CMMRD-Syndrom
Englisch: constitutional mismatch repair deficiency syndrome, mismatch repair cancer syndrome 1, MRRCS1, childhood cancer syndrome, brain tumor-polyposis syndrome 1, BTPS1
Definition
Das CMMRD-Syndrom, kurz für konstitutionelles Mismatch-Repair-Defizienz-Syndrom, ist eine seltene genetische Erkrankung. Sie geht mit einem stark erhöhten kindlichen Malignomrisiko einher, häufig treten ZNS-Tumoren, maligne hämatologische Erkrankungen und Lynch-Syndrom-assoziierte Tumoren auf.
Nomenklatur
In einigen Quellen wird das CMMRD-Syndrom mit dem Turcot-Syndrom gleichgesetzt. Letzteres beschreibt lediglich die klinische Kombination von familiärer kolorektaler Polyposis und primären Tumoren des ZNS, kann aber keiner zugrundeliegenden Genmutation eindeutig zugeordnet werden.
Laut OMIM wird "Mismatch Repair Cancer Syndrome" (MMRCS) als offizielle Bezeichnung für das CMMRD-Syndrom verwendet.
Epidemiologie
Das CMMRD-Syndrom ist eine sehr seltene Erbkrankheit mit weltweit etwa 250 dokumentierten Fällen (Stand 2022).
Ätiologie
Ursächlich für die Erkrankung sind biallelische Mutationen, die eines der folgenden Mismatch-Repair-Gene (MMR-Gen) betreffen: MLH1, MSH2, MSH6 oder PMS2. Durch die gestörte Fehlpaarungsreparatur kommt es zur Akkumulation von Punktmutationen und zur Mikrosatelliteninstabilität (MSI). Durch Mutationen in Protoonkogenen und Tumorsuppressorgenen wird eine maligne Transformation angestoßen.
Das Erkrankungsrisiko ist bei Patienten erhöht, deren Eltern aus Island oder dem franko-kanadischem Quebec stammen. Grund dafür ist der Gründereffekt in diesen Populationen.
Genetik
Nach OMIM werden basierend auf dem betroffenen Gen verschiedene Typen unterschieden:
- Typ 1: Mutation betrifft MLH1 an Genlokus 3p22
- Typ 2: Mutation betrifft MSH2 an Genlokus 2p21-p16
- Typ 3: Mutation betrifft MSH6 an Genlokus 2p16
- Typ 4: Mutation betrifft PMS2 an Genlokus 7p22
Das CMMRD-Syndrom wird autosomal-rezessiv vererbt.
Klinik
Das CMMRD-Syndrom äußert sich durch Pigmentierungsstörungen an der Haut in Form von Café-au-lait-Flecken. Zudem können bereits in der ersten Lebensdekade CMMRD-assoziierte Malignome auftreten. Dazu gehören hämatologische Tumorerkrankungen, ZNS-Tumoren und Lynch-Syndrom-assoziierte Tumoren.
Diagnostik
Das EU-Konsortium Care for CMMRD (C4CMMRD) hat 2014 ein Scoring-System vorgeschlagen, anhand dessen die Wahrscheinlichkeit für ein vorliegendes CMMRD-Syndrom eingeschätzt werden kann. Hierbei werden für CMMRD-typische Malignome (z.B. kolorektales Karzinom, Endometriumkarzinom und Magenkarzinom) im Alter unter 25 drei Punkt vergeben. Häufige Malignome (z.B. Gliom und PNET) im Alter unter 25 werden mit zwei Punkten, jegliche andere Malignome im Alter unter 18 mit einem Punkt bewertet. Weitere Faktoren, wie beispielsweise Krebserkrankungen in der Familie fließen ebenfalls in die Wertung mit ein.
Ab einer Gesamtpunktzahl von mindestens 3 Punkten sollte die Expression der MMR-Gene durch einen immunhistochemischen Nachweis in Gewebebiopsien überprüft werden. Zusätzlich kann eine Mikrosatelliteninstabilität z.B. mittels PCR nachgewiesen werden. Durch die gezielte Sequenzierung der entsprechenden Gene kann die auslösende Mutation abschließend identifiziert werden.
Differentialdiagnosen
Basierend auf den Café-au-lait-Flecken kommt Neurofibromatose Typ 1 als Differentialdiagnose in Frage.
Therapie
Die Therapie umfasst die Behandlung des jeweiligen Tumors und besteht i.d.R. aus einer Kombination von operativer Therapie und Chemotherapie.
Derzeit existiert keine kausale Therapie, jedoch bietet der Einsatz von Tumorvakzinen und Checkpoint-Inhibitoren möglicherweise vielversprechende Therapiemöglichkeiten in der Zukunft.
Prognose
Die Prognose von Patienten mit dem CMMRD-Syndrom ist in der Regel durch die wiederkehrenden und unterschiedlichen Malignome schlecht. Nach der Diagnose liegt die mittlere Überlebensrate bei unter 30 Monaten.
Regelmäßige Untersuchungen (z.B. Ganzkörper-MRT, Blutbild, Koloskopie) dienen der möglichst frühen Erkennung neuer Tumoren und können durch eine frühzeitige Behandlung die Prognose verbessern.
Quellen
- Perez-Valencia et al.: Constitutional mismatch repair deficiency is the diagnosis in 0.41% of pathogenic NF1/SPRED1 variant negative children suspected of sporadic neurofibromatosis type 1, Genetics in Medicine, 2020
- Medizinische Universität Innsbruck: CMMRD-Syndrom: Wie häufig ist sehr selten?, abgerufen am 24.11.2022
- Tan et al. Diagnostic challenges in a CMMRD patient with a novel mutation in the PMS2 gene: a case report, Genetics in Medicine, 2020
- Zentrum für Humangenetik - Constitutional Mismatch Repair Deficiency Syndrom (CMMRDS), abgerufen am 24.12.2022
- Wimmer et al. Diagnostic criteria for constitutional mismatch repair deficiency syndrome: suggestions of the European consortium 'care for CMMRD' (C4CMMRD) J Med Genet 2014
- Westdorp et al. Immunotherapy holds the key to cancer treatment and prevention in constitutional mismatch repair deficiency (CMMRD) syndrome Cancer Lett 2017
- OMIM - MMRCS1, abgerufen am 25.11.2022