Schlangenbiss
Englisch: snakebite
Definition
Schlangenbisse sind perforierende Weichteilverletzungen, die durch den Biss einer Schlange ausgelöst werden. Die WHO zählt Schlangenbisse zu den sogenannten vernachlässigten Tropenerkrankungen ("neglected tropical diseases").
Epidemiologie
Weltweit werden jährlich über 5 Millionen Menschen von Schlangen gebissen. Betroffen sind vor allem Menschen in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen in Afrika, Asien und Südamerika. In ungefähr 50 % der Fälle injiziert die Schlange ihr Gift in den Menschen. So erleiden ungefähr 2,7 Millionen Menschen jährlich Vergiftungen durch Schlangenbisse, von denen 400.000 Menschen permanente Behinderungen davontragen und 81.000-138.000 Fälle tödlich enden.[1]
In Europa sind Schlangenbisse sehr selten. Heimisch sind in Deutschland nur zwei Giftschlangenarten: die Kreuzotter und die Aspisviper. Die Giftinformationszentrale zählte in Deutschland in den Jahren 2010-2019 bei Kindern und Jugendlichen insgesamt 75 Bisse durch Kreuzottern und 15 durch andere Schlangen, bei Erwachsenen 187 Bisse durch Kreuzottern.[2]
Durch die zunehmende Haltung exotischer Giftschlangen durch Privatpersonen kommt es jedoch vermehrt zu Bissverletzungen durch Arten, die in Europa natürlicherweise nicht verbreitet sind.
Einteilung
Bei Schlangenbissen muss unterschieden werden, ob es sich um den Biss einer Giftschlange handelt oder nicht. Bisse von Arten ohne Toxine unterschieden sich nicht wesentlich von anderen Tierbissen. Sie sind primär durch das von ihnen ausgehende Infektionsrisiko relevant.
Bisse von Giftschlangen können hingegen Toxine im Gewebe freisetzen. Schlangengifte bestehen in der Regel aus verschiedenen Komponenten, die spezies- und gattungsspezifisch sind. Formal lässt sich die Giftwirkung unterscheiden in:[3]
- neurotoxisch
- gewebszerstörend
- hämolytisch
- gerinnungsstörend
- myotoxisch
- hämorrhagisch
- nephrotoxisch
Darüber hinaus können Schlangengifte als körperfremde Peptide allergische Reaktionen auslösen.
Klinik
Wenn Kinder von Schlangen gebissen werden und Gift freigesetzt wird, sind sie einem höheren Risiko für schwere Verläufe ausgesetzt, weil sie weniger Körpermasse besitzen. Neben der Giftwirkung der Schlange spielen allgemein auch Bisstiefe, Ruhigstellung und Grundverfassung des Patienten sowie die Zeit bis zur Behandlung eine Rolle.[4]
Eine Vielzahl von Auswirkungen ist möglich, u.a.:
- Schmerzen
- Schwellungen bis zum Kompartmentsyndrom
- Blutungen
- Gewebeuntergang bis hin zu ausgedehnten Nekrosen
- Fieber
- Neurologische Symptome: Schwindel, Bewusstseinsverlust, Sehstörungen, Lähmungserscheinungen
- Gastrointestinale Symptome: Durchfall, Übelkeit, Erbrechen
- Atemlähmung
- Gerinnungsstörungen bis hin zum hämorrhagischen Schock
- Nierenversagen
- Anaphylaktische Reaktionen
- Sekundärinfektionen
- Tod
Therapie
Nach einem Schlangenbiss sollte immer ein sofortiger Transport in ein Krankenhaus erfolgen. In Deutschland kann ein Giftinformationszentrum angerufen werden, um weitere Informationen zu erhalten.[2] Zu den Erstmaßnahmen vor Ort gehören:
- In Sicherheit vor weiteren Bissen bringen
- Wenn möglich, Identifikation der Schlange (Beschreibung/Foto)
- Komplette Ruhigstellung des Patienten und Beruhigung, um die Verteilung des Giftes zu verlangsamen
- Entfernung von Schmuckstücken oder abschnürenden Kleidungsstücken
- leichter Druckverband
- ggf. vorsichtige Desinfektion der Bisswunde und Markierung der Bissstelle mit Filzstift
- Kein Absaugen oder Abbinden!
Bei einer Vergiftung durch tropische Schlangenbisse werden Gegengifte, sogenannte Antivenine, zur Therapie der Symptome eingesetzt. Die Gabe sollte überwacht werden, da eine allergische Reaktion auf Antivenine möglich ist.
Prognose
Bei unverzüglicher Behandlung der Patienten mit den genannten Erstmaßnahmen und Versorgung durch das entsprechende Gegengift ist die Prognose in der Regel gut. Ein Problem ist jedoch die Verfügbarkeit der Antivenine. In vielen Entwicklungsländern ist eine adäquate Versorgung von Menschen mit Vergiftungen durch Schlangenbisse nicht gewährleistet. Daraus resultieren weltweit die hohen Zahlen von bleibenden Schäden, Amputationen und Todesfällen.
Prävention
Die WHO hat sich bis zum Jahr 2030 zum Ziel gesetzt, die Zahl der Todesfälle und Behinderungen nach Schlangenbissen um die Hälfte zu reduzieren. Die Strategien beinhalten u.a.:
- Aufklärung der gefährdeten Menschen über Risiken, Vermeidungsstrategien und Möglichkeiten der Behandlung
- Produktion von ausreichend und bezahlbaren Antivenine sowie die Schaffung von Zugangsmöglichkeiten für gefährdete Menschen
- Ausbildung des Gesundheitspersonals
Quellen
- ↑ WHO: Snakebite envenoming, abgerufen am 3.3.2021
- ↑ 2,0 2,1 Gemeinsames Giftinformationszentrum Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen: Kreuzotter, abgerufen am 3.3.2021
- ↑ Rudolf Pfab: Intoxikationen durch Reptilien (z.B. Schlangen). SpringerNature 2014, abgerufen am 2.3.2021
- ↑ Lauterschlag E.: Schlangenbiss: Symptome, Erstmaßnahmen, Häufigkeit und Vorbeugung. Updated January 31, 2021, abgerufen am 2.3.2021
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