Schneidezahn (Pferd)
Abkürzung: I
Synonyme: Dens incisivus, Inzisivus
Englisch: incisor
Definition
Als Schneidezähne bezeichnet man die einwurzeligen Zähne im vorderen Abschnitt des Gebisses eines Pferdes.
Zahnformel
Die Schneidezähne werden von mesial nach distal durchnummeriert. Da Pferde sowohl im Oberkiefer als auch im Unterkiefer sechs Schneidezähne besitzen, werden diese gemäß dem Triadan-Schema wie folgt beziffert:
Lokalisation | I1 | I2 | I3 |
---|---|---|---|
Oberkiefer rechts | 101 | 102 | 103 |
Oberkiefer links | 201 | 202 | 203 |
Unterkiefer links | 301 | 302 | 303 |
Unterkiefer rechts | 401 | 402 | 403 |
Anatomie
Morphologie
Die Schneidezähne haben in der Aufsicht von vorne eine dreieckige Form. Da die apikale Spitze vom Zahnfleisch bedeckt ist, erscheint der Schneidezahn im jungen Alter viereckig und nimmt mit zunehmendem Alter und herausgeschobener Ersatzkrone eine dreieckige Form an. In seitlicher Aufsicht sind die Schneidezähne konkav gebogen.
Am dritten Schneidezahn des Oberkiefers (I3) findet man die Galvayne-Rinne. Hierbei handelt es sich um eine vertikal verlaufende Rinne auf der labialen Seite des Zahns. Diese Rinne wird mit dem Zahnvorschub anfangs nur proximal sichtbar, wobei sie mit zunehmendem Alter vollständig auf gesamter Zahnlänge zum Vorschein kommt. Im hohen Alter verschwindit die Galvayne-Rinne wieder.
An der Okklusionsfläche befinden sich bei den Schneidezähnen die sogenannten Infundibula (Kunden). Durch die zunehmende Abreibung der Zahnfläche hinterlässt das Infundibulum letztendlich nur mehr eine Mulde, die als Kundenspur bezeichnet wird. Die Okklusalflächen sind nach dem Zahnwechel queroval, werden mit zunehmendem Alter rundlich und nehmen letztendlich eine längsovale Form an.
Aufbau
Schneidezähne besitzen grundsätzlich den selben Aufbau wie die restlichen Zähne. Von außen nach innen sind folgende Schichten ausgebildet:
Zahnzement
Der Zahnzement ist die weichste der drei Zahnhartsubstanzen und wird lebenslang auf- und abgebaut. Er lagert sich sowohl im Infundibulum als auch an der Zahnwurzel ab und schiebt die hypselodonten Pferdezähne jedes Jahr um 2 bis 3 mm nach oben. Jener Zement, der sich an der Krone und im Infundibulum befindet, ist von der Blutversorgung abgeschnitten. Im Gegensatz dazu zählt der Zement an der Ersatzkrone und Wurzel zum lebenden Gewebe, da dessen Zementoblasten über das Periodontium mit Blut versorgt werden. Der Zahnzement ist geblich oder durch Farbstoffeinlagerungen dunkel verfärbt. Verfärbungen können anhand der Konsistenz von Karies unterschieden werden (Karies ist weicher und lässt sich herauskratzen).
Am Zement setzen die Sharpey-Fasern an und ermöglichen so eine elastische Aufhängung in der Alveole (Zahnfach).
Zahnschmelz
Der Zahnschmelz stellt die härteste Zahnsubstanz dar. Er enthält keine lebenden Zellen mehr und wird dementsprechend nach Abnützung auch nicht mehr nachgebildet. Im Zahnschmelz können drei Typen von Hydroxyapatitkristallen unterschieden werden. In den Schneidezähnen ist vorwiegend Typ II vorhanden, der eine deutliche Resistenz gegenüber Scherkräften aufweist. Einziger Nachteil von Typ-II-Hydroxyapatit ist, dass dieser nicht so abriebfest ist wie Typ-I-Hydroxyapatit (Backenzähne).
Der Schmelz bildet die harte Auskleidung des Infundibulums. Infundibula dienen dazu, den Abriebwiderstand der Schneidezähne während der Nahrungsaufnahme zu erhöhen. Nachdem die Gräser durch die Lippen vorsortiert und ausgerichtet wurden, werden diese durch Festhalten und seitliches Kopfschwenken abgerissen. Durch die zusätzlichen Infundibula an den Schneidezähnen kann dieser Vorgang effizienter ausgeführt werden.
Dentin
Der Hauptanteil der Schneidezähne besteht aus Dentin. Dentin ist weicher als Zahnschmelz, jedoch härter als Zahnzement. Durch eingelagerte Kollagenfasern besitzt Dentin hohe Druck- und Zugbeständigkeit. Es umschließt ringsum die Pulpenhöhle mit der darin liegenden Pulpa (Nervengewebe, Odontoblasten, Bindegewebe und Blutgefäße).
Beim Dentin kann zwischen Primärdentin und dem kontinuierlich von den Odontoblasten neu gebildete Sekundärdentin unterschieden werden. Dieses verschließt die Pulpenhöhle am distalen Ende des sich stetig abnutzenden Schneidezahns. Im Falle einer Traumatisierung kann der Zahn binnen kürzester Zeit eine Reperatursubstanz bilden, die sich als Tertiärdentin anlagert. Aufgrund dieser Regenerationsmöglichkeit weisen die Schneidezähne eine große Toleranz gegenüber iatrogenen Pulpeneröffnungen auf.
Funktion
Gebisstypen
Die Schneidezahnreihe entwickelt sich im Laufe des Alterns vom Zangengebiss zum sogenannten Winkelgebiss. Da die Schneidezähne permanent von apikal nach distal geschoben werden, werden die Ersatzkronen konstant kürzer. Gleichzeitig nimmt die konkave Wölbung ab, sodass eine stärkere Winkelung entsteht.
Zwischen dem 7. und 9. Lebensjahr besitzen die Pferde einen sogenannten Einbiss. Hierbei handelt es sich um eine Exsuperanz im kaudalen Drittel des I3 am Oberkiefer. Dieser entsteht durch den unvollständigen Kontakt der sich gegenüberliegenden I3.
Zahnphasen
Zahnnummer | Zahndurchbruch | Zahnwechsel |
---|---|---|
I1 | ca. 1. Lebenswoche | ca. 2,5 Jahre |
I2 | ca. 3 bis 4 Lebenswoche | ca. 3,5 Jahre |
I3 | ca. 5. bis 9 Lebensmonat | ca. 4,5 Jahre |
Klinik
Schneidezähne können sowohl durch kongenitale Missbildungen als auch aufgrund von Traumata sowie fehlerhaftem Abrieb unterschiedliche Krankheitsbilder verursachen::
- Hyperdontie (überzählige Zähne)
- Persistierender Milchschneidezahn
- Überlanger Schneidezahn
- Überbiss (Brachygnathia inferior)
- Unterbiss (Hechtgebiss, Brachygnatia superior)
- Diagonale Schneidezähne (schiefe Ebene)
- Stufenbiss
- Ventral- und Dorsalkurvaturen
- Zahnfachfrakturen im Schneidezahnbereich
- Schneidezahnfraktur
Literatur
- Simon T, Herold I. 2009. Praxisleitfaden der Zahn- und Kiefererkrankungen des Pferdes. 1. Auflage. Stuttgart: Parey in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-4178-6
um diese Funktion zu nutzen.