Descensus vesicae
Definition
Unter einem Descensus vesicae versteht man das Absinken bzw. die Verlagerung der Harnblase nach kaudal in Richtung des Beckenbodens infolge einer Schwäche der bindegewebigen und muskulären Haltestrukturen. Er tritt häufig im Rahmen von Deszensus- und Prolapszuständen des kleinen Beckens auf und ist oft mit einem Descensus uteri kombiniert.
- ICD-10 Code: N81.-
Epidemiologie
Der Descensus vesicae betrifft insbesondere Frauen nach mehreren vaginalen Geburten oder mit ausgeprägter Bindegewebsschwäche.
Ätiologie
Ursächlich ist meist eine Insuffizienz des Beckenbodens oder der Faszien, beispielsweise durch:
- Geburtsverletzungen (z.B. Dammrisse, Levatorabriss)
- Alterungsprozesse mit atrophischen Veränderungen
- Bindegewebsschwäche (kongenital oder erworben)
- Chronische Druckerhöhungen im Abdomen (z.B. Adipositas, chronischer Husten, schwere körperliche Arbeit)
Pathophysiologie
Durch die Schwäche der Fascia pelvis visceralis und des Levator ani kommt es zu einer Verlagerung der Harnblase nach kaudal. Man unterscheidet:
- Pulsionszystozele: Absinken der zentralen Blasenwand bei Insuffizienz der Fascia vesicalis.
- Traktionszystozele: laterales Absinken bei Insuffizienz der seitlichen Aufhängungen (z.B. Ligamentum pubovesicale).
Die Pulsionszystozele ist häufiger als die Traktionszystozele.
Klinik
Betroffene klagen häufig über:
- Fremdkörpergefühl in der Vagina
- Druck- oder Senkungsbeschwerden
- Miktionsstörungen wie unvollständige Blasenentleerung, Pollakisurie oder Belastungsinkontinenz
Diagnostik
Die Diagnostik des Descensus vesicae umfasst u.a. eine gynäkologische Untersuchung, bei welcher der Deszensusgrad anhand des POP-Q-Systems beurteilt wird. Ergänzend kann eine Sonographie zur Beurteilung von Zystozelen sinnvoll sein. Bei unklaren Miktionsstörungen ist außerdem eine urodynamische Untersuchung angezeigt.
Therapie
Die Therapie richtet sich nach dem Ausmaß des Befundes sowie den individuellen Beschwerden der Patientin und kann konservativ oder operativ erfolgen. Zu den konservativen Maßnahmen zählen insbesondere das Beckenbodentraining und die Pessartherapie. Bei ausgeprägter Symptomatik oder unzureichender Besserung unter konservativen Maßnahmen kommt eine operative Behandlung infrage, wie beispielsweise die Kolporrhaphie anterior (vordere Vaginalplastik), gegebenenfalls in Kombination mit einer Netzimplantation.
Prognose
Bei konsequentem Beckenbodentraining in frühen Stadien kann ein Fortschreiten verzögert werden. Operative Verfahren weisen gute Erfolgsraten auf, jedoch besteht ein Rezidivrisiko.