Keratitis superficialis erosiva (Hund)
Synonyme: Epitheliale Basalmembrandystrophie, Boxerkeratitis, Indolentes Hornhautgeschwür, epitheliale Hornhautdystrophie
Definition
Als Keratitis superficialis erosiva bzw. Boxerkeratitis bezeichnet man einen Verlust des Hornhautepithels ohne Stromabeteiligung, also eine Hornhauterosion. Sie entsteht aufgrund einer Dysfunktion der Basalzellen des Hornhautepithels.
Epidemiologie
Die Hornhauterkrankung tritt gehäuft bei Boxern um das 7. Lebensjahr auf.
Ätiologie
Die Ursache für die Ausbildung einer Keratitis superficialis erosiva ist noch (2021) nicht vollständig geklärt. Es werden unterschiedliche Auslöser vermutet, u.a.:
- Verminderung der Hemidesmosomen der Basalmembran
- hyalinisierte Zone im Stroma
- Veränderung des Neuropeptids Substanz P
Pathogenese
Die genauen Pathomechanismen sind unklar. Man weiß jedoch, dass die Erkrankung maßgeblich durch die veränderten Hemidesmosomen gesteuert wird. Hemidesmosomen sind kleine Zellauswüchse, die vorwiegend in der Grenzschicht zwischen Hornhautepithel und -stroma ausgebildet sind. Sie sind maßgeblich für das gegenseitige Anheften dieser beiden Schichten verantwortlich.
Durch die mangelnde Ausbildung der Hemidesmosomen kommt es zu einem progressiven Verlust der Verbindung beider Hornhautschichten. Mit fortschreitendem Alter der Tiere tritt zusätzlich eine Degeneration der vorhandenen Hemidesmosomen ein, sodass diese letztendlich nicht mehr ihrer Haltefunktion nachkommen können. Das Hornhautepithel wird auf der darunter liegenden Schicht (Stroma) verschieblich, es löst sich blasig ab und kann durch Reibung des Lidschlags einreißen.
Unbehandelt löst sich das Hornhautepithel bei jedem Lidschlag weiter ab, sodass ein Hornhautdefekt mit losen und teils umgeschlagenen Hornhautepithelrändern entsteht.
Klinik
Die Keratitis superficialis erosiva beginnt mit einer kleinen Trübung in Polnähe der Hornhaut. In diesem Bereich lässt sich ein kleiner und von losem Hornhautepithel umgebener Defekt nachweisen. Sowohl der Defekt als auch die Zone des abgehobenen Epithels lassen sich mittels Fluorescein anfärben.
In der akuten Krankheitsphase leiden betroffene Hunde an Photophobie, Tränenfluss, verstärktem Blinzeln und Blepharospasmus. Die chronische Verlaufsform ist deutlich weniger schmerzhaft. Die fortschreitende Hornhauterosion greift auf das Hornhautstroma über und verursacht ein Hornhautulkus und eine Keratitis bullosa. Nach Wochen bis Monaten kommt es zu einer reparativen Vaskularisation, die durch das deutliche Einsprossen von Gefäßen ersichtlich wird.
Diagnose
Die Diagnose wird bei der ophthalmologischen Untersuchung gestellt (v.a. positiver Fluorescein-Test). Das klinische Bild bei entsprechend prädisponierter Hunderasse ist nahezu pathognomonisch für die Erkrankung.
Therapie
Das Fluorescein-positive Areal wird unter Lokalanästhesie (z.B. mit Procain) mit Tinctura jodi touchiert. Das lose Hornhautepithel muss rigoros abgetragen werden (Debridement). Anschließend ist das Auge lokal mit 1%igen Atropin-Augentropfen und einer antibiotischen Augensalbe zu behandeln. Zusätzlich kann abends eine Vitamin A-haltige Augensalbe eingebracht werden. Bei rechtzeitiger Therapie kommt es zu einer avaskulären Epithelregeneration innerhalb einer Woche.
Häufig tritt jedoch eine verzögerte Heilung ein, sodass das Touchieren mit Jodlösung und das umfangreiche Debridement wiederholt werden muss. Oftmals ist auch eine oberflächliche Keratektomie (z.B. mit scharfem Löffel oder Klinge), eine Skarifikation (Gitter-Keratektomie) oder die multiple Stichelung des deepithelisierten Bezirks mit einer feinen Kanülenspitze sowie das Anlegen einer Nickhautschürze notwendig.
Die Erkrankung neigt zu Rezidiven.
Literatur
- Niemand HG (Begr.). Suter PF, Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2012. Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke-Verlag in MVS Medizinverlag Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1125-3.
- Mitra S, Müller N. Die Erosive Keratitis (Hornhautentzündung mit Epithelablösung) Kleintierpraxis Dr. Nina Müller & Team. (abgerufen am 03.03.2021)
- Wacek S. Die Boxerkeratitis Kleintierpraxis, vet journal 04/11 (abgerufen am 03.03.2021)