RAN-Translation
Synonyme: Repeat-assoziierte Non-AUG-Translation, Repeat-assoziierte Non-ATG-Translation
Englisch: RAN translation, repeat associated non-AUG translation, repeat associated non-ATG translation
Definition
Die RAN-Translation, kurz für Repeat-assoziierte Non-AUG-Translation, ist ein Pathomechanismus bei Repeatexpansionserkrankungen. Dabei kommt es zu einer Translation der expandierten RNA-Abschnitte, die funktionslose oder schädliche Polypeptidketten produziert. Im Gegensatz zur regulären Translation dient hierbei nicht AUG als Startcodon.
Hintergrund
Bei der regulären (kanonischen) Translation kommt es zunächst zur Bildung eines Präinitiationskomplexes, der die 5'-untranslatierte Region (5'-UTR) bis zum Startcodon AUG scannt und dort mit der Produktion der Polypeptidkette beginnt.[1] Es existieren jedoch auch (z.T. physiologische) nicht-kanonische Translationsmechanismen, z.B. die IRES-vermittelte Translation.[2]
Biochemie
Die RAN-Translation ist ein pathologischer, nicht-kanonischer Translationsmechanismus. Er wird durch die abnorm hohe Anzahl an Mikrosatellitenwiederholung (Repeatexpansionen) in der DNA bzw. transkribierten mRNA ausgelöst. Dabei kann es sich um Tri-, Tetra-, Penta- oder Hexanukleotidexpansionen handeln. Sie lassen sich in unterschiedlichen RNA-Bereichen antreffen, z.B. in proteinkodierenden Sequenzen, 5'-UTRs, Introns oder non-coding-RNA.[2][3] Liegt die Expansion in einem kodierenden Bereich, kann dieser gleichzeitig durch kanonische und RAN-Translation in Polypeptide übersetzt werden.[2]
Im Gegensatz zur kanonischen Translation können die Ribosomen bei der RAN-Translation auch eine ohne Startcodon die Polypeptidsynthese initiieren. Dabei ist kein Leseraster festgelegt, entsprechend können bis zu drei verschiedene Polypeptidsequenzen mit sich wiederholenden Aminosäurenmotiven entstehen.[2] Beispielsweise kann ein CAG-Repeat durch RAN-Translation gleichzeitig Polyserin-, Polyglutamin- und Polyalanin-Peptide produzieren, wobei die tatsächlich exprimierten Peptide von der Repeatzahl abhängen.[3][4] Oft werden zudem Produkte beider DNA-Stränge (Sense-/Antisensestrang) eines Gens produziert, wodurch bis zu 6 RAN-translatierte Peptidsequenzen aus einer Repeatexpansion hervorgehen können.[3][4] Variabilität in flankierenden Peptidanteilen erhöht die Variantenzahl zusätzlich.[3]
Der Mechanismus, über den Repeats eine RAN-Translation auslösen, ist bislang (2024) noch nicht geklärt. Vermutet werden zumindest teilweise Ähnlichkeiten zur kanonischen Translation und/oder zum nicht-kanonischen Mechanismen wie den IRES.[3] Der Translationsbeginn scheint teilweise innerhalb der Repeats zu liegen, teilweise aber auch upstream von diesen. Bei Letzterem werden zum Teil nicht-kanonische Startcodons mit Ähnlichkeit zum Methionincodon (z.B. CUG) genutzt.[3] In einigen Fällen konnte außerdem eine Abhängigkeit der Translation von einer 5'-Cap-Bindung durch den eIF4-Komplex oder einer Poly-A-Bindung gezeigt werden. In anderen Fällen verläuft die RAN-Translation hingegen unabhängig von diesen Mechanismen.[3]
Pathologie
Welchen Effekt die entstehenden Polypeptide haben, ist derzeit (2024) nicht vollständig geklärt. Da RAN-Translation vornehmlich bei neurodegenerativen Erkrankungen beschrieben wurde, wird angenommen, dass eine Akkumulation der aberranten Peptide neurotoxische Effekte hervorruft. Die genauen Mechanismen variieren wahrscheinlich je nach Erkrankung und betroffenem Gewebe.[3][4]
Klinik
Die RAN-Translation wird bei folgenden Erkrankungen als möglicher Mechanismus diskutiert:[2][3][4]
- C9orf72-assoziierte ALS und FTD
- Fragiles-X-assoziiertes Tremor-/Ataxie-Syndrom sowie Fragiles-X-assoziierte prämature Ovarialinsuffizienz
- Chorea Huntington
- Spinozerebelläre Ataxie, Typ 8 und 31
- Myotone Dystrophie Typ 1 und 2
- Fuchs-Endotheldystrophie mit TCF4-Triplettexpansion
In allen dieser Erkrankungen stellt die RAN-Translation jedoch nur einen von mehreren möglichen Pathomechanismen dar, in vielen Fällen ist ihr Beitrag zum Krankheitsverlauf unklar.
Quellen
- ↑ Heinrich et al. (Hrsg.), Löffler/Petrides Biochemie und Pathobiochemie. 10. Auflage, Springer Verlag, 2022. S. 791ff.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Green, Linsalata, Todd, RAN translation—what makes it run? Brain Research, 2016.
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 3,7 3,8 Cleary, Pattamatta, Ranum, Repeat-associated non-ATG (RAN) translation. Journal of Biological Chemistry, 2018.
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 Banez-Coronel und Ranum, Repeat-associated non-AUG (RAN) translation: insights from pathology. Laboratory Investigation, 2019.
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