Osteogenesis imperfecta
von altgriechisch: ὀστέον ("osteon") - Knochen und γένεσις ("genesis") - Entstehung, Ursprung
Synonyme: Glasknochenerkrankung, Morbus Lobstein
Englisch: brittle bone disease
Definition
Die Osteogenesis imperfecta, kurz OI, ist eine erbliche Erkrankung des Bindegewebes, die sich durch eine unvollständige Knochenbildung mit erhöhter Brüchigkeit der Knochen auszeichnet.
Epidemiologie
Die Häufigkeit des Auftretens beträgt 1: 10.000 – 15.000, in Deutschland sind ca. 4.000 – 5.000 Menschen betroffen.
Ätiologie
Ursache der Osteogenesis imperfecta sind verschiedene Störungen der Biosynthese von Kollagen, einem sehr wichtigen Bestandteil der Knochenmatrix. In 95 % der Fälle sind Gene betroffen, die zur Synthese des Kollagens Typ I wichtig sind (COL1A1 und COL1A2). Kommt es zu einem Verlust eines COL1A1-Allels, so ist nur eine verminderte Synthese von Kollagen Typ I möglich. Das Kollagen ist jedoch intakt, so dass die Ausprägung der Erkrankung mild ist.
Kommt es jedoch zu Mutationen im COL1A1- oder COL1A2-Gen (z.B. durch Punktmutation, oder alternatives Splicing), so wird überwiegend defektes und nur wenig intaktes Kollagen vom Typ I hergestellt. Meist geschieht dies durch Substitution der wichtigsten Aminosäure Glycin in der Tripelhelix des Kollagens durch eine andere Aminosäure. Zudem ist oft die Verdrillung der Kollagen-Tripelhelix gestört, was zu einer verminderten Stabilität führt.
Durch diesen dominant-negativen Effekt kommt es zu einer schweren Ausprägung (Phänotyp) der Erkrankung.
Einteilung
Nach der erweiterten Sillence-Klassifikation unterscheidet man folgende Typen der Osteogenesis imperfecta:
- Typ I: Hoeve-Syndrom, Lobstein-Krankheit: Autosomal-dominante Vererbung, leichter Verlauf mit Symptomen überwiegend außerhalb des Skelettsystems. Blaue Skleren.
- Typ II: Vrolik-Krankheit: Sehr schwerer Verlauf, durch vielfache Knochenbrüche sind die Knochen bereits bei der Geburt verformt und verkürzt, was zu einem Minderwuchs führt. Der Krankheitsverlauf ist letztendlich letal. Auch hier sind die Skleren der Patienten blau.
- Typ III: Vor allem autosomal-rezessiv vererbt. Schwerer Verlauf mit dünnen, gebogenen Knochen und Minderwuchs.
- Typ IV: Autosomal-dominante Vererbung; variabler Verlauf.
- Typ V: milder bis schwerer Verlauf, hyperplastischer Kallus
Jedoch ist zu beachten, dass die Ausprägung der Osteogenesis imperfecta sehr variabel ist und sich deswegen die Patienten nicht immer klar einem der Erkrankungstypen zuordnen lassen.
Symptome
Viele Symptome der Osteogenesis imperfecta betreffen das Skelett:
- Multiple Frakturen (Knochenbrüche)
- Deformierung der Schädelkalotte
- Ausbildung von flachen Wirbelkörpern (Platyspondylie)
- Verzögerung der Ossifikation
- Kleinwuchs
- Verformung der Wirbelsäule (Skoliose, Kyphose)
Darüber hinaus gibt es Symptome, die nicht das Skelett, sondern andere Organsysteme betreffen, zum Beispiel:
- Blaue Skleren
- Schallleitungsschwerhörigkeit
- Dentinogenesis imperfecta (Störung der Zahnbildung)
- Überstreckbarkeit der Gelenke
- Neigung zu Hämatomen
- Aortendilatation
- Aorteninsuffizienz
- Subdurales Hämatom
- schwache Muskulatur
- übermäßiges Schwitzen
- Neigung zu Leistenbrüchen
- Myopie (Kurzsichtigkeit)
Im Röntgenbild zeigt sich eine erhöhte Transparenz des Knochens, da zu wenig schattengebende Knochensubstanz vorhanden ist.
Therapie
Da die Osteogenesis imperfecta eine genetisch bedingte Erkrankung ist, können die Ursachen nicht behandelt werden, die Therapie beschränkt sich auf die Behandlung der Symptome.
Es wird versucht, den Krankheitsverlauf mit Calcitonin, Calciferol, Fluor und Bisphosphonaten zu verlangsamen und abzumildern. Die Frakturen werden chirurgisch und orthopädisch versorgt. Durch Marknagelung lässt sich die Stabilität der Knochen erhöhen. Zudem ist eine Physiotherapie wichtig, um weiterem Knochenabbau vorzubeugen und durch Muskelaufbau die Sturzgefahr zu vermindern.
Quiz
Bildquelle
- Bildquelle für Quiz: ©Cara Shelton / Unsplash