Leistenhernie
Synonyme: Hernia inguinalis, Inguinalhernie, Leistenbruch
Englisch: inguinal hernia
Definition
Unter einer Leistenhernie versteht man den Durchtritt von Baucheingeweiden (Hernie) durch den Leistenkanal oberhalb des Leistenbandes.
Epidemiologie
Die Leistenhernie ist die häufigste Hernienform und betrifft in 80 % der Fälle Männer, weil diese durch den Funiculus spermaticus einen relativ weiten Leistenkanal aufweisen. Mit rund 275.000 Eingriffen pro Jahr ist sie eine der am häufigsten operativ behandelten Erkrankungen.[1]
Einteilung
Bei den Leistenbrüchen unterscheidet man abhängig von der Bruchpforte zwischen direkten (etwa ein Drittel) und indirekten (etwa zwei Drittel) Leistenhernien. Sie tritt in rund 15 % der Fälle beidseits auf.
Direkte (mediale) Leistenhernie
Die direkte Leistenhernie (Hernia inguinalis directa) ist immer erworben. Die Bruchpforte liegt im Bereich der Fossa inguinalis medialis, medial der epigastrischen Gefäße, welche die Plica umbilicalis lateralis bilden. Die Bruchpforte liegt im sogenannten Hesselbach-Dreieck, einer physiologischen Schwachstelle der Bauchwand, in der die Stabilität maßgeblich von der Fascia transversalis aufrechterhalten wird.
Der Bruchsack findet im weiteren Verlauf Anschluss an den Leistenkanal, verläuft medial des Samenstranges und tritt am Anulus inguinalis superficialis aus. Er ist zweischichtig und die Fascia transversalis stülpt sich mit den peritonealbedeckten Darmschlingen mit heraus.
Indirekte (laterale) Leistenhernie
Die indirekte Leistenhernie (Hernia inguinalis indirecta) kann angeboren oder erworben sein. Während seines Abstiegs in das Skrotum zieht der Hoden einen Bauchfellfortsatz (Saccus vaginalis) mit sich, der Hoden und Nebenhoden umhüllt. Die Öffnung für diesen Durchtritt wird als Processus vaginalis peritonei bezeichnet. Verödet diese Öffnung nicht, sind angeborene Leistenhernien möglich. Erweitert sich der Processus erst später durch verschiedene Ursachen, kann eine erworbene indirekte Leistenhernie entstehen.
Die Bruchpforte ist immer der Anulus inguinalis profundus, lateral der epigastrischen Gefäße (Fossa inguinalis lateralis). Der Bruch verläuft somit immer komplett durch den Leistenkanal und tritt durch den Anulus inguinalis superficialis aus. Die indirekte Leistenhernie neigt dabei zur Ausweitung in das Skrotum. Dies kann unbehandelt zu grotesken Befunden mit massiver Schwellung des Skrotums führen.
Diagnose
Körperliche Untersuchung
Die Diagnose einer Leistenhernie kann in etwa 80 % der Fälle bereits durch die körperliche Untersuchung gestellt werden. Bei der Inspektion fallen Leistenhernien als Vorwölbungen auf. Ist ein Bruch noch nicht durchgetreten, können ziehende Leistenschmerzen das einzige Symptom sein.
Die weitere Untersuchung besteht in einer Palpation des Bruches am Anulus inguinalis superficialis. Dabei wird die Skrotalhaut bzw. die Haut über der Leiste über den Finger gestülpt und der Anulus aufgesucht. Ist ein Bruchsack tastbar, kann dabei auch überprüft werden, ob eine manuelle Reposition möglich ist. Ist hingegen kein Bruchsack tastbar, wird der Patient zum Pressen oder Husten aufgefordert. Dabei wölbt sich der Bruchsack durch den erhöhten intraabdominellen Druck gegen den Finger hervor.
Legt man die Spitze des Mittelfingers dem Verlauf des Leistenkanals folgend an den Anulus, kann man zwischen den verschiedenen Formen der Leistenhernie unterscheiden. Der Mittelfinger markiert den Verlauf der indirekten Leistenhernie, der obere Finger den Verlauf der direkten Leistenhernie. Entspricht der Verlauf der Lage des unteren Fingers, besteht der Verdacht auf eine Schenkelhernie.
Bildgebung
Mittels Sonographie (dynamischer inguinaler Ultraschall) kann die Diagnose erleichtert werden. Bei Husten oder Pressen des Patienten kann eine Gleitbewegung der Hernie dargestellt werden. Die Sensitivität und Spezifität der Sonographie ist dabei sehr hoch. Zudem kann ein erfahrener Untersucher bereits weitere Informationen zu den anatomischen Besonderheiten der Leistenregion erhalten.
Bei unklaren Fällen kann eine dynamische Magnetresonanztomografie (Valsalva-MRT) oder eine Computertomografie zur Diagnostik hinzugezogen werden.
Differentialdiagnose
Schenkelhernien, eine Hydrozele oder eine Varikozele müssen differentialdiagnostisch ausgeschlossen werden.
Therapie
Ein Patient mit einer Leistenhernie wird normalerweise operiert. Dabei soll sichergestellt werden, dass die Hernie nicht mehr austreten kann. Beim direkten Bruch kann die Öffnung operativ verschlossen werden, beim indirekten Bruch muss eine Öffnung für den Samenstrang bleiben. Das Prinzip der Operation geht auf den Italiener Bassini zurück.
Die gängigen Operationsverfahren werden in offene oder laparoskopische Techniken unterschieden, sowie danach, ob eine Netzeinlage erfolgt. Heutige Standardverfahren sind die Transabdominelle präperitoneale Hernioplastik (TAPP) und die Total extraperitoneale Hernioplastik (TEPP). Diese beiden laparoskopischen Verfahren gehen mit einer Netz-Einlage (Patch-Plastik) einher. Ein weiteres häufig angewendetes Verfahren ist die Operation nach Lichtenstein. Bei dieser erfolgt ebenfalls eine Netzeinlage, es handelt sich jedoch um ein offenes Verfahren. Operationen ohne Netz sind die offenen Verfahren Shouldice und Bassini, wobei letzteres veraltet ist und nicht mehr durchgeführt wird.
Vorteile der Operationen mit Netz sind eine spannungsfreie Naht und die dadurch bedingte geringere Rezidivraten. Eine Netzeinlage erfolgt daher vor allem bei großen Brüchen. Bei jungen Patienten (vor allem Frauen) wird versucht, auf Netze zu verzichten, weshalb das Shouldice-Verfahren vor allem bei Jugendlichen angewendet wird.
siehe auch: Hernie, Leistenhernien-Operation, Hernienchirurgie
HowTo-Video
Podcast
Quellen
Bildquelle
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