Lonomia
Definition
Bei Lonomia handelt es sich um eine Schmetterlingsgattung der Augen- oder Pfauenspinner (Saturniidae). Die Raupen einiger in Südamerika beheimateter Arten haben Bedeutung als Gifttiere und werden in Brasilien als bedeutsame Gefahr für die Gesundheit eingestuft.
Epidemiologie
Lonomia-Arten spielen besonders in Brasilien eine Rolle. Eine Zunahme an Vergiftungen durch Lonomia-Raupen wird seit den 1980er-Jahren verzeichnet. Zwischen 1997 und 2005 wurden in den Bundesstaaten Rio Grande do Sul, Santa Catarina und Paraná 1.009 Fälle dokumentiert, wobei es zu 7 letalen Verläufen kam. Zwischen 1989 und 2005 wurden in Paraná allein 354 Fälle verzeichnet. Das Emergency Department of the Regional Hospital of Chapecó (Chapecó, Bundesstaat Santa Catarina) meldete 201 Fälle für den Zeitraum 1998 bis 2000. Mit dem Beginn der Regenzeit im Frühsommer geht ein saisonal bedingter Anstieg von Vergiftungsfällen einher.
Biologie
Arten
Es sind mehrere Arten beschrieben. Die Angaben zur Artenzahl variieren je nach Autor zwischen 14 und über 26. Epidemiologisch bedeutsam sind folgende Arten:
- Lonomia achelous
- Lonomia obliqua
Morphologie
Die Raupen erreichen eine Länge zwischen 4 und 6 Zentimeter. Ihre Grundfärbung ist grünlich bis bräunlich. Sie sind gekennzeichnet durch Reihen von Warzen mit aufsitzenden Büscheln von Nesselhaaren. Durch die farbliche Musterung sowie Warzen und Haare erhalten die Raupen ein kryptisches Aussehen und sind auf Baumrinde gut getarnt. Die Falter weisen zumeist eine relativ unscheinbare Gestalt auf. Die Färbung der Flügel variiert, meist bräunlich oder gelblich.
Die Metamorphose von Lonomia obliqua findet, wie für Schmetterlinge typisch, in einer Puppe statt. Die Puppe ist zunächst gelblich gefärbt, wird jedoch innerhalb weniger Stunden rötlich-braun. Zur Verpuppung ziehen sich die Raupen in den Bodengrund zurück. Unter Laborbedingungen (25 °C) dauert die Puppenphase 31 bis 34 Tage. Männchen werden 6 Zentimeter lang, mit gelb-orange gefärbten Flügeln (dorsal) und transversal verlaufenden schwarzen Linien. Die Weibchen werden etwas größer und besitzen dorsal braungraue Flügel. Die Lebensdauer des Imago (ausgewachsener Falter) beträgt circa 8 Tage.
Giftapparat
Der Giftapparat der Raupen wird durch die borstigen Haare (Nesselhaare) dargestellt. Sie werden aus einem porenfreien Tegument der Haut gebildet und stellen Ausstülpungen von Epidermis und Tegument dar. Im Inneren weisen sie einen Hohlkanal auf, welcher als Reservoir für das Giftsekret dient. Die Toxine werden in sekretorischem epidermalem Gewebe gebildet, das dem Tegument der Nesselhaare aufliegt, und in den Giftkanal der Nesselhaare sowie die Haut eingebracht. Die Freisetzung des Giftsekrets erfolgt beim Brechen der Nesselhaare.
Toxikologie
Sowohl die Hämolymphe als auch die Nesselhaare enthalten hochwirksame Substanzen mit Einfluss auf die Hämostase. Das Enzym Lonomin V aktiviert den Gerinnungsfaktor XIII. Weiterhin kommt es zu Fibrinolyse und Verbrauchskoagulopathie. Labordiagnostisch lassen sich fibrinolytische Aktivität und niedrige Prothrombinwerte noch tage- bis wochenlang feststellen.
- Lonomia obliqua: Das Giftsekret enthält unter anderem Proteasen, die Gerinnungsfaktoren aktivieren - der Lonomia obliqua Stuart-factor activator (45 kDa) aktiviert Faktor X, die Lonomia obliqua Prothrombin Activator Protease (69 kDa) Prothrombin. Folglich wird Fibrin gebildet, schließlich jedoch rasch durch physiologische Fibrinolyse abgebaut. Als Resultat stellt sich eine Verbauchskoagulpathie ein.
- Lonomia achelous: Ihr Giftsekret enthält ebenfalls Enzyme (Lonomin III), die aktivierend auf Prothrombin wirken, sowie fibrinolytische Substanzen. Auch hier stellt sich eine Koagulopathie ein.
Die Vergiftung erfolgt durch Hautkontakt mit den Nesselhaaren, die brechen, in die Haut eindringen und das enthaltene toxische Sekret freigeben. Häufig treten Betroffene barfüßig auf die Raupen oder übersehen sie im Geäst, sodass Hautpartien an den Tieren entlang streifen.
Symptome
Unmittelbar nach Kontakt stellen sich lokal brennende Schmerzen ein. Innerhalb weniger Stunden entwickeln sich unspezifische Allgemeinsymptome wie Kopfschmerzen. Erste Anzeichen einer Gerinnungsstörung sind lokale Ekchymosen (Unterblutungen), die sich im weiteren Verlauf über den Körper ausbreiten. Es kommt zu Zahnfleischblutungen und Blutungen aus älteren Wunden. Komplikationen können Nierenversagen und Hirnblutungen sein. Die Vergiftung kann innerhalb weniger Tage letal verlaufen.
Therapie
Maßnahmen der Ersten Hilfe sind das Entfernen von nicht eingedrungenen Nesselhaaren mittels Wasserstrahl (Dusche). Keinesfalls soll die Kontaktstelle durch Reiben oder ähnliches manipuliert werden, da die Haare hierdurch in die Haut getrieben werden können. Ferner ist eine intensivmedizinische Überwachung notwendig. Ein Antiserum steht zur Verfügung ('Soro antilonomico' des Produzenten Instituto Butantan).[1] Darüber hinaus erfolgt eine symptomatische Therapie.
Literatur
- Mebs, Dietrich (2010): Gifttiere - Ein Handbuch für Biologen, Toxikologen, Ärzte und Apotheker, Wissenschaftl. Verl. Gesellschaft, Stuttgart, 3. Aufl.
- Alvarez Flores et al. Chapter: South American Lonomia obliqua caterpillars: morphological aspects and venom biochemistry, In book: Lepidoptera: Classification, Behavior and Ecology, Edition: 1, Chapter: South American Lonomia obliqua caterpillars: morphological aspects and venom biochemistry, Publisher: Nova Science Publishers Inc., Editors: Guerritore E, DeSare J, pp.169-186, abgerufen am 04.11.2019
Quellen
- ↑ Clinical Toxinology Resources, University of Adelaide:Toxinology: Lonomia achelous, abgerufen am 03.11.2019