BLUE-Protokoll
Englisch: BLUE protocol
Definition
Das BLUE-Protokoll ist ein Ultraschallprotokoll zur Differentialdiagnostik bei Intensivpatienten mit akuter Atemnot.
Hintergrund
Das BLUE-Protokoll wurde 2008 im Rahmen einer Studie entwickelt, um das Potential des Lungenultraschalls bei akuter respiratorischer Insuffizienz zu untersuchen.[1] Dabei wurden Intensivpatienten initial mit Hilfe des BLUE-Protokolls untersucht und die Ergebnisse mit der endgültigen Diagnose verglichen. Die richtige Diagnosestellung gelang bei ca. 90 % der Patienten.
Durchführung
Im BLUE-Protokoll wurde ein 5 MHz Konvexschallkopf verwendet. Die Untersuchung erfolgt sowohl von anterior als auch von posterolateral am halbliegenden oder liegenden Patienten. Dabei wird auf folgende Zeichen geachtet:
- Artefakte: horizontale A-Linien (Reverberationen) und vertikale B-Linien (Kometenschweifartefakte). Fehlende A-Linien und mehr als drei B-Linien (sog. B+-Linien) sprechen für ein interstitielles Syndrom
- Lungengleiten: atemsynchrone Bewegung der Pleuralinie (B-Mode), Seashore-Zeichen (M-Mode)
- Pleuraergüsse: schalldichtes Muster mit regelmäßigem Rand (Lungenlinie, entspricht der Pleura visceralis), Quad-Zeichen, Sinus-Zeichen
- alveoläre Konsolidierung: flüssigkeitsgefüllte Alveolen erzeugen an der Grenzfläche Reflexionen; fehlende Lungenlinie und fehlendes Sinus-Zeichen; Shred sign
Befund
Charakteristischerweise kombiniert auftretende Zeichen werden zu Profilen zusammengefasst:
- A-Profil: anterior-betonte, bilaterale A-Linien und Lungengleiten; typischerweise bei COPD, Lungenembolie und z.T. bei Pneumonie
- A'-Profil: A-Profil ohne Lungengleiten und ohne Lungenpunkt
- B-Profil: anterior-betonte bilaterale B+-Linien mit Lungengleiten
- B'-Profil: B-Profil ohne Lungengleiten
- A/B-Profile: anterior betonte B+-Linien auf der einen Seite, A-Linien in der anderen Lunge
- C-Profil: anteriore alveoläre Konsolidierung
- PLAPS-Profil: posterolaterales alveoläres und/oder pleurales Syndrom (alveoläre Konsolidierung bzw. Pleuraerguss)
- Normalprofil: A-Profil ohne PLAPS
Erkrankung | Befund | Sensitivität | Spezifität | positiver prädiktiver Wert | negativer prädiktiver Wert |
---|---|---|---|---|---|
Asthma bronchiale bzw. COPD |
|
89 % | 97 % | 93 % | 95 % |
kardiogenes Lungenödem |
|
97 % | 95 % | 87 % | 99 % |
Lungenembolie |
|
81 % | 99 % | 94 % | 98 % |
Pneumothorax |
|
88 % | 100 % | 100 % | 99 % |
Pneumonie |
|
11 % | 100 % | 100 % | 70 % |
|
14,5 % | 100 % | 100 % | 71,5 % | |
|
21, 5 % | 99 % | 90 % | 73 % | |
|
42 % | 96 % | 83 % | 78 % | |
Bei der Pneumonie ergibt sich insgesamt eine Sensitivität von 89 % und eine Spezifität von 94 %. |
Anwendung
Das BLUE-Protokoll dient der Initialdiagnostik bei Patienten mit akuter Atemnot (z.B. bei COVID-19). Dabei kann die Ultraschalluntersuchung am Krankenbett (POCUS) als Alternative zum HRCT das Übertragungsrisikos einer infektiösen Erkrankungen reduzieren.[2]
siehe auch: Triage bei COVID-19
Quellen
- ↑ Lichtenstein DA, Mezière GA, Relevance of lung ultrasound in the diagnosis of acute respiratory failure: the BLUE protocol, Chest. 2008 Jul;134(1):117-25, abgerufen am 01.04.2020
- ↑ Lenzen-Schulte, M Bei COVID-19-Verdacht: Rasche Triage symptomatischer Patienten in der Notaufnahme, Dtsch Arztebl 2020; 117(14): A-715 / B-606, abgerufen am 01.04.2020