Andrologischer Untersuchungsgang (Fleischfresser)
Synonym: Andrologische Untersuchung
Definition
Der andrologische Untersuchungsgang ist ein standardisierter Untersuchungsgang, der die Grundlage jeder andrologischen Diagnose bei Hund und Katze bildet.
Hintergrund
Der andrologische Untersuchungsgang dient dazu, die erbliche, klinische und mikrobielle Geschlechtsgesundheit bei männlichen Tieren festzustellen. Vor der andrologischen Untersuchung ist eine gründliche Anamnese und eine allgemeine klinische Untersuchung durchzuführen.
Untersuchungsgang
Die andrologische Untersuchung gliedert sich in mehrere Abschnitte:
- Voruntersuchung (Anamnese, Nationale, Gesundheitszustand)
- äußere und innere Untersuchung der männlichen Geschlechtsorgane
- Beurteilung des Geschlechtsverhaltens (funktionelle Untersuchung)
- biologische (spermatologische) und mikrobielle Untersuchung des Samens
Voruntersuchung
Die Voruntersuchung dient der Erhebung der ersten anamnestischen und tierspezifischen Parameter und gibt einen Überblick über den derzeitigen Gesundheitszustand des Patienten.
Anamnese
Durch den Vorbericht können erste Hinweise auf das Vorhandensein und mögliche Ursachen von Erkrankungen bzw. Fertilitätsstörungen erhoben werden. Die Untersuchungsabsicht (z.B. andrologische Erkrankung, Kauf oder Verkauf des Tieres, geplanter Einsatz zur Bedeckung) ist abzuklären, da sie die Art und den Umfang der weiterführenden Untersuchungen bestimmt. Im Zuge der Anamnese werden erfragt:
- Art des Deck- oder Besamungsmanagements
- Libido
- Ablauf der Paarungsreflexkette
- Deck- bzw. Samenentnahmefrequenz
- Zeitpunkt des letzten Deckeinsatzes bzw. der letzten Samenentnahme
- Befruchtungsergebnisse der laufenden und vergangenen Paarungen
- vorangegangene oder derzeit aktuelle Erkrankungen (Art, Dauer, Therapie)
- Haltungsbedingungen (Fütterung, Haltungsart)
- Zuchtzulassung durch einen Zuchtverband
Nationale
Da eine andrologische Untersuchung meist Voraussetzung für die Erstellung eines Gutachtens zur Zuchtzulassung ist, muss das Tier eindeutig identifiziert werden. Es müssen folgende Punkte (Nationale) dokumentiert werden:
- Rasse
- Alter
- Farbe
- Abzeichen (angeboren, erworben)
- phänotypischer Erbfehler
Allgemeiner Untersuchungsgang
Ziel der Allgemeinuntersuchung ist es, einen umfangreichen Einblick in den Gesundheitsstatus des Tieres zu bekommen. Die Untersuchung konzentriert sich in erster Linie auf Vitalparameter und den Allgemeinzustand des Tieres.
- Herzfrequenz und peripherer Kreislauf
- Kopfschleimhäute
- Hydratationszustand
- Atemfrequenz und Atemtypus
- Ernährungszustand
- Körperhaltung
- Allgemeinverhalten
- innere Körpertemperatur
Spezielle andrologische Untersuchung
Die spezielle andrologische Untersuchung setzt sich aus vier Unterpunkten zusammen, die sowohl die Morphologie, als auch die Funktionalität und den Gesundheitszustand der Geschlechtsorgane beurteilen.
Morphologische Untersuchung der Geschlechtsorgane
Bei der morphologischen Untersuchung der äußeren männlichen Geschlechtsorgane wird bestimmt, ob diese vorhanden, vollständig ausgebildet und dem Alter und der Rasse entsprechend sind. Zusätzlich können Erkrankungen oder sonstige Abweichungen von der Norm erhoben werden. Die äußere Untersuchung wird sowohl adspektorisch als auch palpatorisch durchgeführt. Zu untersuchen sind:
- Skrotum: Haare, Haut, Verschieblichkeit der einzelnen Schichten und Konsistenz
- Hoden, Nebenhoden und Samenstränge: Größe, Symmetrie, Form, Lage, Konsistenz, Verschiebbarkeit im Skrotum, vermehrte Wärme und Schmerzhaftigkeit
- Präputium: Sekret, Schmutz
- Penis: Größe, Form, Schleimhaut, Zubildungen, Verletzungen
Bei der rektalen Untersuchung, die beim Hund digital gestützt durchgeführt wird, werden tierartspezifische Befunde an den akzessorischen Geschlechtsdrüsen erhoben. Die Drüsen können auf Größe, Symmetrie, Konsistenz und Schmerzhaftigkeit untersucht werden. Zusätzlich kann der Beckenabschnitt der Harnröhre auf eventuelle Verengungen oder Verhärtungen (Urolithiasis) abgetastet und durch eine endoskopische Untersuchung erweitert werden.
Funktionelle Untersuchung
Ziel der funktionellen Untersuchung ist es, die Begattungsfähigkiet (Potentia coeundi) zu befunden. Beurteilt werden vor allem die Geschlechtslust (Libido sexualis) und der Ablauf der Paarungsreflexkette. Hierbei wird geprüft, ob die Reflexkette vollständig und ungestört abläuft. Die Libidio sexualis kann anhand der Reaktionszeit (Zeit zwischen Präsentation des Sprungpartnes und dem ersten Aufsprung) beurteilt werden. Im Zuge der Untersuchung des Paarungsverhaltens wird auch der Samen für die weiterführenden Untersuchungen gewonnen. Die Paarungsreflexkette beinhaltet folgende Abschnitte:
- präkoital: Excitatio, Erectio, Emissio
- koital: Ascensus, Circumplexio, Adjustatio, Immissio
- postkoital: Descensus, Relaxio, Calmatio
Beim Rüden wird eine fraktionierte Ejakulatgewinnung durch manuelle Stimulation (Massage) und Fixierung des Penis erzielt (Absamung). Hierbei sind alle tierartspezifischen Vorkehrungen zu schaffen, sodass die Samenentnahme möglichst unproblematisch stattfinden kann. Die unterschiedlichen Samenfraktionen müssen in verschiedene Behälter aufgefangen werden, sodass diese im Anschluss weiter untersucht werden können.
Das Ziel der spermatologischen Untersuchung ist die Beurteilung der Befruchtungsfähigkeit (Potentia generandi). Das Ejakulat wird sowohl quantitativ als auch qualitativ untersucht und anhand empirisch ermittelter Parametern auf Mindestanforderungen geprüft:
Mindestanforderungen für Ejakulate von Rüden | ||||
---|---|---|---|---|
bis 10 kg | 11-20 kg | 21-40 kg | >40 kg | |
Ejakulatvolumen (ml) | 5-10 | 10-15 | 10-20 | 15-30 |
Volumen der spermienreichen Phase (ml) | 0,5-1,0 | 0,5-2,0 | 1,0-2,0 | 1,0-3,0 |
Spermiengesamtzahl (x 106) | 450 | 800 | 1.200 | 1.500 |
Vorwärtsmotilität (%) | 60-70 | |||
Anteil formnormaler Spermien (%) | 75-90 |
Mikrobielle Untersuchung
Durch eine mikrobielle Untersuchung des Spermas können Krankheiten ausgeschlossen oder detektiert werden, die beim Deckakt oder bei der Spermaübertragung auf den Deckpartner übertragen werden können. Zusätzlich gibt die mikrobielle Untersuchung einer Nativsamenprobe Hinweise auf die ursächlich an einer Entzündung der Hoden, Nebenhoden oder akzessorischen Geschlechtsdrüsen beteiligten Erreger.
Beim Rüden stehen aufgrund einer fraktionierten Ejakulation - je nach Indikation - verschiedene Sekrete für die Untersuchung zur Verfügung. Unabhängig davon sollte bei einem klinisch manifesten Präputialkatarrh zusätzlich eine Präputialsekretprobe gewonnen werden. Alle Proben können bakteriologisch, virologisch und/oder parasitologisch untersucht werden.
Weitergehende Untersuchungsverfahren
Je nach Fragestellung und Untersuchungsergebnissen sind weitere diagnostische Untersuchungsmethoden anzuschließen:
- spermatologische Fluoreszenzfärbung
- Hodenbiopsie
- endokrinologische Untersuchungen
Literatur
- Baumgartner, Walter. Klinische Propädeutik der Haus- und Heimtiere. 8., aktualisierte Auflage. Enke-Verlag, 2014.