Multiple Chemikalien-Sensitivität
Synonym: Vielfache Chemikalienunverträglichkeit
Englisch: Multiple Chemical Sensitivity(MCS), Chemical Susceptibility Problem
Definition
Die multiple Chemikalien-Sensitivität, kurz MCS, beschreibt einen unspezfischen Symptomkomplex, bei dem nach Exposition gegenüber geringen Konzentrationen einiger Chemikalien Krankheitserscheinungen in verschiedenen Organsystemen hervorgerufen werden.
Die Existenz der Erkrankung ist in der Fachwelt umstritten. Die MCS wird von zahlreichen medizinischen Organisationen, u.a. von der WHO und der AMA, nicht als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt.
Epidemiologie
Aufgrund der Subjektivität der erlebten Symptome ist die Prävalenz schwer abzuschätzen. In einer Studie lag die selbstberichtete Prävalenz der MCS in der gesamten Stichprobe bei 9 %, die Prävalenz der ärztlich diagnostizierten MCS bei 0,5 %.[1] Die selbstberichtete Prävalenz in Deutschland ähnelt der in anderen westlichen Nationen. Das MCS wird in Deutschland allerdings seltener ärztlich diagnostiziert.
Ätiopathogenese
Die Pathogenese ist bislang (2023) unklar. Symptome werden durch die Exposition gegenüber sehr geringer Mengen diverser chemischer Stoffe ausgelöst. Es reichen Konzentrationen, bei denen Gesunde keine Symptome verspüren. In Deutschland gehören zu den am häufigsten genannten Stoffen beispielsweise Holzschutzmittel, Lösungsmittel, Insektizide oder Duftstoffe. Verschiedene Theorien ziehen z.B. immunologische, allergische, neurobehaviorale oder psychologische Ursachen in Betracht, ohne das Phänomen befriedigend zu erklären.
Zudem ist nicht geklärt, ob es sich um eine primär psychosomatische Erkrankung (physische Symptome entstehen sekundär) oder somatopsychische Erkrankung (psychische Beschwerden entstehen sekundär) handelt.[2]
Symptome
Die Symptomatik ist uneinheitlich. Zu den beschriebenen Symptomen gehören u.a.:
- Kopfschmerzen
- Reizung der Augen und Nase
- Müdigkeit
- Kognitive Störungen (Konzentrationsstörung, Vergesslichkeit)
- Dyspnoe
- Schwindel
- muskuloskelettale Beschwerden
- Pruritus
- Mundtrockenheit
Der Leidensdruck wird von den betroffenen Patienten teils als sehr hoch angegeben. Die Alltagsbewältigung und die Lebensqualität können eingeschränkt sein. Im Verlauf kommt es häufig meist zu einer Beschwerdezunahme. Insgesamt besteht eine hohe Komorbidität mit psychosomatischen Belastungen.
Die Betroffenen fühlen sich oftmals stigmatisiert.
Diagnostik
Da die MCS eine Ausschlussdiagnose ist, gibt es keine allgemein empfohlenen Diagnoserichtlinien. Als Basisuntersuchung kommt oft eine Allergiediagnostik zum Einsatz. Berufsbedingte Expositionen müssen als Krankheitsursache abgeklärt werden.
Diagnosekriterien
Folgende Konsensuskriterien wurden festgelegt:[3]
- Die Symptome müssen bei erneuter Exposition reproduzierbar sein
- Es handelt sich um ein chronisches Leiden
- Niedrige Dosen reichen aus, um die Beschwerden auszulösen (werden von Gesunden i.d.R. toleriert)
- Symptombesserung nach Ende der Exposition
- Auslösung der Symptome durch verschiedene, nicht miteinander verwandte chemische Stoffe
- Mehrere Organsysteme sind betroffen
Differentialdiagnosen
Folgende Differentialdiagnosen sollten in Betracht gezogen werden:
- Allergische Erkrankungen
- Mastzellaktivierungssyndrom
- Lebensmittelintoleranzen
- chronisches Erschöpfungssyndrom
- psychische Erkrankungen
Therapie
Es gibt aktuell (2023) keinen kausalen Therapieansatz.
Eine Hilfsmaßnahme ist, die auslösenden Substanzen bestmöglich zu meiden. Dermatologische Symptome werden meist mit Hautbasispflege gelindert. Teils wird eine Ernährungsumstellung von den Patienten als positiv empfunden.
Die Patienten sollten Unterstützung in der Bewältigung ihres Alltags erhalten. Eine kognitive Verhaltenstherapie kann helfen, die persönlichen Ressourcen der Betroffenen zu verbessern.
Da die Patienten häufig bei Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen Rat suchen, ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit wichtig. Es existieren Beratungsangebote z.B. in umweltmedizinischen Ambulanzen oder bei Gesundheitsämtern.
Quellen
- ↑ Hausteiner et al., Self-reported chemical sensitivity in Germany: a population-based survey. International Journal of Hygiene and Environmental Health, 2005
- ↑ Harter et al., Multiple Chemikaliensensibilität (MCS) – Ein Leitfaden für die Dermatologie zum Umgang mit den Betroffenen. Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, 2020
- ↑ Bartha et al., Multiple chemical sensitivity: a 1999 consensus. Archives of Environmental Health, 1999
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