Greifschwanz-Lanzenotter
Synonym: Schlegels Lanzenotter
Englisch: Eyelash viper, Eyelash palm pit viper
Definition
Die Greifschwanz-Lanzenotter ist eine Schlangenart aus der Familie der Vipern und der Unterfamilie der Grubenottern. Die zoologische Bezeichnung lautet Bothriechis schlegelii.
Biologie
Es handelt sich um eine kräftige, schlanke Schlange, die eine Gesamtlänge von circa 60, gelegentlich über 80 Zentimetern erreicht. Der Kopf wirkt bei Aufsicht dreieckig pfeilspitzenartig und ist deutlich vom Hals abgesetzt. Der Schwanz ist als Greiforgan ausgebildet. Die Pupille ist bei Lichteinfall senkrecht geschlitzt. Die Färbung von Bothriechis schlegelii ist äußerst variabel. Die Grundfärbung kann grünlich, oliv, gelb oder bräunlich sein. Auch weiße Exemplare sind bekannt. Der Körper ist durch Zickzackbänder oder Netzmuster gezeichnet. Die Bauchseite ist grünlich oder gelblich gefärbt und dunkel gefleckt.
Es zeigen sich folgende Merkmale der Pholidose (Beschuppung): 7 bis 10 Oberlippenschilde (Scuta supralabialia), 8 bis 12 Unterlippenschilde (Scuta sublabialia), zwei bis drei hornartig emporragende Schuppen über jedem Auge, 19 bis 25 (meist 23) Reihen gekielter Körperschuppen (Scuta dorsalia), 137 bis 169 Bauchschilde (Scuta ventralia) und 42 bis 64 weitgehend ungeteilte Unterschwanzschilde (Scuta subcaudalia).
Giftapparat
Typisch für alle Vertreter der Viperidae ist der Giftapparat: Vipern haben von allen Giftschlangen den evolutionär am weitest entwickelten Giftapparat. Die Giftdrüsen, die sich seitlich des Schädels befinden und von umgebildeten Speicheldrüsen dargestellt werden, stehen in Verbindung mit den Gift- bzw. Fangzähnen. Diese befinden sich im vorderen Oberkiefer, sind bei geschlossenem Maul eingeklappt und werden beim Zubeißen aufgestellt. Die Giftzähne sind röhrenartig aufgebaut und ermöglichen eine Injektion des Giftsekretes wie durch die Kanüle einer Spritze.
Lebensweise
Bothriechis schlegelii führt eine überwiegend nachtaktive, kletternde Lebensweise und ernährt sich von Froschlurchen, Vögeln und Kleinsäugern. Die Fortpflanzung erfolgt durch Ovoviviparie, also ei-lebendgebärend. Ein Wurf kann 10 bis 20 Jungschlangen umfassen.
Vorkommen
Das Verbreitungsgebiet von Bothriechis schlegelii erstreckt sich in Lateinamerika über Teile von Mexiko, Belize, Guatemala, Honduras, Nicaragua, Costa Rica und Panama. Weiterhin existieren wenige Populationen in Venezuela, Kolumbien und Ecuador. Während Richtung Atlantik flache und küstennahe Gebiete besiedelt sind, werden in Kolumbien Populationen in Höhen bis 2.640 Meter gefunden. Zu den bevorzugten Lebensräumen zählen feucht-tropische Waldgebiete. Als Kulturfolger ist die Art zudem häufig auf Plantagen anzutreffen.
Toxikologie
Bei einem Biss kann Bothriechis schlegelii 10 bis 20 mg Rohgift (Trockengewicht) abgeben. Das Giftsekret enthält vermutlich Hämorrhagine (nicht klinisch relevant) und Prokoagulantien. Enzymatisch zeigen sich caseinolytische Effekte sowie Hyaluronidase- und Phospholipase A2-Aktivität. Nach einem Giftbiss können unter anderem folgende Symptome auftreten:
- Unspezifische Allgemeinsymptome: Kopfschmerz, Abdominalschmerz, Emesis, Nausea, Hypotonie, Synkope
- Lokale Effekte: Schmerz, Ödem, Blasenbildung, möglicherweise Nekrose
- Koagulopathie und Hämorrhagien in schweren Fällen
Es wurden geographische Unterschiede hinsichtlich der Intensität der Giftwirkung festgestellt. Das Giftsekret von Exemplaren aus Costa Rica erwies sich als toxischer als das Gift von Tieren aus Kolumbien. Im Tierversuch (Maus) wurde für Proben aus Costa Rica eine mittlere Letaldosis von 5,60 mg/kgKG, für Proben aus Kolumbien 9,24 mg/kgKG festgestellt.
Bissunfälle mit Bothriechis schlegelii verlaufen zumeist mild. Schwere systemische Effekte oder Todesfälle sind beim Menschen selten.
Maßnahmen nach Giftbiss
- Keine Kompressionsmethode, da hierdurch die zytotoxische Lokalwirkung ungleich verstärkt wird.
- Überwachung der Gerinnungsparameter.
- Wundtoilette bei Nekrose, sofern die Gerinnungswerte es zulassen.
- Antivenine: Der Einsatz von Antiveninen sollte nur in Rücksprache mit einer Giftnotruf-Zentrale und nach gründlicher Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Es existiert kein spezifisches, monovalentes Antiserum gegen das Gift von Bothriechis schlegelii. Als Antivenine stehen unter anderem folgende polyvalente Präparate zur Verfügung:
- Antivipmyn (Produzent: Instituto Bioclon)
- Soro antibotropico-crotalico (Produzent: Instituto Butantan)
Epidemiologie
Im natürlichen Lebensraum kommt es aufgrund der kulturfolgenden Lebensweise regelmäßig zu Bissunfällen, etwa auf Plantagen. In Europa kann es zu Bissunfällen mit Heimtieren kommen. Bothriechis schlegelii ist ein beliebtes Terrarientier, das auch in Deutschland häufig gehalten wird. Die Haltung von Giftschlangen in Gefangenschaft sollte zoologischen Einrichtungen oder sachkundigen Terrarianern vorbehalten bleiben; die rechtlichen Anforderungen sind in Deutschland je nach Bundesland variabel.
Literatur
- Trutnau: Schlangen im Terrarium Bd. 2: Giftschlangen. Verlag Ulmer, Stuttgart 1998.