Europäische Hornotter
Synonym: Sandotter
Englisch: horned viper, sand viper
Definition
Die Europäische Hornotter ist eine Giftschlange aus der Familie der Vipern (Viperidae) und gilt als giftigste Schlange in Europa. Die zoologische Bezeichnung lautet Vipera ammodytes.
Merkmale
Vipera ammodytes erreicht eine Gesamtlänge zwischen 60 und 110 cm. Der Körper ist relativ schlank bis leicht gedrungen gebaut, der Kopf ist bei Aufsicht dreieckig geformt und setzt sich deutlich vom Hals ab. Das Auge besitzt eine bei Lichteinfall senkrecht geschlitzte Pupille. Die Körperfärbung ist sehr variabel. Entlang des Rückens verläuft in der Regel ein dunkles Zickzackband. Charakteristisch ist die zu einem Horn aufgeworfene Schnauzenspitze, welche vom Schnauzenschild sowie kleineren, weiteren Schuppen gebildet wird. Es sind 9 bis 10 Oberlippenschilde (Supralabialia), 10 bis 13 Unterlippenschilde (Sublabialia), 130 bis 163 Bauchschilde (Ventralia) und 44 bis 88 paarige Schwanzschilde (Subcaudalia) vorhanden. Die Körpermitte umgeben zumeist zwischen 21 und 23 Reihen gekielter Körperschuppen. Der Afterschild (Anale) ist ungeteilt.
Die scheue Schlange ist bodenbewohnend und weitestgehend tagaktiv, bei Bedrohung sucht sie ihr Heil in der Flucht. Sie erbeutet durch einen Giftbiss Kleinsäuger, Vögel und Eidechsen. Die Paarung erfolgt in den Monaten April und Mai. Etwa im September werden bis zu 20 lebende Jungschlangen geboren (Ovoviviparie).
Giftapparat
Typisch für alle Vertreter der Viperidae ist der Giftapparat: Vipern haben von allen Giftschlangen den evolutionär am weitest entwickelten Giftapparat. Die Giftdrüsen, die sich seitlich des Schädels befinden und von umgebildeten Speicheldrüsen dargestellt werden, stehen in Verbindung mit den Gift- bzw. Fangzähnen. Diese befinden sich im vorderen Oberkiefer, sind bei geschlossenem Maul eingeklappt und werden beim Zubeißen aufgestellt. Die Giftzähne sind röhrenartig aufgebaut und ermöglichen eine Injektion des Giftsekretes wie durch die Kanüle einer Spritze.
Vorkommen
Das Verbreitungsgebiet der Europäischen Hornotter erstreckt sich über folgende Länder: Österreich, Italien (Alpengebiete), West-Ungarn, Kroatien, Slowenien, Bosnien-Herzegowina, Monte Negro, Mazedonien, Serbien, Rumänien, Bulgarien, Albanien, Griechenland, Türkei, Russland, Georgien, Armenien und Azerbaijan. Der besiedelte Lebensraum wird von trockenem Gebüsch, Geröllhalden, Felshängen, Steinbrüchen, Wiesen, Mauern und Feldrändern dargestellt. Die Art kommt von Meereshöhe bis in Gebiete in 2000 Meter über dem Meeresspiegel vor.
Schutzstatus
Die Europäische Hornotter steht gemäß Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (Anhang IV, streng geschützt), Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV, besonders geschützt) und Berner Konvention (Anhang II) unter Artenschutz. Laut der Roten Liste gefährdeter Arten in Österreich ist die Art vom Aussterben bedroht.
Toxikologie
Das Toxingemisch dieser Art enthält vor allem hämotoxische Bestandteile, etwa das Hämolysin Basic Phospholipase A2 Vipoxin B chain und Metalloproteinasen. Präsynaptische Neurotoxine und Myotoxine wurden nachgewiesen, besitzen aber vermutlich keine oder kaum klinische Relevanz.
Symptome des Giftbisses
Die Intoxikation durch den Biss der Europäischen Hornotter geht vor allem mit lokalen Symptomen einher. Es kommt zu sofortig einsetzenden Schmerzen (nicht bei allen Gebissenen) und einer rasch einsetzenden Schwellung/Ödem (Ödembildung innerhalb von zwei Stunden) an der gebissenenen Gliedmaße mit bläulicher Verfärbung. Das Auftreten von Nekrosen ist möglich.
Systemische Komplikationen können Abdominalschmerzen, Schwindel, Emesis, Tachykardie und Hypotonie bis hin zum Kollaps sein. Weiterhin kann es selten zu Blutungen (z.B. Mundschleimhaut) und Krämpfen kommen. Schwere neurotoxische Wirkungen sind nur selten zu erwarten. Die Gefahr einer allergischen Reaktion bis hin zur anaphylaktischen Reaktion ist gegeben. Todesfälle sind selten, gefährdet sind vor allem Kinder und ältere Menschen. Nach einem Biss können Schmerzen lange anhalten und Ödeme sich auch später erneut bilden.
Therapie des Giftbisses
Nach erfolgtem Giftbiss sollte der Betroffene unbedingt Ruhe bewahren, die Bissstelle ist ruhigzustellen. Das Abbinden des gebissenen Gliedmaßes (Kompressionsverband) wird kontrovers diskutiert, eventuell werden dadurch lokal-toxische Wirkungen noch verstärkt. Es sollte unverzüglich ein Notarzt angefordert werden. Der Patient ist liegend zu transportieren. In der Regel reicht eine symptomatische Therapie aus. Eine Tetanusprophylaxe sollte durchgeführt werden. Ein ggf. auftretender Schock wird intensivmedizinisch behandelt - u.a. mit Glukokortikoiden, Antihistaminika und/oder Epinephrin.
Bei schweren Verläufen steht ein Antivenin (Schlangengift-Immunserum (Europa)) zur Verfügung. Dessen Applikation darf nur nach gründlicher Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Indiziert ist das Antivenin zum Beispiel bei therapieresistenter Hypotonie, stark und zügig anschwellendem Ödem, Azidose oder ZNS-Symptomen.
Literatur
- Trutnau: Schlangen im Terrarium Bd. 2: Giftschlangen. Verlag Ulmer, Stuttgart 1998.
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