Kompartmentsyndrom
Synonym: Kompartment-Syndrom
Englisch: compartment syndrome
Definition
Unter einem Kompartmentsyndrom versteht man einen Anstieg des Gewebedruckes in osteofaszialen oder faszialen Logen (Kompartimenten) und die daraus folgende Beeinträchtigung der Mikrozirkulation und der neuromuskulären Funktion. Es handelt sich um einen akuten Notfall mit sofortigem Handlungsbedarf.
Ätiologie
Akute Kompartmentsyndrome entstehen in der Regel durch Traumata, meist als begleitende Weichteilverletzung bei Frakturen (z.B. Tibiakopffraktur) oder als Folge stumpfer Traumata. Das orbitale Kompartmentsyndrom mit traumatischer Visusminderung stellt eine schwerwiegende Komplikation bei Patienten mit Mittelgesichtsverletzungen dar. Weitere mögliche Ursachen sind:
- chirurgische Eingriffe (iatrogen)
- muskuläre Überlastung bei Leistungssportlern oder Hobbyathleten durch ein Muskelödem (z.B. nach einem Marathonlauf, Triathlon oder langen Märschen). In diesen Fällen spricht man auch von einem funktionellen Kompartmentsyndrom.
- Reperfusion eines ischämischen Gewebes (Reperfusionssyndrom), beispielsweise aufgrund eines arteriellen Gefäßverschlusses
- Schlangenbisse durch Vipern
In der Intensivmedizin ist auch ein abdominelles Kompartmentsyndrom bekannt, wie es zum Beispiel nach Aortachirurgie auftreten kann.
Pathogenese
Ein Kompartmentsyndrom tritt auf, wenn durch Schwellung und/oder Einblutungen der um den Knochen liegenden Weichteile der Druck in einer Muskelloge so stark erhöht wird, dass der venöse Abstrom nicht mehr gewährleistet ist. Es entsteht ein Circulus vitiosus, da durch den mangelnden Abstrom venösen Bluts der auf die Muskeln einwirkende Druck weiter erhöht wird.
Folge ist eine Unterbrechung des arteriellen Blutstroms mit zunehmender Ischämie des Muskelgewebes. Hält dieser Zustand über einen längeren Zeitraum an, resultiert daraus eine ausgedehnte Nekrose.
Symptome
Als Frühsymptom zeigt sich ein unerträglicher, durch normale Analgetikagaben nicht beeinflussbarer Schmerz mit Spannungsgefühl und Sensibilitätsstörungen (Taubheitsgefühl, Kribbeln). Er lässt sich auch durch passive Bewegung auslösen und bessert sich durch Hochlagerung der Extremität nicht. Die Beweglichkeit der betroffenen Extremität ist stark eingeschränkt. Später treten motorische Ausfälle auf und es kommt zu einem Pulsverlust distal der betroffenen Muskelloge.
Häufigste Lokalisationen sind Unterschenkel, Unterarm und Fuß.
Diagnose
Die Diagnose erfolgt klinisch durch die typische Anamnese und eine funktionelle Untersuchung. Der in einer Muskelloge herrschende Druck kann mit einer Sonde intraoperativ gemessen werden. Ein Druck von mehr als 30 mmHg gilt als pathologisch und weist auf ein akutes Kompartmentsyndrom hin.
Therapie
Die initiale Therapie funktioneller Kompartmentsyndrome erfolgt durch Entlastung und Kühlung. In den ersten 48 Stunden sind Massagen, Wärme und Heparinsalben kontraindiziert, danach können elektrotherapeutische, resorptionsfördernde und detonisierende Maßnahmen angewendet werden.[1]
Das akute, traumatisch bedingte Kompartmentsyndrom stellt einen chirurgischen Notfall dar. Es droht die irreversible Nekrose des Gewebes und der Funktionsverlust der Extremität. Im ungünstigsten Fall kann ein sogenanntes MSOF (multiple system organ failure) resultieren, was letztlich zum Tode des Patienten führen kann.
Die Therapie der Wahl ist die großzügige Entlastungsinzision (Dermatofasziotomie), d.h. die chirurgische Spaltung der betreffenden Faszie und der angrenzenden Kompartimente. Nach Abschwellung erfolgt je nach Gegebenheiten eine Sekundärnaht oder Hauttransplantation.
Wird das Kompartmentsyndrom nicht rechtzeitig behandelt, kommt es zu einer ischämischen Muskelnekrose, die im Extremfall eine Amputation des betroffenen Gliedmaßensegments notwendig macht.
Quellen
- ↑ Pietsch E: Sportverletzungen. Ärztliche Praxis. Ohne bilbiographische Angabe (2008)
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