Bronchiolitis-obliterans-Syndrom
Englisch: bronchiolitis obliterans syndrome
Definition
Das Bronchiolitis-obliterans-Syndrom, kurz BOS, ist eine Komplikation nach Lungentransplantation oder hämatopoetischer Stammzelltransplantation (HSCT).
Hintergrund
Im Falle einer Lungentransplantation stellt das BOS eine Form der chronischen Lungenallograft-Dysfunktion (CLAD) dar. Dabei werden zwei Formen unterschieden:
- neutrophile reversible Allograftdysfunktion (NRAD)
- fibröses Bronchiolits-obliterans-Syndrom (fBOS)
Im Kontext einer Stammzelltransplantation bezieht sich die BOS auf eine neue obstruktive Lungenerkrankung nach Transplantation. Histologisch finden sich keine Unterschiede zwischen BOS bei Lungentransplantation oder HSCT.
Epidemiologie
Das BOS macht 75 bis 85 % der CLAD-Fälle aus, wobei jeweils 50 % davon eine NRAD bzw. ein fBOS darstellen.
Das BOS ist die häufigste pulmonale, nicht-infektiöse Langzeitkomplikation von Stammzelltransplantationen. Ungefähr 2 bis 3 % der Patienten mit allogener HSCT und 6 % der Patienten mit chronischer Graft-versus-Host-Reaktion (GvHD) entwickeln ein BOS.
Risikofaktoren
Risikofaktoren für die Entstehung eines BOS nach Lungentransplantation sind:
- primäre Graftdysfunktion
- akute zelluläre Abstoßung
- humorale Abstoßung und Nachweis von HLA-Antikörpern
- Virusinfektionen (CMV-Pneumonie, ambulant erworbene Virusinfektionen der Atemwege)
- Kolonisierung der Atemwege mit Pseudomonas aeruginosa oder Aspergillus fumigatus
- gastroösophagealer Reflux
- Aspiration
Risikofaktoren für die Entstehung eines BOS nach HSCT sind:
- hohes Alter
- Z.n. akuter oder chronischer GvHD
- virale Atemwegsinfekte kurz nach Transplantation
Diagnostik
Lungenfunktionstest
Das BOS ist gekennzeichnet durch eine obstruktive Lungenfunktionsstörung mit einer forcierten Einsekundenkapazität (FEV1) < 80 % in zwei Messungen mit mindestens 3 Wochen Abstand. Je nach Verschlechterung der forcierten FEV1 gegenüber dem Durchschnittswert der beiden besten Werte nach Transplantation, unterscheidet man drei Schweregrade:
- Stadium 1: 20-35 %
- Stadium 2: 35-50 %
- Stadium 3: > 50 %
Bei NRAD zeigt sich eine Reversibilität nach Gabe von Azithromycin: Nach 3 bis 6 Monaten zeigt sich ein Anstieg der FEV1 > 10 % im Vergleich zum Ausgangswert vor Therapiebeginn in zwei Messungen mit mindestens 3 Wochen Abstand. Im Gegensatz dazu zeigt das fBOS kein Ansprechen auf Azithromycin.
Radiologie
Der Röntgen-Thorax ist häufig unauffällig und zeigt in anderen Fällen nur unspezifische Veränderungen. Auch die Thorax-CT zeigt unspezifische Befunde:
- Mosaikmuster
- Air Trapping in Exspirationsaufnahmen
- Bronchialwandverdickungen, Bronchiektasen
Bei NRAD finden sich zusätzlich zentrilobuläre Mikronoduli mit Tree-in-Bud-Muster, Mukusimpaktionen und Konsolidierungen. Die Bronchusdilatationen, Konsolidierungen und das Air Trapping verbessern sich durch die Therapie. Bei fBOS zeigen das exspiratorische Air Trapping und die Konsolidierungen hingegen kein Ansprechen auf Azithromycin.
Bronchoalveoläre Lavage
Bei der NRAD finden sich mehr als 15 % neutrophile Granulozyten in der bronchoalveolären Lavage (BAL). Eine Infektion muss dabei ausgeschlossen werden.
Pathohistologie
Eine Entzündung der kleinen Atemwege mit Destruktion und Fibrose führt zu einer konstriktiven Bronchiolitis. Die heterogene Verteilung der histologischen Veränderungen zieht dabei eine geringe Sensitivität der transbronchialen Biopsie nach sich.
Die NRAD ist gekennzeichnet durch eine Neutrophilie der Atemwege und eine lymphozytäre Bronchiolitis. Bei der fBOS kommt es zu einer fibrösen konstriktiven Bronchiolitis mit nur minimaler Entzündung.
...bei BOS nach HSCT
Im Falle einer BOS nach HSCT finden sich folgende Merkmale:
- Tiffeneau-Index < 0,7 bzw. 5. Perzentile
- FEV1 < 75 % des erwarteten Wertes mit > 10%iger Abnahme in < 2 Jahren
- Fehlen einer Atemwegsinfektion
- mindestens ein weiteres Merkmal eines BOS:
- CT: Air Trapping in Exspirationsaufnahme oder Bronchialwandverdickungen bzw. Bronchiektasen
- Air Trapping im Lungenfunktionstest
Differenzialdiagnosen
- Infektiöse Bronchiolitis: klinische Infektzeichen, zentrilobuläre Noduli mit Tree-in-Bud-Muster, gutes Ansprechen auf Antibiotikatherapie
- Diffuse Aspirationsbronchiolitis: zentrilobuläre Noduli mit Tree-in-Bud-Muster, Risikofaktoren einer Aspiration, Notwendigkeit weiterer diagnostischer Maßnahmen, um die Aspiration zu dokumentieren
- Konstriktive Bronchiolitis anderer Ursache (z.B. autoimmun, medikamentös, idiopathisch): Mosaikmuster, Air Trapping
Therapie
Bei einem BOS wird die immunsuppressive Therapie gesteigert. Mögliche Optionen sind eine Anpassung der Dosierung, die Gabe von Azithromycin, von antilymphozytären Antikörpern, eine Photopherese oder eine totale lymphatische Bestrahlung. Bei einem Reflux kann eine Antirefluxoperation erwogen werden. In ausgewählten Fällen ist eine Re-Transplantation möglich.
Prognose
Die Prognose bei BOS ist variabel. Das mittlere Überleben nach Auftreten eines BOS beträgt 3 bis 4 Jahre. Bei NRAD ist die Prognose meist günstiger.
Literatur
- Royer PJ et al. Chronic Lung Allograft Dysfunction: A Systematic Review of Mechanisms. Transplantation. 2016
- Bergeron A et al. Bronchiolitis obliterans syndrome after allogeneic hematopoietic SCT: phenotypes and prognosis. Bone Marrow Transplant. 2013
- Sato M. Chronic lung allograft dysfunction after lung transplantation: the moving target. Gen Thorac Cardiovasc Surg. 2013
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