Septische Tendovaginitis der Fesselbeugesehnenscheide (FBSS)
Englisch: septic tenosynovitis of the digital flexor tendon sheath
Definition
Die septische FBSS-Tendovaginitis ist eine bakteriell bedingte Entzündung der Fesselbeugesehnenscheide (FBSS) beim Rind.
Anatomie
Die FBSS befindet sich an der Palmar- bzw. Plantarseite der distalen Gliedmaße. In ihr verlaufen die oberflächliche (OBS) und die tiefe Beugesehne (TBS) von proximal nach distal. Die FBSS besteht proximal aus zwei konzentrisch angeordneten Synovialräumen, die als äußeres und inneres Kompartiment bezeichnet werden.
Die Manica flexoria setzt sich aus der OBS (plantarer/palmarer Teil) und der Verbindungsplatte des Musculus interosseus medius zur OBS (dorsaler Teil) zusammen. Nach distal stehen die beiden proximalen Kompartimente mit einem distalen Kompartiment in Kontakt, welches ab der Aufteilung der OBS ca. auf Höhe der Afterklaue die TBS umgibt. Die FBSS erstreckt sich eine Handbreite proximal der Afterklaue bis in den Ballenbereich und liegt hier in direkter Nähe zur Bursa podotrochlearis.
Epidemiologie
Eine septische FBSS-Tendovaginitis tritt überwiegend an der lateralen Zehe der Hintergliedmaße auf. Andere Zehen sind deutlich seltener betroffen.
Ätiologie
Die septische Tendovaginitis entsteht entweder primär infolge einer direkten Perforation (z.B. spitzer Fremdkörper) oder sekundär durch einen septischen Prozess im umliegenden Gewebe (z.B. Sohlengeschwür). Deutlich seltener ist eine hämatogene Streuung für die Infektion verantwortlich.
Pathogenese
Häufig sind direkt perforierende Traumata (Stich- oder Schnittwunden) proximal der Afterklauen bzw. in der Fesselbeuge für eine Kontamination der FBSS ursächlich. Durch den Fremdkörper bzw. die Wunde gelangen Keime in die Sehnenscheide, die zu einer ausgedehnten lokalen Infektion führen. Dem gegenüber stehen Klauenerkrankungen, die sekundär in die FBSS einbrechen und zur septischen Tendovaginitis führen. Zu den Primärerkrankungen gehören meistens komplizierte Sohlengeschwüre oder Weiße-Linien-Defekte, die sich diffus ausbreiten und in die FBSS übergreifen.
Eine Infektion der FBSS durchläuft in den meisten Fällen folgende Krankheitsstadien:
- Die initiale seröse Entzündung nimmt zunehmend
- serofibrinösen bzw. fibrinösen Charakter an und geht dann in eine
- eitrig-nekrotisierende Entzündung über.
Pathologie
Die Dauer und die Ausprägung der einzelnen Krankheitsstadien hängt vom Infektionsmodus ab. Bei einer direkten Perforation entsteht innerhalb weniger Tage eine eitrige Entzündung. Die Infektion kann dabei unterschiedliche Formen einer exsudativen Entzündung annehmen - abhängig davon, ob die Infektion von einer Klauenerkrankung distal aufgestiegen oder direkt durch eine Wunde entstanden ist. Demzufolge kann beispielsweise im distalen Kompartiment eine eitrige Tendovaginitis vorliegen, während in den proximalen Kompartimenten eine serofibrinöse Entzündung besteht.
Die pathologischen Veränderungen an der TBS und OBS können ebenfalls stark variieren. Die Sehnen zeigen unterschiedlich starke Gefäßinjektionen, sind gering- bis mittelgradig gerötet und können umschriebene bis großflächige Nekrosen aufweisen. In fortgeschrittenen Fällen imponieren hochgradige Verklebungen und Verwachsungen zwischen den Sehnen untereinander sowie der Sehnenscheidewand.
Klinik
Die septische Tendovaginitis geht im Frühstadium mit einer gering- bis mittelgradigen Lahmheit (Grad 1 bis 2) einher. Später verschlimmern sich die Schmerzen, sodass die Tiere hochgradig lahm gehen. Typisch für eine einseitige septische Tendovaginitis ist eine an der Rückseite der Fessel und des distalen Röhrbeins ausgebildete, längsverlaufende phlegmonöse Schwellung. Sind beide FBSS betroffen, bildet sich eine diffuse Schwellung der gesamten Palmar- bzw. Plantarseite sowie Dorsalseite der Zehe bis auf Höhe der Röhrbeinmitte.
Die gesamte Zehe ist hochgradig schmerzhaft und höher temperiert. Bei einer Ruptur der TBS kommt es zur typischen Kippklauenbildung (aufgrund des fehlenden Antagonisten zur Strecksehne). In fortgeschrittenen Fällen ist zusätzlich das Allgemeinbefinden gestört (Fieber, Inappetenz u.ä.).
Diagnose
Die Diagnose wird anhand des typischen klinischen Bildes und mittels gründlicher Untersuchung der Klauen- und distalen Gliedmaßenregion gestellt. Um das Entzündungsstadium abklären zu können, ist eine Punktion der FBSS sowie eine Ultraschalluntersuchung durchzuführen.
Therapie
Die Therapie richtet sich nach dem Entzündungsstadium sowie dem Infektionsmodus.
In frühen Erkrankungsstadien genügt unter Umständen die Spülung der FBSS unter IVSTAN mit einer verdünnten 0,1%igen Povidon-Iod-Lösung. Hierfür wird eine weitlumige Kanüle proximal der Afterklaue in die FBSS punktiert und von dort ausgehend nach distal zur Operationswunde (z.B. tiefreichendes Sohlengeschwür) gespült.
Die fibrinöse Tendovaginitis muss chirurgisch saniert werden. Um sämtliche Fibrinausschwitzungen sowie Verklebungen entfernen zu können, wird die Sehnenscheide entsprechend der Ausdehnung eröffnet und mit einem scharfen löffel gesäubert. Erscheinen die Sehnen selbst noch unversehrt, können diese belassen werden. Anschließend ist das gesamte Operationsfeld inkl. der FBSS umfangreich mit verdünnter Iod-Lösung zu spülen. Die Wunde darf abschließend nicht vollständig verschlossen werden, damit anfallendes Exsudat ungehindert abfließen kann.
Bei einer eitrig-nekrotisierenden Tendovaginitis, zusammen mit einer eitrigen Tendinitis bzw. Nekrose der OBS und/oder TBS, muss nach dem Eröffnen der FBSS eine totale Resektion der Sehnen vorgenommen werden. Liegt eine septische Arthritis des Klauengelenks in Verbindung mit einer einseitigen eitrigen Tendovaginitis vor, ist die Klauenamputation im Kron- bzw. Fesselbein mit einer Resektion der Sehnen indiziert.
Prognose
Wenn nur eine FBSS und auch kein Zehengelenk betroffen ist, ist die Prognose bei korrekt durchgeführter Operation als günstig einzustufen. Sind beide FBSS einer Gliedmaße betroffen, muss häufig euthanasiert bzw. notgeschlachtet werden.
Literatur
- A.Univ.-Prof. Dr. Johann Kofler Dipl. ECBHM. Skriptum - Orthopädische Erkrankungen & Orthopädische Operationen bei Wiederkäuern. Neu überarbeitet im Jänner 2015. Klinik für Wiederkäuer, Vetmeduni Wien.
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