Familiäre hypokalziurische Hyperkalzämie
Synonyme: FBH, FBHH, familiäre benigne hypokalziurische Hyperkalzämie, benigne familiäre Hyperkalzämie
Englisch: familial hypocalciuric hypercalcemia, familial benign hypercalcemia
Definition
Bei der familiären hypokalziurischen Hyperkalzämie, kurz FHH, handelt es sich um eine genetisch-bedingte, meist asymptomatisch verlaufende Störung des Mineralstoffwechsels. Sie ist durch moderate Hyperkalzämie, Hypokalzurie und normale bis leicht erhöhte Parathormonwerte gekennzeichnet.
Epidemiologie
Die Prävalenz der Erkrankung ist nicht bekannt. Vermutlich ist sie unterdiagnostiziert, was durch die Vielzahl asymptomatischer Verläufe bedingt ist.
Ätiologie
Auslöser des Krankheitsbildes sind verschiedene Genmutationen, die in der Regel einem autosomal-dominanten Vererbungsmodus folgen.
Genetik
Je nach betroffenem Gen werden drei verschiedenen Formen der FHH unterschieden:
- Typ 1: Mutation betrifft CASR an Genlokus 3q21.1
- Typ 2: Mutation betrifft GNA11 an Genlokus 19p13
- Typ 3: Mutation betrifft AP2S1 an Genlokus 19q13
Typ 1 kommt mit etwa 65 % der Fälle am häufigsten vor.
Pathogenese
Durch den Funktionsverlust des Calcium-Sensors CASR kommt es zur verminderten Calcium-Sensitivität der Nebenschilddrüse und Niere. Die Hyperkalzämie löst also nicht wie üblich eine Hyperkalzurie aus.
Selten sind Fälle einer Autoantikörperbildung gegen CASR beschrieben.
Klinik
Grundsätzlich kann das Krankheitsbild der FHH symptomatisch oder auch asymptomatisch verlaufen, wobei lebenslange asymptomatische Verläufe die Regel sind.
Zu den möglichen Symptome zählen:
- Müdigkeit
- Schwäche
- Kopfschmerzen
- Polyurie
- Polydipsie
- Störungen der Denkfähigkeit
In seltenen Fällen wurde als Komplikationen rezidivierende Pankreatitis, Chondrokalzinose und Atherosklerose beschrieben. Das Frakturrisiko ist nicht erhöht.
Diagnostik
Die Verdachtsdiagnose kann laborchemisch gestellt werden. Hinweisend ist die Kombination von:
- Hyperkalzämie (> 2,65 mmol/L)
- normwertiges oder leicht erhöhtes Parathormon
- Hypokalzurie im 24h-Sammelurin (< 6,2 mmol)
Der Calcium-Kreatinin-Quotient im Urin ist deutlich erniedrigt. Diagnostisch hinweisend sind hier Werte von < 0,01 (in über 80 % der Patienten). Alle Patienten mit einer Calcium-Kreatinin-Quotient von < 0,020 sollten anschließend molekularbiologisch auf eine CASR-Mutation getestet werden. Familienangehörigen von Betroffenen kann eine genetische Beratung angeboten werden.
Eine unauffällige Bildgebung der Nebenschilddrüsen spricht differentialdiagnostisch für eine FHH und gegen einen primären Hyperparathyreoidismus (pHPT).
Cave: Bei gleichzeitig bestehendem Vitamin-D-Mangel kann die Calcium-Ausscheidung im Urin normwertig sein und das Krankheitsbild fehldiagnostiziert werden.
Pränataldiagnostik
Aufgrund des gutartigen Verlaufs ist eine pränatale Diagnostik nicht indiziert. Sollten beide Elternteile betroffen sein, ist ist sie jedoch empfehlenswert, da das Kind ein erhöhtes Risiko hat, im Neugeborenenalter einen pHPT zu entwickeln.
Differentialdiagnosen
Als Differentialdiagnosen in Frage kommen:
Therapie
Die Krankheit nimmt in der Regel einen gutartigen Verlauf, sodass in der Mehrzahl der Fälle keine Therapie erforderlich. Bei symptomatischer Hyperkalzämie kann eine medikamentöse Senkung des Calciumsspiegels erwogen werden. Eine subtotale Parathyreoidektomie führt üblicherweise nicht zur Heilung, im Gegenteil können die Symptome weiter persistieren.
Quellen
- StatPearls - Familial Hypocalciuric Hypercalcemia, abgerufen am 11.01.2023
- Orphanet - Familiäre hypokalziurische Hyperkalzämie, abgerufen am 11.01.2023