Anteriore ischämische Optikusneuropathie
Synonyme: Optikomalazie, Augeninfarkt, Apoplexia papillae
Abkürzung: AION
Englisch: anterior ischemic optic neuropathy(AION)
Definition
Unter der anterioren ischämischen Optikusneuropathie, kurz AION, versteht man eine akute Durchblutungsstörung des Sehnervenkopfes. In der Regel geschieht dies durch Verlegung oder Blockade eines den Sehnerven versorgenden Blutgefäßes. Folge ist eine Unterversorgung des Sehnervenkopfes mit Sauerstoff und Nährstoffen, wodurch es rasch zum Untergang von funktionellem Nervengewebe kommen kann. Aus diesem Grund stellt die AION einen augenmedizinischen Notfall dar.
Formen
Man unterscheidet zwei Formen der AION:
- AAION: arteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie
- NAAION bzw. NAION: nichtarteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie
Pathogenese
Bei der ischämischen Optikusneuropathie kommt es zu einer plötzlichen Mangeldurchblutung des Sehnervenkopfes, die zu einer raschen Visusminderung führt. Die Unterversorgung des neuronalen Gewebes führt zu einer irreversiblen Schädigung der Neurone - ähnlich dem Effekt bei einem ischämischen Schlaganfall. Wird nicht innerhalb von kurzer Zeit eine adäquate Therapie eingeleitet, können dauerhafte Sehminderung und im Extremfall Erblindung die Folge sein, da es sich bei den Nervenzellen um postmitotisches Gewebe handelt, d.h. es werden keine neuen Zellen mehr gebildet. Die Ursachen der Minderdurchblutung sind bei beiden AION-Formen verschieden.
Bei der AAION liegt eine Riesenzellarteriitis oder eine andere generalisierte Vaskulitis vor, die zu einer Entzündung der Gefäßwände im Bereich des Sehnerven führt. Diese Entzündung resultiert in einer Lumeneinengung des Gefäßes mit konsekutiver Ischämie.
Die Pathogenese der NAION ist nicht vollständig geklärt und wird kontrovers diskutiert. Zwei Faktoren scheinen dabei im Vordergrund zu stehen:
- Ein nächtlicher Blutdruckabfall bei erhöhtem kardiovaskulären Risiko (z.B. Diabetes, Hypertonie und Hypercholesterinämie) oder bei bereits bestehender Arteriosklerose: Rund 75% der Patienten bemerken ihre Visusminderung nach dem Aufwachen aus dem Schlaf.
- Die Form des Sehnervenkopfes: Patienten, bei denen der Sehnerv eine relativ enge Durchgangsstelle durch die Sklera passieren muss ("crowded disc"), haben ein erhöhtes Risiko für eine NAION.
Selten kann es auch nach Einnahme von Sildenafil zu einer NAION kommen.
Symptome
Leitsymptome der Erkrankung sind akute Sehstörungen wie eine Visusminderung auf dem betroffenen Auge, ein relativer afferenter Pupillendefekt, Farbensättigung oder Gesichtsfeldausfälle.
Diagnose
Ophthalmoskopisch zeigt sich ein abnormal unscharf abgrenzbarer Sehnervenkopf mit Papillenschwellung. Auffallend ist weiterhin die blasse Farbe des Sehnervenkopfes, was auf die aktuell schwache Durchblutung zurückzuführen ist. Im Bereich der Papille sind feine Einblutungen sichtbar. Das Gesichtsfeld ist eingeschränkt. Eine Fluoreszenzangiografie zeigt schließlich die verminderte Durchblutung. Eine Temporalarterienbiopsie bei Verdacht auf eine Riesenzellarteriitis gilt aktuell (2023) nicht mehr als diagnostischer Goldstandard.
Therapie
AAION
Bei einer AAION steht die Behandlung der Grunderkrankung mit antiinflammatorischen Medikamenten im Vordergrund.
NAION
In retrospektiven Studien zeigte sich ein positiver Effekt einer hochdosierten Glukokortikoidgabe, die zur Zeit die einzig wirksame Therapie der NAION zu sein scheint. Operative Interventionen zeigten im Cochrane Review keine überzeugenden Ergebnisse. Weitere mögliche Behandlungsmaßnahmen sind:
- durchblutungsfördernde Medikamente (Kalziumantagonisten, Acetylsalicylsäure)
- Antikoagulation
- Hochdruck-Sauerstofftherapie (NIV-CPAP bei OSAS)
- Nikotinkarenz
Literatur
- Pschyrembel - Anteriore ischämische Optikusneuropathie, abgerufen am 06.02.2023