Polyomavirus-Infektion (Geflügel)
Synonym: Polyomavirusinfektion
Definition
Als Polyomavirus-Infektionen bezeichnet man verschiedene Infektionskrankheiten beim Geflügel, die durch Viren der Familie Polyomaviridae verursacht werden.
Erreger
Polyomaviren sind unbehüllte und isometrische Partikel mit einem Durchmesser von ca. 50 nm. Ihr Genom besteht aus einer zirkulären doppelsträngigen DNA (dsDNA), welches die genetische Information für 5 bis 9 Proteine trägt, von denen wiederum 3 oder 4 Strukturproteine sind. Die restlichen Proteine hingegen sind maßgeblich an der Virusreplikation beteiligt. Eines dieser Proteine wird als großes T-Antigen (LT) bezeichnet. Es ist für die Tumorbildung bei Versuchstieren (meistens Labornager) sowie für Zelltransformationen verantwortlich.
Die Polyomaviren der Vögel (Avian Polyomavirus) unterscheiden sich strukturell von denen der Säugetiere. Sie verursachen unter natürlichen Infektionsbedingungen beim Geflügel klinisch manifeste Erkrankungen und werden dem Genus Gammapolyomavirus untergeordnet.
Epidemiologie
Polyomaviren sind bei Säugetieren weltweit verbreitet. Unter natürlichen Bedingungen verursachen jedoch nur wenige Vertreter Tumorbildungen. Die meisten Infektionen bleiben klinisch inapparent, wobei einige Viren beim Menschen nach Immunsuppression auch Erkrankungen auslösen können.
Pathogenese
Die Virusproteine binden an die Wirtsrezeptoren und induzieren eine lipidvermittelte Endozytose, worauf der Erreger in die Zelle eindringen kann. Anschließend durchquert das Virus das endoplasmatische Retikulum. Während dieses Vorgangs kommt es zu einer Umgestaltung der Kapsidstruktur durch die Wirtsproteine. Das fehlgefaltene Virion wird dann in das Zytoplasma exportiert und die genomische DNA in den Zellkern integriert. Es folgt eine Transkription und anschließend Replikation der viralen DNA.
Abschließend kommt es zur Transkription verschiedener Gene, welche letztendlich die Strukturproteine (VP1, VP2 und VP3) kodieren. Im Viroplasma werden dann die neuen Virionen gebildet und mittels Lyse aus der Zelle freigesetzt.
Erkrankungen
Bei Vögeln verursachen Polyomaviren v.a. folgende wirtschaftlich bedeutsamen Erkrankungen:
- Hämorrhagische Nephritis und Enteritis der Gänse (HNEG)
- Nestlingskrankheit der Wellensittiche (APV)
- Rennerkrankheit (Französische Mauser) bei Wellensittichen
Diagnose
Anhand der Klinik und den pathohistologischen Befunden kann eine Verdachtsdiagnose erhoben werden. Die Diagnose wird letztendlich mittels Erregernachweis (z.B. PCR oder Virusanzucht in verschiedenen Medien) gesichert.
Therapie
Kausaltherapien bei Polyomavirus-Infektionen existieren derzeit (2023) nicht. Impfstoffe sind ebenfalls nicht erhältlich. Die Bekämpfung orientiert sich daher an strikten Hygienemaßnahmen sowie der Vermeidung von bakteriellen oder parasitären Sekundärinfektionen.
Quellen
- ViralZone. Polyomaviridae SIB - Swiss Institute of Bioinformatics (abgerufen am 18.08.2021)
- Guerin JL, Gelfi J, Dubois L, Vuillaume A, Boucraut-Baralon C, Pingret JL. A novel polyomavirus (goose hemorrhagic polyomavirus) is the agent of hemorrhagic nephritis enteritis of geese. J Virol. 2000;74(10):4523-4529. doi:10.1128/jvi.74.10.4523-4529.2000
Literatur
- Rautenschlein S, Ryll M. 2014. Erkrankungen des Nutzgeflügels. 1. Auflage. Stuttgart: UTB Verlag GmbH. ISBN: 978-3-8252-8565-5
- Siegmann O, Neumann U (Hrsg.) 2012. Kompendium der Geflügelkrankheiten. 7., überarbeitete Auflage. Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. ISBN: 978-84268333-4
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